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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Eberz, Josef: Über moderne religiöse Wandkunst: sachliches und persönliches von Josef Eberz
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0168

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Auf meine Wandbilder in der St.-Rupertus-Kirche
zu Freilassing hat die ..Kunst für Alle" schon
hingewiesen: Juniheft 1927.

Für das Mosaik und Glasbild, ist die künstlerisch
technische Grundlage ein äußerst wichtiges Prin-
zip. Wir besitzen in Deutschland an den Werk-
stätten von Puhl und Wagner, Gottfried Heiners-
dorff, Berlin-Treptow, und den Vereinigten Süd-
deutschen Werkstätten( W.Pütz) inSolln-München
technische Meisterateliers, die den Vergleich mit
keiner europäischen W erkstätte zu scheuen brau-
eben. Die Mosaik- und Glasarbeiten dieser Firmen
dürfen wohl als Spitzenleistungen bezeichnet
werden. Sie besitzen die Schulung der Alten mit
dem modernen Geist. Von wesentlicher Bedeu-
tung ist das enge Zusammenwirken von Künstler
und Werkstatt. Der einwandfreie, in musivischem
Sinne gedachte Karton ist die Grundlage und
daran schließt sich die Werkstattarbeit aus dem
Material heraus in Anpassung an die Individuali-
tät des entwerfenden Künstlers.
Es ist etwas Herrliches um die aus dem Orient
stammende Mosaikkunst, diese Malerei, die
..wahrhaft für die Ewigkeit" ist. Lange in den
Hintergrund gedrängt, hat sie in neuester Zeit
eine schöne Auferstehung erlebt, wie etwa in
dem „goldenen Saal" in Stockholm und in den
Mosaiken Thorn Prikkers. Es sollten sich weitere
Kreise für die Entstehung und den Werdegang
eines Mosaiks interessieren! Die Palette des
Mosaikisten hat einen unendlichen Reichtum an
farbigen Steinchen, unter denen die goldenen
einen besonderen Reiz und Möglichkeiten haben.
Es wird zunächst eine Pause des Entwurfs als
Spiegelbild auf starkes Papier gebracht. Auf die-
ses werden die farbigen Steinchen entsprechend
der Vorlage eingesetzt und festgeklebt. Die ein-
zelnen Teile werden nacheinander in den Wand-
mörtel eingefügt. Hierbei setzt sich der Mörtel
in den Zwischenräumen der einzelnen Steinchen
fest. Das Papier wird später mit Säuren herunter-
gewaschen und es bieten sich dann noch Mög-
lichkeiten zur Tönung der Fugen.
Bei dem kirchlichen Mosaik wird Christus heute
wieder der beherrschende Mittelpunkt, wie auch
die kirchliche Architektur das Opfer am Altar
wieder in den allgemeinen Blickpunkt rückt.
Bei meinem Christ-König-Mosaik in der St.-Ga-
briel-Kirche soll dem Eintretenden gleich die
Gestalt des thronenden Christus nahe kommen
und die schwebenden Engel sollen dieses Gefühl
noch steigern.

In der Frankfurter Frauen-Friedenskirche habe
ich den großen Kruzifixus zum Brennpunkt der

Kirche gemacht und in dem Apsismosaik der
St.-Georgs-Kirche in Stuttgart Christus als Wel-
tenheiland.

Auch in der Glasmalerei erleben wir einen neuen
Aufstieg. Sie war für lange Zeit zurückgetreten,
als die Benaissance die Mystik verdrängte. Denn
für die Glasmalerei ist die Musik überirdischer
Geheimnisse und ihre Vereinigung mit dem
Licht das Wesentliche.

Huysmans bekannte, daß er durch die Glasfenster
und die Musik zur Kirche gekommen sei.
Aus der wesentlichen Wirkung der reinen Farbe
bezieht das Glasbild seine Ausdruckskraft. Sie
bedingt seinen sakralen und repräsentativen Wert.
Sie rauscht in symphonischen Strömen, sie führt
die Seele in ein mystisches Land und zwingt sie
zur Andacht, zum Lichte, zu Gott.
Lange war das Glasgemälde zum transparenten
Tafelbild erniedrigt und dünn wie seine Farbe
war auch seine Seele und sein Geist. Die farbige
Gestaltung der Fläche war verloren und es ent-
stand ein leeres Klischee von Willkürlichkeiten.
Heute besinnt sich das Glasfenster wieder auf
seine Aufgaben : Die Maueröffnung zu schließen,
streng linearer Ausdruck zu sein und ebenso wie
Wandbild und Mosaik nicht in die Tiefe zu
gehen. Es hat tektonische Funktionen.
In meinem großen Christ-König-FensterinRosen-
heim, das die ganze Chorwand einnimmt, wurde
wieder der Versuch gemacht, rein mit farbigen
Gläsern zu malen (malen „mit' Glas!), so wie
beim Ölmalen ein Farbfleck an den andern ge-
reiht wird. Es wurde außerdem erreicht, daß
das Fenster am Abend, wenn die Kirche im
Innern beleuchtet ist, nicht wie sonst als dunkles
Loch wirkt, sondern durch die Verwendung von
Gold-, Silber- und Emailgläsern den Eindruck
eines gedämpften Mosaiks macht, während es
von außen die gleiche Wirkung wie bei Tag in
der Kirche hat.

Das Fenster ..Marienleben' in der Münchner
Frauenkirche (Ausführung: F. X. Zettler, Mün-
chen) hat sich trotz moderner Formtendenzen
den guten alten Glasbildern dort anzugliedern.
Es soll weihevolle farbige Musik machen. Wie
eine Bachsche Kantate.

Die Kirche stellt, ihrer alten Uberlieferung getreu,
auch heute dem Künstler wieder herrliche Auf-
gaben und läßt ihn dadurch wachsen.
Welche andere Institution vermöchte so, Tradi-
tion und Fortschritt glücklich miteinander ver-
knüpfend, als schöpferische Kulturkraft die Ent-
wicklung der Künste weiterführen zu helfen?
Ecclesia nobilitat artes.

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