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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Busch, Harald: Wer ist Carlo Müller?
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0135

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WER IST CARLO MÜLLER?

In Hamburger Privatbesitz befindet sich ein
..Carlo Müller" bezeichnetes Guasche-Gemälde,
das 68:106 cm mißt. Zwei etwa gleichgroße.,
ebenfalls signierte Stücke dieses sonst unbe-
kannten Malers -wanderten mit zwei etwas klei-
neren Bildern desselben kürzlich vom gleichen
Besitzer an dessen Tochter nach Holland weiter.
Letztere kenne ich nicht im Original, so daß ich
nicht entscheiden kann., ob es sich — wie mir
gesagt wurde — um ...Aquarellskizzen" handelt,
oder — was eher anzunehmen — ebenfalls um
in Temperatechnik ausgeführte Stücke.
Die fünf Bilder stellen sämtlich Landschaften
mit mehr oder weniger Staffage dar. die man
in Italien beinahe lokalisieren zu können meint.
Bei den zwei „Skizzen"' handelt es sich den Ar-
chitekturen und der Männertracht nach (z. B.
die süditalienische Spitzkappe!) um italienisches
Alpengebiet. Doch sind die Bilder wohl nur aus
Beminiszenzen zusammenkomponiert.
Eigenartig, wie stark Carlo Müller in der Hand-
schrift (der Baumschlag besonders!; an Geßner
und diese Gruppe von Malern des 18. Jahrhun-
derts erinnert. Vor allem aber steht er Strack
und Beinhardt nahe. Unbedenklich möchte man
ihn in die deutsche Malergruppe in Born auf-
nehmen : doch scheint er in dieser nicht ver-
kehrt zu haben. Selbst in dem fleißig gesam-
melten Buch Noacks, ..Deutsches Leben in
Bom 1700—igoo", ist er nicht erwähnt. Seiner
Einstellung nach gehört Müller aber weniger zu
jenen das Bokoko mit dem Klassizismus verbin-
denden Künstlern, deren Ideallandschaften nie-
mals so ausgeprägt lokalgeographischen Cha-
rakter tragen wie die seinen, sondern mehr
(wenn auch nicht rein!) schon zu denen, die
später zu Bealismus und impressionistischer
Landschaft führen sollten. Man bedenke: unsere
Bilder sind um 1830 erst gemalt! In dieser
Künstlerpersönlichkeit scheint sich die eine Art
aus der anderen zu lösen: es wird noch „gebaut",
fraglos im Atelier gearbeitet : doch schon ver-
mengt sich überall die Erinnerung an „Natur-
aufnahmen" mit dem in Formeln denkend Kom-
ponierten: ob es nun Tivoli oder Neapel sein
mag, die Campagna oder (am stärksten in den
..Skizzen ") Oberitalien.

Das W ertvollste an Müller ist zweifellos der feine

Zusammenklang der Farbe, die Tonigkeit. W ie
der Himmel selbst etwa oder das Licht um die
Baumkronen, im Gezweig, sein W iderschein im
Wasser oder dessen durchleuchtete Tiefe, wie
die Sonnigkeit um die Kleider der Menschen
schimmert, das Bildganze einheitlich diesig zu-
sammenzwingend, davon vermittelt die Schwarz-
W eiß -"Wiedergabe der Photographie leider so-
zusagen nichts. Die in sehr blaß ockerfarbenem
und in bläulichem Grün bis zu gelblichem und
rötlich wie von Abendsonne beschienenem Braun
gehaltene Landschaft bindet sich mit der Bläue
des Firmaments, die trotz ihrer Luftigkeit nicht
leichter (also nicht als Loch in der Komposition
der Malfläche!) wirkt, als das Gegenständliche.
Einige buntstarke Farbtupfen — gern dunkles
Bot und Blau oder auch ausgespartes Weiß des
Grundes — leuchten beinahe raffiniert in dem
einheitlich weichen Bildspiegel.
Der Maler ist Boutinier; er hat gelernt, „kann"
etwas, ist keinesfalls Dilettant.
Um so merkwürdiger, daß nirgends eine Nach-
richt über diesen Müller zu finden ist, keine
weiteren Bilder seiner Hand bekannt sind, von
denen es doch eine Anzahl geben muß! In
Privatbesitz fallen mir da zufällig diese paar
eigenartigen zwischen 1829 und 1831 datierten
und signierten Bilder auf.
Diese fünf Werke Carlo Müllers sind in Italien
gekauft: die Frau des bekannten hansischen
Diplomaten Charles Godeffroy, Marianne, geb.
Jenisch, brachte sie von dort mit. In ihrer Fa-
milie erbten sie sich weiter auf den jetzigen Be-
sitzer Herrn F. F. Eiffe. Marianne Godeffrov muß
Anfang der dreißiger Jahre im Süden gewesen
sein: 1831 wurde ihr dort eineTochter geboren.
Vielleicht ist durch diese Veröffentlichung etwas
in Erfahrung zu bringen : werden doch nicht
lediglich in diesem einen Privatbesitz Bilder Mül-
lers sich befinden. Die Bekanntgabe der Bilder
lohnt sich, auch wenn nicht der Wunsch mit der
Veröffentlichung verbunden wäre, weitere Werke
der Hand dieses völlig in Vergessenheit geratenen
Carlo Müller zuschreiben zu können. Weder in
Bom (Zimmermann, Biblioteca Hertziana) noch
bei der Bedaktion des Thieme-Beckerschen
Lexikons (\ ollmar) war etwas in Erfahrung zu

bringen. Harald Busch

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