Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0179
DOI Artikel:
Vom Sinn des Kopierens, [2]: [zur Mannheimer Ausstellung "Schöpferische Kopieen"]
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0179
WILLI GABEL. MÜNCHEN. ESEL (EISEN) UND DROMEDAR (BRONZE)
Ausgestellt in der Galerie Caspari, München
auch die stärksten und eigenartigsten Nachbild-
ner Rembrandtscher Vorbilder mehr an das ein-
malig festliegende Original. Rubens nahmen
unsere Künstler gern als Anregung; Rembrandt
wird als vollendet hingenommen., selten phara-
phrasiert — er mag darum für den heutigen
Schaffenden auch nicht so lehrreich und tradi-
tionsbildend sein.
Von diesen beiden Stufen einer mehr oder min-
der beabsichtigten oder auch zufällig entstan-
denen Integration des Originals ist es in zahl-
losen Übergangsgraden doch nicht mehr fern
bis zu jenen Meisterkopien, die wir eigentlich
schon mehr als „freie Übersetzungen", als Trans-
positionen, wenn nicht gar V ariationen bezeich-
nen müssen. Einen Eduard von Gebhardt, der
ein großartiger Kopist war und der durchaus
im Geiste der Alten schaffen wollte, zwang die
starke Verkleinerung und die mehr persönliche
Studienabsicht zu technisch oft ganz abweichen-
der, in der Ausführung bewußt ungleichmäßi-
ger, z. T. nur skizzistischer Wiedergabe, die aber
wundervoll herausarbeitet, was gerade uns am
alten Kunstwerk lebendig geblieben ist. Dem-
gegenüber behalten gewisse Künstler, wie zum
Beispiel Hans Purrmann, Format, Komposition
und Zeichnung, auch Grad der Ausführung so
ziemlich bei, übersetzen aber die malerische
Technik und insbesondere den Helligkeitsgrad
der Farbe in eine wesentlich andere, schlechthin
moderne Skala. Andere geben verkleinerte oder
vergrößerte Varianten, geben Paraphrasen über
Einzelheiten, die sie mit besonderem Glück er-
lebten, malen gleichsam nur „Erinnerungen"
an das erlebte Kunstwerk und zwischen diesen
modernisierenden Freiheiten und den mehr alt-
meisterlich bleibenden Abwandlungen gibt es
eine ganze hochbedeutsame Stufenleiter, auf
deren Sprossen Meisterkopisten wie Max Lieber-
mann, Lovis Corinth, wenn sie wahlverwandte
Naturen wie Frans Hals nachbilden, nicht we-
niger Platz finden als die heute schon klassisch
gewordenen Meisterkopisten Delacroix und
Gericault, die im Anfang des 19. Jahrhunderts
166
Ausgestellt in der Galerie Caspari, München
auch die stärksten und eigenartigsten Nachbild-
ner Rembrandtscher Vorbilder mehr an das ein-
malig festliegende Original. Rubens nahmen
unsere Künstler gern als Anregung; Rembrandt
wird als vollendet hingenommen., selten phara-
phrasiert — er mag darum für den heutigen
Schaffenden auch nicht so lehrreich und tradi-
tionsbildend sein.
Von diesen beiden Stufen einer mehr oder min-
der beabsichtigten oder auch zufällig entstan-
denen Integration des Originals ist es in zahl-
losen Übergangsgraden doch nicht mehr fern
bis zu jenen Meisterkopien, die wir eigentlich
schon mehr als „freie Übersetzungen", als Trans-
positionen, wenn nicht gar V ariationen bezeich-
nen müssen. Einen Eduard von Gebhardt, der
ein großartiger Kopist war und der durchaus
im Geiste der Alten schaffen wollte, zwang die
starke Verkleinerung und die mehr persönliche
Studienabsicht zu technisch oft ganz abweichen-
der, in der Ausführung bewußt ungleichmäßi-
ger, z. T. nur skizzistischer Wiedergabe, die aber
wundervoll herausarbeitet, was gerade uns am
alten Kunstwerk lebendig geblieben ist. Dem-
gegenüber behalten gewisse Künstler, wie zum
Beispiel Hans Purrmann, Format, Komposition
und Zeichnung, auch Grad der Ausführung so
ziemlich bei, übersetzen aber die malerische
Technik und insbesondere den Helligkeitsgrad
der Farbe in eine wesentlich andere, schlechthin
moderne Skala. Andere geben verkleinerte oder
vergrößerte Varianten, geben Paraphrasen über
Einzelheiten, die sie mit besonderem Glück er-
lebten, malen gleichsam nur „Erinnerungen"
an das erlebte Kunstwerk und zwischen diesen
modernisierenden Freiheiten und den mehr alt-
meisterlich bleibenden Abwandlungen gibt es
eine ganze hochbedeutsame Stufenleiter, auf
deren Sprossen Meisterkopisten wie Max Lieber-
mann, Lovis Corinth, wenn sie wahlverwandte
Naturen wie Frans Hals nachbilden, nicht we-
niger Platz finden als die heute schon klassisch
gewordenen Meisterkopisten Delacroix und
Gericault, die im Anfang des 19. Jahrhunderts
166