Zum fünfzigjährigen Bestehen des Bayerischen Aunstgewerbevereins.
mehr wissen wollten; aber damals suchte man bewußt
Anschluß „an die reichen, schönen, lebendigen, ent-
wickelungsfähigen Formen des romanischen und
germanischen Styles in Deutschland", während inan
heute oft genug unbewußt — auf dein Umweg
über die bessere Ausbeutung der Pflanzenwelt zur
Ausschmückung — vielfach sich wieder durch die An-
lehnung an die romanische und gothische Formen-
welt in derselben Richtung bewegt wie vor 50 Jahren.
— Eilt wesentlicher Unterschied zwischen daiiials
und heute besteht indesseii darin, daß man daiiials
der Nüchternheit und Poesielosigkeit der gewerblichen
Erzeugnisse entgegenwirken wollte durch geeignete
Ausschmückung des kirchlichen und bürgerlichen Ge-
räths, wogegen unsere heutigen Aunstgewerbler sich
im Gegentheil von aller Ausschinückung abwenden,
weil sie sich von dem allzureichlichen und nur zu oft
gedankenarmen Schmuck angeeckelt fühlen.
Bei der gesellschaftlichen pöhe, auf welche durch
Aönig Ludwigs I. Aunstliebe die Aünstler gestellt
worden waren, war es keine leichte Aufgabe, die
Annäherung von Künstlern und Handwerkern zu
vollziehen. Trotz warm gehaltener Aufrufe an die
Aünstler wollte es nur schwer gelingen, denselben
die Nothwendigkeit und Wichtigkeit des Zusammen-
gehens von Kunst und pandwerk für das Gedeihen
der Allgemeinheit fo ganz klar zu machen, so sehr
auch die leitenden Persönlichkeiten — vor allen
Dingen Historienmaler Permann Dyck, Franz Seitz
und Erzgießer Ferdinand v. Miller sich darum be-
mühten; Dyck hatte seine Aünstlerlaufbahn als Gold-
fchmiedlehrling begonnen, — Seiij vereinigte Aünstler
und Handwerker in einer Person wie wenig Andere,
- und v. Miller hatte in Jahrzehnte langer müh-
samer Arbeit den Segen des gegenseitigen Einwirkens
von Kunst und pandwerk an sich selbst erfahren —
diese Männer waren so recht geeignet, in dem an-
gedeuteten Sinn zu wirken. Wohl zählte schon das
erste, gedruckte Namensverzeichniß von s85f (unter
385 Mitgliedern) gegen 70 Aünstler auf1); die junge
Bereinigung wußte sich auch rasch die Gunst maß-
gebender Persönlichkeiten zu verschaffen.^) Aber die
*) Darunter die Akademieprofessoren Sjerm. Auschütz, kseinr.
v. kseß, Gg. Fjilteusperger, lvilh. r. Aaulbach, Ludw. Lange, Joh.
Schraudolph, Faver Schwanthaler, Max Miedcmann, ferner
Glasmaler Max Ainmüller, Andr. Fortner, Gottfr. Neureuther,
Eugen Neureuther, L. v. Aleuze, Baurath bstmbfel, Aug. Areling,
5eb. Labeufchadeu, Phil. L. Foltz, Aru. Zenctti, Fr. Zieblaud.
Erzbischof Graf v. Reisach, Staatsminister v. Zwehl,
Ariegsmiuister v. Ludor, Graf pocci, Bürgermeister v. Steius-
dorf, die Universitätsprofessoren I. A. Bluntschli, vr. A. Maurer,
Frz. v. Kobell, ferner Max Bauerufeind, Rud. Gottgetreu,
zählen schon zu den Mitgliedern neben etwa 200 aus dem
mittleren Gewerbe- und thandelsstand.
20—22. Schmucksachen.
Entwürfe von Friede. Adler, München.
praktische Theilnahme des künstlerischen Elements an
der Bereinsthätigkeit scheint nicht in dem gewünschten
Maaße stattgefunden zu haben; wenigstens finden sich
wiederholt Aufrufe tit diesem Sinn an die Aünstler.
Noch im Jahre s876 nach der prächtig verlaufenen
Jubiläumsausstellung des Vereins machte sich derselbe
Geist der Eifersucht breit, der auch in: gegenwärtigen
Jahr die Aünstlcrgenossenschaft zu ihrer ablehnenden
Pallung gegenüber den: Aunsthandwerk getrieben hat.
„Die Aünstler würden sich nie mehr herbeilasfen,
eitle solche Ausstellung noch einmal mit ihren Werken
zu schmücken," so verlautete es damals, nran wußte
also, daß es noch viel zu thun gebe, um — wie der
Vereiusvorstand Ferd. v. Miller sich damals aus-
sprach — die Aünstler zu gewiitnen, die doch eitdlich
einsehen müßten, „daß es ihre schönste Aufgabe ist,
die Industrie zu heben uitd zu fördern, ihr Führer
zu sein, wenn es gilt, der Schönheit bei den In-
dustriewerken Geltung zu verschaffen. Lassen wir
nicht ab, die spröde Schöne zu gewinnen, ihr Vor-
urtheil zu besiegen! paben wir doch schon eine schöne
Anzahl tüchtiger Aünstler in unsrer Mitte, die uns
in diesem Aampfe zur Seite stehen und den eitdlichen
Sieg uns erleichtern."
