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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Eckstein, Hans: Der Graphiker Otto Nückel
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0146

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vom Holzschnitt abgekommen und
fand in dem bisher wohl noch von
keinem andern Künstler verwen-
deten Bleischnitt eine graphische
Technik, die seinem Wunsch zu
stärkeren malerischen Wirkungen
in Schwarz-W eiß mehr entgegen-
kam und die er seinen Intentionen
in vollkommenster Weise dienstbar
gemacht hat. In Blei hat er eine
endlose Beihe teils drolliger, teils
grausiger romantisch-phantasti-
scher Szenen geschnitten. Gütig
humorvoll wird das provinzstädti-
sche Spießertum karikiert. Dä-
monische Traumbilder gewinnen
Gestalt. Das eigene Selbst wird
ironisch bespiegelt. Und wieder
und wieder hebt sich in Metall-
schnitten und Handzeichnungen
aus dem spukhaften Zwielicht
dieses Oeuvre ein Blatt von großer
Gestalt heraus.

Nückel bedarf keines begleitenden
Textes mehr wie der Illustrator
im allgemeinen. Seine Phantasie
spricht sich restlos in der sicht-
baren Gestaltung aus. Seine Bilder
können der Texlbeischriften ent-
behren. So durfte er auch wagen,

OTTO NÜCKEL. KOPF. METALLSCHNITT einen textlosen Bilderroman zu

schaffen, der vor einigen Jahren
im Delphin-Verlage in München
unter dem Titel ..Schicksal, eine
ein. Endlich war der Entschluß gefaßt, die Geschichte in Bildern" erschienen ist. Ein Hin-
Anatomie mit der Knirrschen Malschule zu ver- tertreppenroman mit trinkenden Ehemännern,
tauschen, wo Nückel nach dem Modell zeichnete. Feuersbrunst, Verführern jeglicher Gestalt,
Aber sehr bald schon ging er zum freien \or- Nebenbuhlern, Zuhältern, Huren, Totschlag
Stellungszeichnen und, angeregt durch den und was alles so dazugehört. Vor keiner Banali-
Dichter Alexander Moritz Frey, auch zur Illu- tät schreckt er zurück ; er bezieht sich auf keine
stration über. Noch vor dem Kriege entstand Idee oder Tendenz wie Masereel in seinen
eine erste Holzschnittfolge zu Freys „Solneman Bilderromanen. Grausam, nackt, banal wird
der Unsichtbare". Nückel hält sich nicht skia- das Leben geschildert, wie es ist und wie es
visch an den Text, sondern die seiner Art ganz in ihm zugehen kann. Zweifellos ein spannender
entsprechende Dichtung regt ihn zu einer selbst- Roman, der sich lückenlos lesen läßt wie ein ge-
schöpferischen Illustration an. Seine eigene^ elt drucktes Buch. A olkstümlich wie die Münchner
behauptet sich neben der des Autors. Nach dem Bilderbogen. Aber kein literarisch gut durch-
Kriege schuf dann Nückel in dem Atelier Leibis gestalteter Roman. Doch welche Fülle und
in Aibling, das er bis 1923 gemietet hatte, Illu- Kraft in den einzelnen Rildern (wenn nicht in
strationen zu Freys „Spuk des Alltags", A. Th. allen 200 Rildern, so doch in den meisten).
Hoffmanns „Meister Floh" und Thomas Manns Hier spricht die Kraft des Talents Otto
..Der kleine Herr Friedemann". Er war jetzt Nückel. Hans Eckstein

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