XAVER FÜHR. HEILIGENBRÜCKE
langgestreckte (wie mit dem Lineal gezogenes
Gerade. In diesem Großgefüge aber, das die
Welt zusammenhalten möchte, bersten, brechen,
bröckeln, rascheln Unterteile, die ein Eigenleben
führen und wie \ ogelschwärme durchs Bild-
system schwirren. Wichtig gerade dieses Mittel:
dieser Kontrast zwischen dem winzigen Gekrib-
bel der YN elt und andrerseits dem Großzusam-
menhang des Ganzen, wobei aber innerhalb
dieses Dualismus Starre und Bewegung, An-
und Abbrechen der Erscheinung dauernd in
Spannung zueinander bleiben. Der Impressio-
nismus hatte ein unbestimmtes Züngeln,Flackern
der Bildelemente spürbar gemacht, der Expres-
sionismus im Gegenteil die schwere Verblockung
der Gesamterscheinung zu fühlen gegeben. Jetzt
setzen sich beide Möglichkeiten in Zusammen-
hang, indem die Mikro- und die Makroansicht
des Lebens sich nunmehr seltsam verschränken.
Vielleicht liegt hier ein unterirdischer, geheim-
nisvoller (natürlich ganz untheoretischer) Zu-
sammenhang auch mit der neuesten Wissen-
schaft vor, die in der modernen Astronomie
immer größere Bäume überblicken, andererseits
in der Atomforschung immer schärfer in die
Unendlichkeit — auch des Kleinsten eindringen
will. Xaver Fuhr die kritzelnde Unterteilung
seiner Bildeinheit als beunruhigende Manier aus-
reden zu wollen, wie es geschehen ist, zeugt nur
von Schwäche, von einem Xichtertragenkönnen
dieser Einzelspannung. Genau so töricht wäre,
Dürer sein bekanntes „Kläubeln" ausreden zu
wollen, die Katarakte seines unendlichen Falten-
geprassels. Oder Bosch und Bruegel die tiefsin-
nige Überladung ihres Bildgefüges krumm zu
nehmen. "VN ieviel hat schon die deutsche Spät-
gotik von diesen Bildmöglichkeiten gewußt!
Eher in Malereien, wo dieser eigenartige Zusam-
menhang aussetzt, wie das neuerdings manchmal
zu sein scheint, liegt vielleicht eine Gefahr für
Fuhr.
Die Farbe läßt Fuhrs Bilder nicht so düster
erscheinen als die Abbildungen sind. Feuriges
Grün, lohendes Bostrot und tiefes Blau glüht in
den Arbeiten oft, ihr zunächst graphischer Beiz
verbindet sich dann mit malerischen Werten.
Die Farbe hat aber meistens etwas Patina-Artiges,
Herbstelndes. Die „naturfremde"Steigerung der
268
langgestreckte (wie mit dem Lineal gezogenes
Gerade. In diesem Großgefüge aber, das die
Welt zusammenhalten möchte, bersten, brechen,
bröckeln, rascheln Unterteile, die ein Eigenleben
führen und wie \ ogelschwärme durchs Bild-
system schwirren. Wichtig gerade dieses Mittel:
dieser Kontrast zwischen dem winzigen Gekrib-
bel der YN elt und andrerseits dem Großzusam-
menhang des Ganzen, wobei aber innerhalb
dieses Dualismus Starre und Bewegung, An-
und Abbrechen der Erscheinung dauernd in
Spannung zueinander bleiben. Der Impressio-
nismus hatte ein unbestimmtes Züngeln,Flackern
der Bildelemente spürbar gemacht, der Expres-
sionismus im Gegenteil die schwere Verblockung
der Gesamterscheinung zu fühlen gegeben. Jetzt
setzen sich beide Möglichkeiten in Zusammen-
hang, indem die Mikro- und die Makroansicht
des Lebens sich nunmehr seltsam verschränken.
Vielleicht liegt hier ein unterirdischer, geheim-
nisvoller (natürlich ganz untheoretischer) Zu-
sammenhang auch mit der neuesten Wissen-
schaft vor, die in der modernen Astronomie
immer größere Bäume überblicken, andererseits
in der Atomforschung immer schärfer in die
Unendlichkeit — auch des Kleinsten eindringen
will. Xaver Fuhr die kritzelnde Unterteilung
seiner Bildeinheit als beunruhigende Manier aus-
reden zu wollen, wie es geschehen ist, zeugt nur
von Schwäche, von einem Xichtertragenkönnen
dieser Einzelspannung. Genau so töricht wäre,
Dürer sein bekanntes „Kläubeln" ausreden zu
wollen, die Katarakte seines unendlichen Falten-
geprassels. Oder Bosch und Bruegel die tiefsin-
nige Überladung ihres Bildgefüges krumm zu
nehmen. "VN ieviel hat schon die deutsche Spät-
gotik von diesen Bildmöglichkeiten gewußt!
Eher in Malereien, wo dieser eigenartige Zusam-
menhang aussetzt, wie das neuerdings manchmal
zu sein scheint, liegt vielleicht eine Gefahr für
Fuhr.
Die Farbe läßt Fuhrs Bilder nicht so düster
erscheinen als die Abbildungen sind. Feuriges
Grün, lohendes Bostrot und tiefes Blau glüht in
den Arbeiten oft, ihr zunächst graphischer Beiz
verbindet sich dann mit malerischen Werten.
Die Farbe hat aber meistens etwas Patina-Artiges,
Herbstelndes. Die „naturfremde"Steigerung der
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