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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 3.1902-1903

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Hartmann, Anton: Zur Frage der Kunsterziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6478#0017

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gjR FRAGE

PER KUNSTERZIEHUNG

Aus der Keramischen Abteilung
der Strassb. Kuhstgewerbeschule.

Von ANTON HARTMANN.

Odas nützt uns ein noch so hochentwickeltes Kunst-
gewerbe, wenn das Absatzgebiet beschränkt, die Nachfrage
flau, das Bedürfnis nach Schönheit nicht geweckt ist? Der
deutsche Jüngling und die deutsche Jungfrau, sie bilden
ihren Sinn und Geschmack vor allem an unsern Dichtern
und Komponisten, sie gewinnen im besten Falle Interesse
an den Meistern der Palette und des Modellierstabes, aber
ungemein selten ist das Verständnis für schönes Geräte
ausgebildet. Die englische Familie wird nie versäumen, ihr
«home» zu einem nicht blos behaglichen, sondern auch
künstlerisch anregenden und erzieherisch wirkenden Aufent-
halt zu gestalten. Die deutsche Familie hingegen glaubt in
vielen Fällen ihrer Kunstbegeisterung Genüge getan zu
haben, wenn sie mit landläufiger Dutzendware ihr Heim
schmückt. Je weniger geschmackvoll ein Gebrauchsgegen-
stand, mit dem wir uns längere oder kürzere Zeit, vielfach
lebenslang umgeben, in seiner Gestaltung ist, desto «origineller» erscheint er, wenn
er das deutsche «Gemüt» zu erfreuen vermag, das sich noch immer so gerne mit
bronzierter Scheinarbeit begnügt. Es ist tief bedauerlich, dass ganze Generationen
in dem Vorurteil aufgewachsen und erzogen worden sind, dass nur «Prunk-
gegenstände» als kunstgewerblich bedeutend gelten können. Dass auch die
schlichteste Form, wenn sie nur zweckmässig und dem Auge wohltuend erscheint,
darauf Anspruch erheben kann, dem Schönheitsbedürfnis entgegenzukommen,
dass nicht die Kostbarkeit, sondern die Wahrheit und die Art der Formenbildung
den Wert eines kunsthandwerklichen Erzeugnisses ausmacht — das glauben unsere
gebildeten Kreise nur ungern, weil sie ihre künstlerische Bildung meist in
einer Atmosphäre genossen haben, in der «Luxus» und «Kunstgewerbe» als zwei
Bezeichnungen für dieselbe Sache gelten.

Was unsere Zeit also nötig hat, ist eine wirklich künstlerische Bildung. An
der platonischen Liebe, die der weniger bemittelte Gebildete bisher dem Kunst-
gewerbe entgegenbrachte, krankt die Entwicklung der deutschen kunstgewerblichen
Bewegung.

Wo müssen wir aber einsetzen, um bessere Zustände herbeizuführen? Die
Alten lassen sich schwer belehren und schwer für Neues begeistern. Unsere
Hoffnung ruht auf der heranwachsenden Jugend. Die Jugend soll von Schönem
umgeben, sie soll in Schulhäusern aufgezogen werden, die nicht das Öde und
 
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