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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Riegl, Alois: Die nordische Ausstellung und F. R. Martin's Sammlungen zu Stockholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0217

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Die nordische Ausstellung zu Stockholm.

2YZ. Beschläge eines holländischen Fensterladens (Gbertheil).
Im Besitz des Antiquars I. Böhler, München.

(Ungefähr 1/10 der wirkl. Grüße.)

Wan will, die englische Kultur
wieder: in den Verkehrsformen,
im Haushalte, im „Komfort" der
Tanzen Lebensführung. Wie aber
fleht es mit dem Kunstgewerbe?

Auf der Stockhobner Aus-
stellung war dasselbe ziemlich
keich vertreten, aber der Eindruck
war ein zwiespältiger. Der Kampf
Zwischen der retrospektiven und
Nr englisch-modernen Richtung
ist wohl auch iit Schweden im
vollen Gange, aber noch weit
entfernt von einer Entscheidung.

Nrn vorgeschrittensten in der
Neuerung stellte sich die keramische
Industrie dar: so insbesondere die
Stoßen Fabriken von Rörstrand
und Gustafsberg. Von den: vor-
Uehm abgerundeten Charakter, wie ihn etwa die
Erzeugnisse der Kopenhagens Porzellanmanufaktur
vepräsentiren, sind aber jene schwedischen Anstalten noch
weit entfernt. Symptomatisch mag auch der Kmstand
fein, daß an Schmucksachen der einstinals so beliebte
Uordische Stil auffallend zurücktrat, ohne daß an seine
Äelle ein gleich charaktervolles Neues getreten wäre.
An der Ausstattung von Innenräumen erschien der
Zeitgemäße Komfort doch überwiegend noch mit den
traditionellen breitspurigen Kunstmitteln angestrebt;
öoch konnte man auch bereits das magere gothisirende
Äabwerk des neuenglischen Vernunststils wahrnehmen.

Also das Facit: ein vorläufig noch siegloser
Aainps. Ein solcher Anblick hat immer etwas
ästhetisch Unbefriedigendes, weil Unklares, Unzuläng-
iiches für den Beschauer, insbesondere wenn dieser
von den: Wunsche geleitet ist, einer frischen, fröh-
lichen, lebenskräftigen Neuerung den Sieg zufallen
Zu sehen. Eher fand ein solches Sehnen Befriedi-
gung im Pavillon der schönen Künste, wo die Ge-
urälde und Figuralskulpturen der skandinavischen
Aieister ausgestellt waren; doch ihre Besprechung
würde über den Rahmen, der diesen Blättern ge-
zogen ist, hinausführen. Und dennoch hat auch der-
frnige, dessen Aufmerksamkeit und Neigung bloß dem
Runstgewerbe galt, die Stockholmer Ausstellung nicht
ohne reinen Genuß und werthvolle Belehrung ver-
lassen, aber sie wurde ihm nicht so sehr durch die
uwderne, sondern durch die gute alte Kunst vcr-
Unttelt. Freilich jenen Zweig der alten Kunst, dem
auch die modernen Engländer Vieles verdanken, dem
ihre feinfühligsten Geister — ich verweise bloß auf
^wen Jones — liebevolle Aufmerksamkeit widmeten,
-üch nieine die neuere orientalische Kunst.

Wunderlich genug nahm sich in seiner kühlen
nordischen Umgebung das kleine maureske Schlößchen
aus, das F. R. Martins Sanimlungen aus dem
Grient während der Ausstellung beherbergte. Die
blendend weißgetünchten Mauern, die nur bestimmt
schienen, von einer afrikanischen Sonne beleuchtet zu
werden, beschattet von den uralten Riesenbäumen des
Djurgardens, die an die Eschen der nordischen Götter-
sage gemahnen: sie mußten trotz ihrer versteckten
Lage jedem aufsalle::, der ihrer einmal ansichtig ge-
worden. Man betrat das Innere in der mäßigen
Erwartung, einen Bazar mit vielen Dutzendsachen
vorzufinden, und war um so überraschter von den:
jenigen, was sich thatsächlich zeigte. Kein Stück, das
nicht wirklichen künstlerischen oder doch historischen
Werth besessen hätte! Man gewann sofort die Ueber-
zeugung, daß nur ein feiner Kenner, dem das Ver-
hältniß zur Kunst zugleich perzensbedürfniß ist, eine
solche Sammlung zusammenbringen konnte. Und
die Uinstände, unter denen sie zusammengebracht
wurden, sind eben das Neue und Nachahmenswerthe
an der Sache.

Daß das Aufkäufen von auswärtigen Kunstsachen
bei den Händlern unserer Städte nicht das Ideal
eines verständnißvollen Sanimlers bilden könne:
darüber sind wohl heute alle einig. Will man das
Wesen eines Kunstwerkes vollständig kennen lernen,
so muß inan es aus den: Boden seines Entstehens
oder doch seines Gebrauchs aussuchen. Dieser For-
derung ist bisher, soweit der Grient in Betracht kommt,
von zwei Seiten her entsprochen worden, die beide für
sich nur zu unzulänglichen Erfolgen führen konnten.
Entweder die Sammler waren Reisende, zwar wohl
vertraut mit den Verhältnissen des Vrients, aber

«unst und !)n»dlverk. 47. Iahrg. l)eft 6.

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