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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 3.1902-1903

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Die Zorn von Bulach und die Kulturenentwicklung im Elsass, [1]
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224

Die Zorn von Bulach und die Kulturentwicklung im Elsass.

Holzstatue in der
Schloss-Kapelle zu
Osthausen. 16. Jahrh.

Ihren Reichtum ver-
wendeten die Zorn na-
mentlich auch zur För-
derung künstlerischer
Bestrebungen und zur
Gründung eines ansehn-
lichen Familienbesitzes. In
der Kirche Jung St. Peter
führt noch heute der Aus-
läufer des nördlichen Sei-
tenschiffes — wenn auch
nicht ganz korrekt —
die Bezeichnung «Zorn-
kapelle». Hier befanden
sich einst wertvolle Grab-
steine der Zorn von Bulach, die später nach
dem Schlosse Osthausen überführt wurden.

Osthausen (Osthus), einst zu dem
bischöflich strassburgischen Amte Benfeld
gehörig, gelangte nach dem Verkauf der
Landgrafschaft im Unter-Elsass 1359 an
das Bistum zurück; es ist seit 1436 kaiser-
liches Lehen, seit 1648 Bistumslehen in
Händen der Familie Zorn von Bulach;
es gehört zur Reichsritterschaft.

Das Schloss Osthausen liegt in der
Ebene; es ist eine Wasserburg, ein ge-
räumiges, viereckig angelegtes Gebäude,
ursprünglich mit Rundtürmen an den Ecken
und rings von einem tiefen und breiten,
auch heute noch mit Wasser angefüllten
Festungsgraben umgeben, über welchen eine
Zugbrücke in den Burgraum führte. Das gut-
erhaltene Schloss stammt im wesentlichen
aus dem 16. Jahrhundert; es ist von Georg
Zorn von Bulach erbaut. Am malerischen
Burgtor fesseln zwei prächtige knieende
Figuren, ein frommer Ritter von Zorn und
seine Gemahlin, das Auge des Eintretenden;
die ornamentierten Consolen der Figuren
sind von kleinen Elefanten getragen. Da-
rüber breitet das mächtige Gerank des
Epheu sich ausundumspinntdiealteSchloss-

mauer und die beiden Gestalten mit lebens-
frischem Gewände. Das Burgtor ist ein
Juwel für das Auge des Malers, der diese
Umschlingung von Leben und Tod auf
sich einwirken lässt. Baumeister und
Kommissionen für die Erhaltung der alten
Baudenkmäler plaidieren selbstverständlich
dafür, die Gewächse, deren Wurzeln schliess-
lich selbst die schwersten Quadern verrü-
cken, gänzlich zu entfernen. Aberwer möchte
den romantischen und pittoresken Zauber
eines solchen alten Schlosses missen, der ge-
rade in dieser Mischung von Architektonik
und ungebundenen Naturformen beruht.

Im Burghof hat in einer Nische ein
künstlerisch sehr bedeutsames Flochgrab
aus dem 14. Jahrhundert, die ideal schöne,
liegende Gestalt eines jungen Ritters, des
Hugo Zorn von Bulach (1321) seine Auf-
stellung gefunden, ein Werk, das un-
zweifelhaft in seiner Formenbildung An-
klänge an die schönsten Münsterfiguren
aufzuweisen hat. Die Füsse ruhen auf
zwei Hunden, nebenan steht das Wappen
der Zorn. Das Haupt des Ritters ist mit
Recht als der feinste Kopf bezeichnet wor-
den, den die Plastik der gotischen Epoche
im Elsass hinterlassen hat. Auch andere alte
Grabsteine im Schlosshof verdienen Beach-
tung. Bemerkenswert erscheint auch die
kleine Schlosskapelle und ihre Ausstattung,
vor allem der schöne gotische Taufstein, eine
Holzstatue der Madonna mit dem Kinde (An-
fang des 16. Jahrh.) und eine Reihe von
Grabsteinen mit dem Wappen der Familie.

Die Räume des Schlosses sind einfach-
wohnlich, einzelne mit einem gewissen
Prunke ausgestattet. Einen Teil der beach-
tenswertesten Gegenstände aus der Innen-
ausstattung des Schlosses von Osthausen,
zu dessen Gemächern ein trefflich ge-
gliederter und ornamentierter Treppenturm
emporführt, bieten wir unseren Lesern in
 
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