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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Kroll, Bruno: Kunst und Können
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0117

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Die heutige Generation läuft Gefahr, das Hand-
werk zu verlieren, das Talent zu verkennen. Sie
verachtet das Können : fühlt sich in ihrer indi-
viduellen Existenz bedroht, wenn man ihr aus
dem reichen Schatz der Erfahrung erklärt, daß
die Hand fünf Finger und nicht vier habe und
daß der Kopf in einem gewissen Größenverhält-
nis zum Körper stehen müsse. Der größte Wech-
sel auf die Zukunft eines Malers ist— sein Auto-
didaktentum. Man entsagt dem „natürlichen"'
Handwerk, ohne zur Gestaltung der höheren,
der eenialen Kunst befähigt zu sein.
Kunst kommt von Können. Einstmals verdarb Ge-
schicklichkeit die Kunst, heute Nichtvermögen.
Die Zwanzig-, Dreißigjährigen gebärden sich
wie der alte Rembrandt und der mit dem Tode
ringende Corinth. Wo diese Großen aufhörten,
beginnen die Jungen . . . Einstmals wurden aus
Schülern Meister. Heute werden ausjungen Snobs
Modeerscheinungen, die kurze Zeit am Kunst-

händlerhimmel aufleuchten, um dann für ewig
der Vergessenheit anheimzufallen . . .
Tom Handwerk ging einst die Kunst aus; im
Handwerk vollendete sie sich. Wer nicht die
Kraft zu eigner malerischer Phantasie besitzt,
begnüge sich mit der seiner Lehrer. Er wird sich
damit eine Existenz und anderen eine Freude
bereiten.

Nicht alle, die um Leibi malten, waren Genies.
Aber es waren tüchtige Maler, deren Handwerk
von solcher Gediegenheit und Kultur war, daß
wir sie zu den besten Malern des 19. Jahrhun-
derts rechnen. Auf nichts anderem als ihrem
Handwerk beruht die Größe der holländischen
Kleinmeister. Man sollte sich diese Kleinen zum
Vorbild nehmen, um wieder groß zu werden.
Qualität ist alles, d. h. ein Handwerk, das über-
zeugt und in erschöpfender und wohltuender
Weise auf die höheren Sinne und das Innere des
Beschauers zwingend einwirkt. Dr. Bruno Kroll

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