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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Heilmaier, Hans: Das Werk des Bildhauers Josef Bernard
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0112

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JOSEF BERN ARD.

PORTRÄTBÜSTE

lassen in ihrem strengen, doch melodischen
Gleichmaß an die Ägypter denken, ein Mäd-
chenkopf in rosa Marmor beschwört in seiner
Formreinheit die Kunst eines Desiderio da Set-
tignano. Andere Werke, so der Faun in Granit,
sind den archaischen Griechen wesensverwandt.
Aber Bernards Kunst ist doch und zu allererst
von heute. Sie schließt jede Eklektik aus. Was
man mit Tradition bezeichnet, wirkt hier als
natürliches Erbgut weiter und ist nicht entlehnt.
Exzessiver Realismus liegt seiner Gestaltung
fern. Die Formen sind präzis, die Volumen kom-
pakt. Die Figur einer Tänzerin, einer Nymphe,
gehorcht mehr einer architektonischen Ordnung
als den Regeln der Anatomie und des goldnen
Schnitts. Stilisiertes Äaturvorbild bleibt immer

kalt und dürftig. Diese Skulpturen -jedoch sind
voll atmenden Lebens. So wirken Bewegung und
Haltung der „Bacchantin" gerade der ungesuch-
ten Pose wegen frei und gelöst. Kein kleinliches
ans Detail sich Klammern stört die in melodi-
scher Rundung fließende Kontur. Ob ruhig und
klar im Räume stehende Mädchenleiber oder
Büsten voll edlen Ausdrucks und strenger \er-
haltenheit: bei aller Freiheit des Gestaltens ist
hier Maß und Ausgeglichenheit das erste. Eine
aus Mailänder Marmor gemeißelte Büste „Le
chant" hebt diese beiden Grundeigenschaften
Bernards besonders hervor. Dieser Mund singt,
er schreit nicht. Verhaltene Expression wirkt
doppelt stark. Man denkt vor „Le chant" an die
Ästhetik der Griechen.

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