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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Gmelin, Leopold: Die Kleinkunst auf der Kunstausstellung zu München 1897, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0062

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Kleinkunst auf der Münchener Kunstausstellung.

Entfaltung künstlerischen Könnens bietet, giebt die
Ausstellung gar keine Auskunft. Denn das einzige
Beispiel — ein Kaffeeservice (Platte, zwei Kannen
und Zuckerschale) von Oskar Dietrich, das derselbe
nach Storck's Entwurf ausgeführt hat — kann nicht
recht als Vertreter der „modernen" Ausschmückung
mit Pflanzenwerk angesehen werden; dasselbe ähnelt
durch das leicht über die Fläche gelegte Gezweig und

das zierliche Laubwerk
viel mehr gewissen rö-
mischen Silberarbeiten,
wie sie u. A. die Funde
zu pildesheim und Bos-
coreale zu Tage gefördert
haben, und es erinnert
damit allerdings daran,
daß die naturalistische
Pflanzendekoration keine
Erfindung der Neuzeit,
sondern nur eine freiere
Anwendung der schon

von den Römern befolgten Dekorationsgesetze bedeutet.

* *

*

Die besondere Vorliebe der jungen Künstler-
welt für keramische Arbeiten liegt zumeist in
dem Farbenreiz der feuerflüssigen Glasuren; denn
technisch zu verstehen und zu beherrschen, ist das
Material viel schwerer als z. B. Schmiedeisen oder
polz. Die Feuerkunst verlangt zu ihrer völligen
Beherrschung ein so eingehendes Studium und ein
so sorgfältiges Ausprobiren, daß nur wenige Künstler
es über sich vermögen, der Sache ganz auf den

77. Achatschale von Karl RothmüIler.

(2/g der wirkl. Größe.)

Grund zu gehen; die andern begnügen sich damit,
wenn ihre Erzeugnisse in der Farbe möglichst pi-
kant und in jedem Exemplar wieder anders aus-
sehen, unbekümmert darum, ob die Gefäße wasser-
durchlässig sind, was man doch als selbstverständ-
lich voraussetzt. Denn diese Dinge werden ja nicht
gefertigt, um „gebraucht", sondern um „angeschaut"
und „bewundert" zu werden!! Der ursprüngliche

Zweck ist zum Vorwand, zum Motiv herabgesunken.
Das sind schwere Vorwürfe, die auch gegen manche
der ausgestellten Gefäße erhoben worden sind, ob
init Recht oder Anrecht, lassen wir dahingestellt;
jedenfalls muß das „neue Kunstgewerbe" derartige
Schwächen — wenn sie wirklich bestehen — uner-
müdlich bekämpfen, wenn es sich nicht um jeden
Kredit bringen will.

Eine Schaustellung wie die in Rede stehende
schließt natürlich jede Prüfung nach dieser Richtung
aus; die Besprechung wird sich
daher mit der äußeren Erscheinung
allein befassen müssen. Zn dieser
pinsicht sei sofort festgestellt, daß
bei der überwiegenden Mehrzahl
der Arbeiten die farbige Wir-
kung das bestimmende Moment
war, ja daß sie fast die alleinige
perrschast ausübt, allerdings
weniger durch bewußtes Arbeiten
als vielmehr durch das Walten-
lassen des Zufalls; nur bei einer
kleinenAnzahl kommt die plastische
Gestaltung so recht zu Mort, so
bei den Steinzeuggesäßen von
Fix-Masseau sowie bei einigen
Stücken von E. Kornhas und
p. A. Kählc r. Vielleicht die
pälfte von Allem, wenn nicht
inehr, verdankt ihren Farben-
charakter der zufälligen Laune
des Feuers, dem der Künstler
eben seine Arbeit auf gut Glück
anvertraut hat. Wenn man die
technisch nicht ganz tadelfreien
Stücke von den übrigen sondert,
so wird man bemerken, daß die
größere künstlerische Qualität ent-
schieden bei der ersten Gruppe
zu finden ist; man nimmt sehr
deutlich deu Unterschied wahr, wo der Künstler selbst
die Führung gehabt hat und wo der Techniker dem
Künstler in die Zügel gefallen ist. Zn der ersteren
Gruppe sind als bezeichnende Beispiele zu nennen
die Gesäße von M. Länger, Th. Schmuz-
Baudiß, Frau Elise Schmidt-Pecht, Fix-
Masseau, in der letzteren jene von Zsolnay;
Arbeiten andrer keramischer Aussteller — v. peider,
Kä hier, Massier, Kornhas — neigen sich
bald zur einen, bald zur andern Gruppe, während
bei den keramischen Malereien von S u h r l a n d t
und aus der Nymphenburger Porzellan-
fabrik Kunst und Technik sich die Waage halten.

78. Haarnadel
von Karl Roth-
müller.

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