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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Heilmaier, Hans: Das Werk des Bildhauers Josef Bernard
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0108

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DAS WERK DES BILDHAUERS JOSEF BERNARD

Josef Bernard ist am 7. Januar 1931 gestorben.
Kaum eine Woche nach Ankündigung meines
Besuchs raffte ihn eine heimtückische Grippe
hinweg. Vierzehn Tage später begrüßte ich nicht
ohne schmerzliche Gefühle im Atelier des Künst-
lers die beredten Zeugen langer Schaffens]ahre.
Hier, in der beschaulichen Atmosphäre der Vil-
lenstadt Boulogne sur Seine wirkte er abseits
und unberührt vom Trubel des künstlerischen
Arrivistentums der nahen K apitale. — Bourdelles
Atelier hatte man nach dessenTode in eine Sterbe-
kapelle umgewandelt. Die Menschen, welche
kamen und gingen, Blumenschmuck und Sarg
gemahnten an das Unabänderliche, zwangen zu
Besigniertheit und Distanz.
In Bernards W erkstatt hingegen schien alles auf
den Meister zu warten. Werkzeuge und Geräte
lagen unberührt, wo sie gelassen. Auf einem
eben begonnenen Basrelief klafft die W unde
des letzten Meißelhiebs. Die summarisch mit
der Kohle angedeutete Komposition auf dem
unbehauenen Teil des Steinblocks harrt der Aus-
führung. Ein Frauenkopf zeigt die frische Knet-
spur der Hände. . .

Bernard zählt mit Maillol, Despiau und einigen
andern zu jener Gruppe von Bildhauern, deren
Schaffensbetrinn in jene Zeit fiel, da Bodins
Name in aller Munde war und das W erk des
Titanen von Meudon auf isolierter Höhe ragte.
Die Genannten sind fast ausnahmslos durch das
Atelier Bodins gegangen und eine Zeitlang bei
ihm Gehilfen gewesen. Aber das war mehr eine
Frage des Broterwerbs und der Einfluß des
großen Bildners kaum von Bedeutung. Im Ge-
genteil! Die Jugendarbeiten dieser Gruppe stan-
den bereits in striktem Gegensatz zur Bodinschen
Kunst; sie eröffneten neue W ege. Ist es sympto-
matisch für ihr W erk, daß sie allesamt aus dem
französischen Süden kommen? Man ist versucht,
es zu glauben.

Josef Bernard stammt aus einer Familie savoy-
ardischer Herkunft. Er wurde 1866 in der Stadt
Vienne geboren, wo sein Vater als Steinmetz
schaffte. Der Junge wurde so von früh auf mit
dem handwerklichen Teil seines künftigen Be-
rufs vertraut. Stichel und Meißel lagen immer

in Beichweite. Heute noch steht im Garten des
elterlichen Hauses ein Löwe: neben anderen
Tierplastiken einer der Erstlinge des jungen
Beruard. Andrerseits bot Vienne, die alte Bömer-
siedlung, mit dem Augustustenipel, der Votiv-
pyramide und zwei frühgotischen Kirchen einige
schöne Architekturbeispiele.Der väterlicheW erk-
platz hier — die Baudenkmäler dort: Metier und
Kunst, zwei Elemente, die sich in des Künstlers
W erk aufs glücklichste ergänzen.
Nach einer längeren Lernperiode an der Aka-
demie von Lyon begibt sich der 17jährige Ber-
nard nach Paris, wo er nach einer kurzen Pas-
sage auf der Academie des Beaux Arts selbstän-
dig zu schaffen beginnt.

Das bevorzugte Material des Bildhauers war der
Stein (Marmor, Granit), das mit Vorliebe be-
handelte Sujet: die weibliche Figur. Dabei diente
ihm das Modell, wie jedem guten Künstler, mehr
als Anhalt denn Vorbild, 1905 entsteht die erste
direkt in Stein gehauene Skulptur, eine weib-
liche Büste. Bernard benutzte für seine Vorar-
beiten selten Lehm und Ton. Dieses Material
schien ihm zu verführerisch, leistete der Finger-
fertigkeit allzusehr \ orschub. Für die ^ orbe-
reitung und Entwürfe zog er den schwerer zu
behandelnden Gips vor.

Die Frage nach dem Stil der Bernardschen Kunst
scheint in gewissem Sinne müßig. Es ist weder
das Nur-Asthetische noch das mehr und mehr
sich zur Meisterschaft steigernde Können, auf
denen ihr Stil beruht. Stil erscheint mir hier
eher das Besultat eines glücklichen Naturells zu
sein, dem jegliche Problematik fernliegt. Denn
es herrscht eine seltene Harmonie zwischen dem
Schönheitsideal Bernards und dem, was er ge-
staltet. Hinkte nicht jeder Vergleich im vorhi-
nein, so wäre man versucht, an Benoir zu denken,
der nichts als Bilder malt, indes seine Kollegen
denlmpressionismusausbrüten.SindnichtW erke
wie die „Bacchantin- und „Mädchen mit Krug"
die besten Belege hiefür? Die sanften Kurven
der Leiber greifen unmerklich ineinander über,
skandieren den Bhythnms der Form, die ihrer-
seits auf dem Prinzip des großen Volumens be-
ruht. Die Basreliefs aus der Sammlung Nocart

Kunst für Alle, Jahrg. 47, Heft 4, Januar

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