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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Bredt, Ernst Wilhelm: Fr. v. Thierschs "Haus für Handel und Gewerbe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0245

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^r. v. Tlsierschs „Ejaus für fjaitbel und Gewerbe".

373. Ztcue Börse in München von Fr. v. Thier sch; Eingcmgsthüre (Rahmen-
werk in Messing beschlagen). Mctallarbeit von 5 t ei nicken & Lohr, München.

licher Lichtfülle haben wir doch nicht das Gefühl, in
einem Glashause oder wie auf der Straße zu sitzen.
Den großen Messingthüren, schwer wie solche von
Geldschränken, worin andere eine Beziehung zum
Zweck des Dauses finden mögen, ist durch eine leicht
orientalisierende, geonretrische Zeichnung der Ver-
glasungen das gar zu Massive genommen.

Bemerkenswerter erscheint mir — und ich möchte
nur das hier erwähnen, was nicht ohne weiteres aus
den Abbildungen ersichtlich — die Wahl des gelben,
glänzenden Metalls neben dem matten Rot der
Sandsteinstreifen. Wenn ich mich nicht täusche, scheint
Thiersch das Nebeneinander nichtkomplementärer
Farben zu bevorzugen. Die vielen Fälle, die in

diesem Hause davon Beispiele
liefern, hier zu verfolgen, wäre
nur so interessanter, als ja im
ganzen Werk unseres Aünstlers
bei aller Zweckmäßigkeit merk-
würdig stark eine gewisse Anmut
hervortritt.

Aber es ist unmöglich, in Gr
wähnung jener Fälle das richtige
Maß zu halten, und es gibt, ab-
gesehen von dieser sehr interessanten
Eigenart, noch so viel anderes
Neue in glücklicher Lösung, daß
jene Erwähnung genügen möge.

Die Hauptfassade, hinter den
hohen Bäumen der Anlage fast
etwas zu sehr versteckt, läßt nur
die Lage des großen Börsensaales
erkennen. Die drei großen Fenster
und das decente Vorspringen dieses
hansteiles kennzeichnen diesen Saal
als den Hauptraum des Hauses.
Der Sitzungssaal der Handels-
kammer, der ebenfalls durch zwei
Stockwerke geht, nimmt das Eck
an der Vttostraße ein.

Die Belebung der Fassaden
durch flache figürliche und orna-
mentale Stuckreliefs (nach den
Ideen des Architekten von Prof.
Ernst Pfeiffer und den Stuccateuren
Maile und Blersch ausgeführt)
wird durch verschiedene Färbung
der putz- und Reliefgründe augen-
fällig verstärkt. Wie die Farben
des Äußeren überhaupt, so dürften
besonders diese mit der Zeit sich
mehr ausgleichen. Die Zeit heile
auch hier, was noch das Auge
nicht ganz wohlthuend berührt. Sehr merkwürdig
für München ist das Dachgesims, das nicht von
Aonsolen gehalten, gar nicht profiliert ist, nur eine
große Hohlkehle bildet und ohne weiteres in die sehr
sprechenden lisenenartigen Pfeiler übergeht.

Durch eine delikate Betonung der Vertikalen,
die im Dachgeschoß wohlthuend fortsetzen, durch jene
Gesimsbildung, durch die nach oben zu immer kleiner
und leichter gebildeten Fenster wird der Gegensatz
zum steinernen Erdgeschoß gesteigert und ein schlanker
Aufbau erzielt, wie er in Münchens Architekturbild
selten zu finden.

Wenn es auch nicht ein besonderes Aunstwerk
genannt werden mag, künstlerisch empfunden ist es

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