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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Schwindrazheim, Oskar: Sind die "alten Meister" abgesetzt?
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Sinei die alten ItTcifter abgesetzt?

noch weiter gegangen und hat in Dresden und anders-
wo Wettbewerbe für einfache Möbel erlassen u.dgl.m.

Durch ein gut StücE unseres Jahrhunderts hin
zieht sich sodann drittens der Gedanke, daß unser
Aunstgewerbe national sein müsse. Zum guten Theil
deshalb siegte die romantische Periode mit ihrer Ver-
ehrung des Mittelalters über die vorhergehende

klassizistische, deshalb ging man damals zur Gothik
über. Eben deshalb auch siegte die deutsche Renais-
sance hernach glänzend über die italienische, ja, selbst
als das Rokoko nachher herrschend wurde, wies
man just auf die deutschen Vorbilder dieses Stiles
als die für unser Aunstgewerbe lehrreichsten Hin-
Ganz insbesondere aber zog sich durch unser
ganzes Jahrhundert eine Strömung für die Verwen-
dung natürlicher Pflanzenformen in der Aierkunst.
Theils noch durch den Louis XVl-stil angeregt, theils

durch die Gothik oder durch Zapans Vorbild veranlaßt,
theils endlich in Folge eigener Naturbeobachtung
haben verschiedene Aünstler in Paniburg, Dresden,
München, Straßburg, in der Schweiz ic. das Problem
zu lösen versucht, haben Arbeiten dieser Art geschaffen,
haben Publikationen in Mort und Bild heraus-
gegeben, haben Schüler ausgebildet — der englischen
Anregungen dieser Richtung
hätte es wahrlich gar nicht
bedurft!

Man sieht, die Grund-
gedanken des heute Neuen waren
alle schon vorher da, der Boden
war nur noch nicht genug vor-
bereitet, als daß diese Samen
aufgehen konnten. Wir Deutsche
müssen es ganz besonders be-
tonen und festhalten, daß es
eigene grunddeutsche Gedanken
sind, die heute aufgehen, unsere
unseligeNeigung zur Ausländerei
schiebt ja leider schon heute alles
entstehende Neue den Engländern
in die Schuhe, obgleich ihr Ein-
fluß weiter nichts that, als daß
er den Stein bei uns endgültig
ins Rollen brachte — eine
spätere Forschung wird hoffent-
lich die Verhältnisse richtiger
beurtheilen und sicherlich das
»Made in Germany« auch auf
diesem Gebiete feststellen!

Die Sache ist also einfach die:
Nicht absolut neu sind die
Grundtendenzen des neuen Aunst-
gewerbes — absolut neu ist nur
die Umwandlung der genannten,
schon lange Zeit bestehenden
Nebenströmungen zur Paupt-
strömung!

Es ist kein Bruch, was wir
beobachten, es ist eine neue
Entwicklungsphase, in die unser
Aunstgewerbe eintritt. Mir können den Vorgang
etwa mit dem Uebergang eines Thieres aus der
Larvenform in die fertige Form vergleichen, wo

wir auch bei oberflächlichem Anschauen etwas ganz
Anderes zu erblicken glauben, während es doch das-
selbe Wesen ist.

Nun fragt es sich, da aus den bisherigen Neben-
strömungen die Pauptströmung entstanden ist, was
wird aus der bisherigen Pauptströmung? — Ist sie
einfach vernichtet? Mder um die Frage konkret zu

\2ö. Treppenraum in einem Münchener ljanfe. Architekt Prof. Lman. Seidl.
Marmorarbeiten von Kiefer (Kiefersfelden), Treppengeländer von D. Buß mann.


 
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