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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 3.1902-1903

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Zur Geschichte der Renaissance im Elsass
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https://doi.org/10.11588/diglit.6478#0132

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122

Zur Geschichte der Renaissance im Elsass.

Im Elsass ist die Renaissance vielfach
gleichbedeutend mit gutgemeinten Versu-
chen einer Wiederherstellung der antiken
Kunst. Wie anderwärts begeistert man sich
auch hier für die antike Baukunst, man
studiert eifrig den Vitruvius und glaubt
sich in voller Übereinstimmung mit den
Lehren der Alten. In höchst bezeichnencler
Weise schmückte der Stadtbaumeister von
Schlettstadt, Stephan Ziegler von Senn-
heim, das Haus, das er sich im Jahre 1545
herstellte, mit Phantasiebildern von Archi-
tekten und Mathematikern des Altertums
und schrieb darunter: « Architectis veteribus
dicatum» (Den alten Baumeistern gewid-
met). Aber die Anwendung des Gelernten
legte sich Jeder nach seinem Gutdünken
zu recht.

Gerade in Schlettstadt können wir ge-
nau beobachten, wie dem Humanismus die
künstlerische Renaissance Gefolgschaft
leistete. Und mehr als das: die Ähnlichkeit
der Erfassung des Renaissancegedankens
im Lager der Humanisten ist mit der im
Lager der Künstler auffallend genug.
Die Schule von Schlettstadt und ihr
Meister Ludwig Dringenberg bereitete
dem Humanismus den günstigsten Boden.
Trotzdem ist Dringenberg kein Bahn-
brecher, nicht einmal ein standhafter
Kämpfer, denn seine Lehren, so sehr sie
auch darauf gerichtet waren, die gram-
matischen Regeln der lateinischen Sprache
gründlich einzuprägen, um die weit-
schweifigen Commentare, welche den
Sinn verhüllen, zu verbannen, waren weit
entfernt von klassischer Latinität. Weit
entfernt von klassischer Formensprache
waren auch die Werke der Schlettstadter
Architektenschule; aber sie hat unzweifel-
haft ihren bedeutsamen Einfluss im Elsass
ausgeübt und zu der unendlichen Mannig-
faltigkeit der Erscheinungen beigetragen,
in der ja ein Hauptreiz der ganzen Re-
naissancearchitektur liegt.

Es ist für die Bedeutsamkeit der Schlett-
stadter Schule wertvoll, zu wissen, dass aus
ihr auch der Strassburger Peter Schott her-
vorgegangen ist. Im Humanismus Strass-
burgs ist seine Stellung vielleicht noch nicht

gebührend gewürdigt. Jedenfalls war er
einer der ersten reichen Städter, welche
sich die neue Bildung anzueignen trach-
teten. Peter Schott, der ein intimer Freund
Geilers von Kaysersberg und einer der
eifrigsten Verwalter des Frauenhauses
war, hat auch in dem Kunstleben Strass-
burgs sich einen unvergänglichen Ruhm
erworben. Allerdings hat der humanistisch
gebildete Ratsherr, der auch die Würde
eines Ammeisters bekleidete, nicht gewagt,
das frohe Formenspiel der Renaissance in
die kirchliche Kunst einzuführen. Die
Arbeiten, die mit seiner Unterstützung
und aus seiner Anregung heraus entstanden
sind, zeigen noch gotischen Grundcharakter,
aber doch vieles fremdartig Neue. Wir
werden die Wirksamkeit Peter Schotts
in einem selbständigen Aufsatze demnächst
zu behandeln versuchen; denn bei dem
Mangel sonstiger, auch geistig bedeutsamer
reicher Kaufherren in Strassburg um die
Wende des 15. Jahrhunderts leuchtet der
gelehrte, weitgereiste, kunstsinnige Rats-
herr ganz besonders hervor, ähnlich wie
Sebald Schreyer in Nürnberg.

Für die Entwicklung der Renaissance
im Elsass ist aber das Auftreten der
adligenFamilien von Wichtigkeit geworden,
die einem Verbände der Reichsritterschaft
angehörten, dessen gemeinsame Ange-
legenheiten bekanntlich durch ein erwähltes
Direktorium verwaltet wurden. Die Ritter-
schaft des Unterelsasses, die unmittelbar
vom Reiche abhing und keine andere
Oberhoheit anerkannte als die des Kaisers,
unter dessen Schutz sie selbst und ihre
Privilegien standen, scheint gerade der
auf das Üppige ausgehenden Renaissance-
bildung im Allgemeinen sehr geneigt ge-
wesen zu sein, sowohl in der Architektur
als im Kunstgewerbe. Durch sie fand
die Renaissance auch an entlegenen Stellen
Einlass. Wir sind gewohnt, sonst ihren
Denkmälern da zu begegnen, wo sie
in grösserer Anzahl beisammen stehen
und damit ganzen Stadtteilen ihre Phy-
siognomie geben; um so überraschender
wirkt es, an einem einsamen Orte einem
interessanten Bau zu begegnen, der das Ge-
 
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