And wiederum zwei Jahre später, bei der Ein-
weihung des Bereinshauses ermahnte der gleiche un-
ermüdliche Vereinsleiter die Aünstler, sich gleich Dürer,
Polbein u. A. ilicht zu vornehm zu dünken, soitdern
für das pandwerk zu entwerfen; „es ist zwar schwierig,
die ideale, sprudelnde phailtasie des Künstlers mit
tS
mehr wissen wollten; aber damals suchte man bewußt
Anschluß „an die reichen, schönen, lebendigen, ent-
wickelungsfähigen Formen des romanischen und
germanischen Styles in Deutschland", während inan
heute oft genug unbewußt — auf dein Umweg
über die bessere Ausbeutung der Pflanzenwelt zur
Ausschmückung — vielfach sich wieder durch die An-
lehnung an die romanische und gothische Formen-
welt in derselben Richtung bewegt wie vor 50 Jahren.
— Eilt wesentlicher Unterschied zwischen daiiials
und heute besteht indesseii darin, daß man daiiials
der Nüchternheit und Poesielosigkeit der gewerblichen
Erzeugnisse entgegenwirken wollte durch geeignete
Ausschmückung des kirchlichen und bürgerlichen Ge-
räths, wogegen unsere heutigen Aunstgewerbler sich
im Gegentheil von aller Ausschinückung abwenden,
weil sie sich von dem allzureichlichen und nur zu oft
gedankenarmen Schmuck angeeckelt fühlen.
Bei der gesellschaftlichen pöhe, auf welche durch
Aönig Ludwigs I. Aunstliebe die Aünstler gestellt
worden waren, war es keine leichte Aufgabe, die
Annäherung von Künstlern und Handwerkern zu
vollziehen. Trotz warm gehaltener Aufrufe an die
Aünstler wollte es nur schwer gelingen, denselben
die Nothwendigkeit und Wichtigkeit des Zusammen-
gehens von Kunst und pandwerk für das Gedeihen
der Allgemeinheit fo ganz klar zu machen, so sehr
auch die leitenden Persönlichkeiten — vor allen
Dingen Historienmaler Permann Dyck, Franz Seitz
und Erzgießer Ferdinand v. Miller sich darum be-
mühten; Dyck hatte seine Aünstlerlaufbahn als Gold-
fchmiedlehrling begonnen, — Seiij vereinigte Aünstler
und Handwerker in einer Person wie wenig Andere,
- und v. Miller hatte in Jahrzehnte langer müh-
samer Arbeit den Segen des gegenseitigen Einwirkens
von Kunst und pandwerk an sich selbst erfahren —
diese Männer waren so recht geeignet, in dem an-
gedeuteten Sinn zu wirken. Wohl zählte schon das
erste, gedruckte Namensverzeichniß von s85f (unter
385 Mitgliedern) gegen 70 Aünstler auf1); die junge
Bereinigung wußte sich auch rasch die Gunst maß-
gebender Persönlichkeiten zu verschaffen.^) Aber die
*) Darunter die Akademieprofessoren Sjerm. Auschütz, kseinr.
v. kseß, Gg. Fjilteusperger, lvilh. r. Aaulbach, Ludw. Lange, Joh.
Schraudolph, Faver Schwanthaler, Max Miedcmann, ferner
Glasmaler Max Ainmüller, Andr. Fortner, Gottfr. Neureuther,
Eugen Neureuther, L. v. Aleuze, Baurath bstmbfel, Aug. Areling,
5eb. Labeufchadeu, Phil. L. Foltz, Aru. Zenctti, Fr. Zieblaud.
Erzbischof Graf v. Reisach, Staatsminister v. Zwehl,
Ariegsmiuister v. Ludor, Graf pocci, Bürgermeister v. Steius-
dorf, die Universitätsprofessoren I. A. Bluntschli, vr. A. Maurer,
Frz. v. Kobell, ferner Max Bauerufeind, Rud. Gottgetreu,
zählen schon zu den Mitgliedern neben etwa 200 aus dem
mittleren Gewerbe- und thandelsstand.
20—22. Schmucksachen.
Entwürfe von Friede. Adler, München.
praktische Theilnahme des künstlerischen Elements an
der Bereinsthätigkeit scheint nicht in dem gewünschten
Maaße stattgefunden zu haben; wenigstens finden sich
wiederholt Aufrufe tit diesem Sinn an die Aünstler.
Noch im Jahre s876 nach der prächtig verlaufenen
Jubiläumsausstellung des Vereins machte sich derselbe
Geist der Eifersucht breit, der auch in: gegenwärtigen
Jahr die Aünstlcrgenossenschaft zu ihrer ablehnenden
Pallung gegenüber den: Aunsthandwerk getrieben hat.
„Die Aünstler würden sich nie mehr herbeilasfen,
eitle solche Ausstellung noch einmal mit ihren Werken
zu schmücken," so verlautete es damals, nran wußte
also, daß es noch viel zu thun gebe, um — wie der
Vereiusvorstand Ferd. v. Miller sich damals aus-
sprach — die Aünstler zu gewiitnen, die doch eitdlich
einsehen müßten, „daß es ihre schönste Aufgabe ist,
die Industrie zu heben uitd zu fördern, ihr Führer
zu sein, wenn es gilt, der Schönheit bei den In-
dustriewerken Geltung zu verschaffen. Lassen wir
nicht ab, die spröde Schöne zu gewinnen, ihr Vor-
urtheil zu besiegen! paben wir doch schon eine schöne
Anzahl tüchtiger Aünstler in unsrer Mitte, die uns
in diesem Aampfe zur Seite stehen und den eitdlichen
Sieg uns erleichtern."
And wiederum zwei Jahre später, bei der Ein-
weihung des Bereinshauses ermahnte der gleiche un-
ermüdliche Vereinsleiter die Aünstler, sich gleich Dürer,
Polbein u. A. ilicht zu vornehm zu dünken, soitdern
für das pandwerk zu entwerfen; „es ist zwar schwierig,
die ideale, sprudelnde phailtasie des Künstlers mit
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