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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Bredt, E. W.: Das neue bayerische Nationalmuseum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0024

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Das neue bayerische Nationalmuseum.

künstlerischen und gar nicht
unwesentlichen Wirkungen
die sie auf den Besucher
unmerklich ausübt, lockt sie
den Außenstehenden un-
bedingt zur äußeren wie
inneren Besichtigung des
so geheimnißvoll versteckten
Museums selbst. Davon
aber bin ich überzeugt,
jeder, auf den der Bau
schon von außen einen
so merkwürdigen Eindruck
macht, wird mit noch weit
mehr künstlerisch tiefen
Genüssen und Anregungen
das paus und seine Gärten
mit den Brunnen und
Figuren, den Lauben und
Gängen verlassen, als er
schon draußen vermuthen
durfte.

Zwei große Portale
in: Mittelbaus, die durch
schwere eiserne Thüren,
deren geschmiedetes Orna-
ment vergoldet ist, ver-
schließbar sind, führen in
das äußerst weite und hohe
Vestibül. Es mißt 4 große
Zoche im Quadrat. Vier
auffallend mächtige, vier-
fache Pfeiler, denen die
Gewölbe-tragenden Pilaster vorgelegt sind, um-
schließen die vier mittleren quadratischen Joche. Die
seitlichen Joche werden theils von den Räumen für
Aaste, pausmeister und Feuerwache, theils von einer
schweren aber doch reizvollen kleinen, unregelmäßigen
Treppe, die zu den Bureaux und der Bibliothek
führt, nicht ganz eingenommen. Die vier, das
Vestibül nach der Tiefe zu begrenzenden Gewölbe-
joche dienen zur Durchfahrt, denn die beiden großen
schmiedeeisernen Gartenthore rechts und links führen
in außergewöhnlichen Fällen direkt ins Vestibül und
an das etwa gleichgroße Treppenhaus.

Der erste Eindruck ist groß, ruhig, feierlich.
Alles ist ganz in Weiß gehalten, das stukkirte Gewölbe,
die Pfeiler, die Treppenglieder und Wandflächen.
Ein sehr diffuses, warmes Licht, dessen direkte Zu-
fuhr wir vom Eingänge aus gar nicht bemerken,
stimmt den Raum ruhig.

') Ogl. die Beschreibung der Tafel \ unter „Unsere Bilder".

Weiträumig wirkt das Gebäude sofort beim
Eintritt. Erst kurz vor dem letzten Gewölbejoche
des Treppenhauses, das fast wie das Vestibül etwas
weniger als 20 Meter tief und breit ist, setzt die
Doppeltreppe an, die schon in wenig Stufen in das
hochgelegene Erdgeschoß führt. Das stellt also vom
Eingänge aus zwei breite Wege von etwa
30 Meter Länge dar! Auch das Treppenhaus ist
vollständig weiß getönt. Die Stukkatur ist aber
hier etwas reicher.

Vom Boden des Treppenhauses aus führt
rechts eine halbe Treppe zum Buffet und den Er-
weiterungsräumen für die rönufche Abtheilung
hinunter, da zu erwarten steht, daß durch die Aus-
grabungen der Limesforschung, diese Sammlung großen
Zuwachs erhalten dürfte. Links führt uns eine Treppe
zu den Bauernstuben der 8 bayerischen Areise. Nur
eine ist bisher eingerichtet. Jedenfalls war es das
einzig richtige, diefe niedrigen Räume für die Bauern-
stuben zu verwenden, wie es sehr bemerkenswerth
ist, daß man auch der bäuerlichen Auust größere
Aufmerksamkeit hier geschenkt hat.

Wie läßt es uns nun gleich diese oberbayerische
Bauernstube fühlen, wie die, vom Architekten rings-
um den Garten geführte, Mauer, die uns vor dem
Lärm und dem Staub der Straße schützt, eine künst-
lerische Notwendigkeit ist. Man denke sich nur ein-
mal, das Trottoir würde direkt an diesen niedrigen
Bauernstuben, vielleicht gar in der Nähe des Fenster-
brettes vorbeiführen! Müßte da nicht ohne weiteres
das hohle Geräusch der Vorübergehenden, der Staub,
das von den Trottoirs grell reflektierte Licht sofort
jede künstlerische Betrachtung eines noch so echt ein-
gerichteten Zimmers rauben? So aber fällt der
Blick durchs Fenster auf das frische Grün der Rasen-
flächen und der Bäume, und die peckenlauben da-
hinter geben uns wirklich die momentane Zllussion,
daß wir uns draußen auf dein Lande bei irgend
einen: Bauern befinden. Also gleich hier im ersten
Ausstellungsraum des Museums empfinden wir,
wie das künstlerische Studium durch eine möglichst

Z0. Nationalmuseum, München. Bogeneinfassung, einem Thür-
bogen in Worms nachgebildet. Architekt Gabr. v. S e t b I.

9. Nationalmuseum,
München.

Romanische Säule nach Mo-
tiven aus Bayern.
Architekt c8abr. v. Seidl.
 
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