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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Zimmermann, Ernst: Scherrebeker Kunstwebereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0096

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§cherrebeker 2<i»istwebcreien.

fachung, auf die Charakteristik mit Wenigem hin-
gedrängt und es entsteht ein Ding, das in seiner-
ruhigen Einfachheit und Größe nur als etwas
Monumentales bezeichnet werden kann. Die Linie,
als das beste Mittel zur Tharakterisirung, wird so
von selber das eigentlich ausdruckgebende Element,
die Farbe ist nur Ausfüllung zwischen den einzelnen
Liniengleisen. Der ästhetische Reiz aber kann nur
in der Führung dieser Linien, in der Vertheilung der
farbigen Massen und in der Eigenart der Farbentöue
selber liegen. Wie weit Eckmann in diesen Punkten
den billigen Anforderungen gerecht geworden ist, lassen
die beigegebenen Abb. P3 und P6—((9 erkennen,
wobei man freilich, wenn man wirklich eine Ahnung
von der Wirkung seiner Entwürfe gewinnen will, sich

\20. „haidemiitste", Wandteppich; entworfen von A. Mohr-
bntter, Hamburg, ausgeführt an der Aunftwebefchule in
Scherrebek. \2 Farben.

p/12 der wirk!. Größe.)

diese Abbildungen in: Geiste in Originalgröße um-
setzen muß. Auf kräftige, satte Farben aber hat man
hier von Altfang an den größteit Werth gelegt und
in der Thal mit den lediglich mit Pflanzenfarben
gefärbten Wollfäden Farbenharmonien und Farben-
sattigkeit erzielt, von der unsere dekorative zeit-
genössische Kunst bisher noch kaum eine Ahnung
gehabt hat, die überhaupt erst diesen Erzeugnissen
zu ihrer eigentlichen Wirkung verhelfen.

Inhaltlich sind Eckmann's Stilisirungen alle
der Natur entnommen. Doch von den einfachen,
streng rhythmisch stilisirten Einzelblättern und-Blüthen
der Kissenbezüge ist er über kleineren, an sich harm-
losen Naturausschnitten japanischer Methode, wie des
hier wiedergegebenen Apfelzweiges (Abb.s (9), zu jenen
ernsten, feierlichen Stimmungsbildern gelangt, die
Naturausschnitte im Großen darstellen. Großes

Aufsehen hat in dieser Beziehung sein Schwanen-
teppich hervorgerufen, auf dein Schwäne feierlich und
ernst, — „mystisch" würde ein moderner Kunstkritiker
behaupten — (Taf. 3), durch eine perbstlandschaft
gleiten. Nicht minder bedeutend ist die Melancholie
seines hier abgebildeten Waldteiches. Eie sind bisher
das pöchste, was Scherrebek geleistet hat, vor dem
man freilich fragend steht, ob es hierüber hinaus in
diesem Sinne noch eine Weiterentwicklung gibt.

Eckmann's Erzeugnisse sind eingeschlagen, wo
immer sie sich vor einem wirklich kunstverständigen
Publikum zur Schau stellten. Nicht minder das Bei-
spiel, das Eckmann hiermit gab. Auch andere
Künstler, vor allem Hamburger haben diesem Anter-
nehmen ihre Kräfte zur Verfügung gestellt, und es
wäre Unrecht, hier neben Eckmann nicht gleich den
chamburgisch-Altonaer Künstler Alfred Mohrbutter
zu nennen, der seit geraumer Zeit schon der eigent-
liche künstlerische Leiter der Anstalt ist und selber
eine ganze Reihe künstlerischer Entwürfe erfolgreich
zu Tage gefördert hat, so oft ihm seine eigentliche
Thätigkeit, als Maler, dazu Muße gewährte. Was
Mohrbutter's Thätigkeit für Scherrebek so interessant
macht, ist, daß er sich als künstlerischer Antipode Eck-
mann's fühlt, daß er sich frei zu halten sucht von
dessen „kalligraphischem Zug", wie er dessen Weise
nennt, und im Anschluß an seine sich immer kolori-
stischer gebende Malweise, diese Teppiche nur „als
farbige Flecke für die Wand" ausgefaßt sehen will,
daß er mithin „mehr auf Farbe, als auf Linie"
sieht. So entstanden seine Melancholie, Abend-
röthe, Feierabend und die hier abgebildete paide-
niühle (Abb. {20), wie man aus dem einen Beispiel
schließen kann, veritable Bilder, mit Tiefenwirkungen,
koloristischen Uebergängen, Mangel an klaren Linien,
die den Errungenschaften des Eckmann'schen Stils zu
spotten scheinen, die aber gerade durch ihre echt
dekorative Erscheinung wieder einmal zeigen, daß
alle Theorie doch immer nur grau ist. Nur Pedanten
der modernsten dekorativen Methode, die es ja gewiß
bald genug geben wird, können diese Entwürfe im
Prinzip tadeln und sich auf dem Weg zur reinen
Kunstfreude selber den Schlagbaum vorlegen. Freilich
erfordert die Schöpfung solcher kühner Entwürfe
eine noch viel bedeutendere künstlerische Fähigkeit
als die Eckmann'schen Erfindungen, wenn hier
glücklich die Klippen eines reinen Naturalismus um-
segelt werden sollen und das Ziel einer dekorativen
Wirkung erreicht werden soll. Daß Mohrbutter
hierüber verfügt, scheinen mir seine Schöpfungen doch
wohl zu verrathen.

Mohrbutter behütet so die junge Anstalt durch
sein eigenes Schaffen mit Erfolg vor Einseitigkeit.
 
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