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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Schölermann, Wilhelm: Wiener Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0343

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Wiener Kunstausstellungen.

weißes Votum mit weitgeschwun-
genem zartvioletten Rankenornament
schließt den Blick nach oben ab,
des „pseudo-maurischen" Stiles und
übrigen blau-weiß-goldenen Balken-
werkes Scheußlichkeiten gnädigst ver-
hüllend. Vom Eingang rechts uild
links goldgericfte Pfeiler mit Aapi-
tälen aus lebendigen Lorbeerbäumen;
durch moderne Vasen, Schalen und
Seidenstickereien und geschinackvolle
Teppich- und Möbelarrangements
in den Ecken ist eilt Ensentble her-
gestellt, das iil der behaglicheil Ruhe
des Intimen uild Beschaulichen den i83, Töpfereien
Gedanken an eine öffentliche Aus-
stellung kauiil aufkommen läßt. Diskret in dieses
Arrangement eingefügt sind die interessanten de-
korativen Panneaux von Theodore Botkine (dem
in Paris lebenden Russen) sowie die Teppichbilder
von dem Engländer Hrank Brangwyn.

Auch die Münchener Aünstlerfamilie v. pei der
ist hier gut vertreten mit Bluiilenschalen uild Majo-
likagefäßen. Rauchlampen und Leuchter in Bronze
(von Gustav Gurschner), eine Terracottabüste von
der pand van der Stappens, nebst einigen pracht-
vollen Gold- und Silberbronzereliefs von George
Frampton (London) und eine feine Bronzebüste
(„Eäcilia") von Ed. Beyrer (München) vervoll-
ständigen das Bild dieses anheimelnden ersten Saales.
Durch eineil hochgeschwuilgenen, von Sträuchern halb-
überdeckten Rundbogen tritt nran nun weiter in eine
Art Apsis, einen halbrunden Raum, der mit dem
dreitheiligen großen Aarton „St. Genevieve" von
Pu vis de Ehavannes (zu den Arbeiten für das
Palitheoil iil Paris) würdig geschmückt ist. Ich
betone dies, weil man vor der Hängung große
Ailgst vor diesem Riesenkarton gehabt hat. Er stört
aber jetzt nicht inx Mindesten, weil die in freier,
großer Rauiilbeherrschung hingezeichnete Aoiilposition
etwas Abgeklärtes, Weihevolles in sich trägt, das sich
der ganzen Umgebung vortheilhaft mittheilt.

Die sich nach beiden Seiten anschließenden fünf
größeren Säle tragen zur Harmonie des Ganzen
bei; für jedes Bild einen ruhigen neutralen Hinter-
grund zu finden, aus dem es am vortheilhaftesten
herauswächst, das war die Aufgabe. Nicht gerade
eine Entdeckuilg von „unerhörter Neuheit", aber daß
das Priilzip wirklich frei zur Durchführuilg kaiil,
das war die Hauptsache. Die wandbedeckenden
Stoffe nicht glatt antüilchen, sondern „aufspritzen",
den einen Saal matt-resedagrün, deil andern pom-
pejanischroth gehalten; dann die richtigen Bilder in

von Th. Schmuz-Baudiß, München, (ffj—1/a der w. Gr.)

den richtigen Rahiilen, iil die richtigen Räuiile hinein,
und die Aufgabe war gelöst! Das ist ja so ein-
leuchtend, daß es nun schon „jeder einsieht". Natür-
lich. •— — Durch jeden Saal läuft oben ein mit
duffem Gold durchsetzter pflanzenfries von heraldischer
Stilisirung. Besonders originell ist das an das Sekre-
tariat anschließende kleine »Ver Saerum «-Zimmer in
intensivem Gxydblau und matt-orangeroth gestinliilt,
die Möbel in einem einfachen „Brettlstil" (wie der
Wiener sagt) mit glänzendem ornamentalen Aupfer-
beschlag, die Plafondträger durch Thicrfriese belebt.
In feiner Einfachheit zum kleineren Leseraum gut
geeignet. Pier liegen die verschiedensten Zeitschrifteil
zum Gebrauche auf.

Ehe ich eilten Blick auf die eigentliche Alein-
kunst werfe, möchte ich iloch das erfreuliche pervor-
treten geschmackvoll komponirter Rahmen auf dieser
Ausstellung betonen; der Genesungsprozeß macht sich
auch in dieser Richtung entschieden bemerkbar; wenn
Aünstler ihre Rahmen wieder selber entwerfen oder
wenigstens denr Vergolder angeben (wie z. B. Engel-
hart, Alimt, Aurzweil, List u. A.), dann wird auch
Bild und Rahmen endlich wieder zu einem organischen
Gailzen zusammenwachsen. Eiil Ziel, aufs iilnigste
zu wünschen!

In der Abtheilung für Aleinplastik und Aunst-
gewerbliches sind die Franzosen und Belgier diesmal
führend. Voran Alexandre Eharpentier mit
einer Sammlung von kleinen Plaquetten und
Reliefs in Ziilii uild Silber, vom Briefbeschwerer
und Petschaft bis zur reliefgeschmückten Waschtoilette
und dem reizenden Schränkchen aus Sykomorcnholz
für Ainderwäsche. Auch eine allerliebste Tischglocke in
Bronze ist da, als „kleine Frau" in seeländischer Volks-
tracht, und viele portraitmedaillons. Die Reliefs,
wie sie Eharpentier auch in Leder und Aartonpapier
ausführt, haben stets den eigenthümlich malerischen

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