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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Bredt, E. W.: Das neue bayerische Nationalmuseum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0022

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Das neue bayerische Nationalmuseum.

7. National-Museum, München. Mestlicher Flügel. Architekt Gabr. v. Seidl. Wanddekoration von I. Dietz, München.

Linen Bau, der, wie dieser, von innen heraus
entstanden ist, sollte man sich zunächst von innen
anschauen, um ihm gerecht werden zu können. Aber
das Museum ist doch als Ganzes in der Seele des
Künstlers entstanden und so mag doch gleich ein
Blick dem Aeußeren gelten.

Gegenwärtig noch übersieht man das ganze
Gebäude am klarsten von der Liebigstraße aus. Da
erscheint es uns im Großen ganz einheitlich, ja
symmetrisch angelegt. Bon der großen Terrasse die
aus dem Forum selbst erbaut, und wie dazugehörig,
den Bau selbst vornehmer und zurückgezogener wirken
läßt, erscheint die Dispositioti malerischer, freier.

Und doch sind die Massen fast gleichmäßig ver-
theilt, denn der palastartige Anbau am Westende
dient nicht ganz zu eigentlichen Museumszwecken.
Nur durch einen niedrigen, eingeschoßigen von Säu-
len getragenen Gang steht er mit dem hauptbau
in Berbindung. Deutlich aber zieht der, bis über
die Giebelhöhe aller Gebäudeflügel sich wuchtig er-
hebende, dann graziös sich verjüngende Thurm,
auch noch diesen Bau mit in sein Bereich.

Besonders fest und vornehm ist die Fagade des
Mittelbaues. Ts ist etwas von bürgerlichem Ari-
stokratismus darin und sie hält einen Vergleich mit
dem weit nüchternerem Augsburger Rathhausbau
von Tlias holl, an den man ohne Weiteres denken
muß, weit aus. Die beiden großen c^uerbauten,
nahe dein westlichen und östlichen Tnde des Haupt-
baues, geben dem architektonischen Bilde nach beiden
Seiten den Abschluß. Der östliche Theil, der um
beinahe sO Meter über die westliche Baulinie vor-
gerückt ist, wird durch eingebaute Thürmchen, Bal-
kons, Trker, ungleichvertheilte Wandflächen und
Fenster ungleicher Größe und Art reichlich malerisch
belebt.

Tr hat trotz der gebrauchten Renaissanceformen
zweifellos etwas Mittelalterliches. Der westliche
Trakt dagegen mit seinen regelmäßigen, schönge-
gliederten Fensterreihen, der größeren Ruhe über-
haupt, verkörpert aufs schönste den abgeklärten Geist
der Renaissance. Ts scheint mir dies einen merk-
würdigen Grundzug des tiefempfindenden künstlerischen
Genius, Gabriel Seidls zu bezeichnen, daß er fast

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