Gewerbliche Erziehung.
Tapete (Grund rot, Zeichnung rot und xurpurviolett); Entwurf von Llara
Möller, Loburg. — Schule Dasi0, München. (Ungef. 1/ii>ev wirkl. Gr.)
Unter solchen Erwägungen
wird man bescheiden. Man
verzichtet darauf, heute schon
eine endgültige Lösung zu
finden, man begitügt sich ntit
Näherungswerten, sa itoch
mehr, man ist glücklich, Me-
thoden oder Gesichtspunkte an-
geben zu können, die zu einent
brauchbaren System von Nähe-
rungswerten führen. Nitd
dieses Bewußtsein wird nicht
getrübt durch den Gedanken,
daß vielleicht schon in einem
Jahrzehnte neue Gesichtspunkte
aufgetaucht fein werden, die
unsere heutige Arbeit als ver-
besserungsbedürftig erscheinen
lassen.
Die sechs Gesichtspunkte,
die ich heute berühren will
und von deneit ich mir eine
solche geeignete Lösung Der
spreche, sind rein erziehungs-
technischer Art; alle wirtschaft-
lichen und socialen fragen, die
so stark mit Hereinspielen, lasse
ich ebenso beiseite, wie die
Einzelfragen über die Organi-
sation der verschiedeneit Schul-
gattungen und Erziehungs-
einrichtungen.
Wenn wir heute in den
deutschen Landen den Ruf
nach gewerblicher Erziehung allenthalben immer
lauter ertöneit hören, so werden wir wundersam
berührt bei der Lektüre der Anschauungen Goethes
über Erziehung in Wilhelm Meisters Wanderjahren.
f}ier legt Goethe dem Alten, dem Wilhelm fein
verschlossenes Rästchen vor seinem Ausbruch in die
pädagogische Provinz überreicht, die Worte in den
Mund: „Allem Leben, allem Thun, aller Runst
ntuß das Handwerk vorausgehen, welches nur in der
Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen
und ausüben gibt höhere Bildung, als Halbheit im
hundertfältigen." Mas Goethe hier sagen will, ist
uns allen wohl verstäitdlich. Nur das werkthätige
Schaffen bringt uns vorwärts, das sorgfältige, ge-
wissenhafte Arbeiten auf beschränktem Gebiete, das
Arbeiten ntit der Hand, ntit dent Auge, mit unfern
fünf Sinnen überhaupt. Nicht eilt frühzeitiges
Allgemeinwissen frommt unfern Schülern, sondern
das gründliche Rönnen auf beschränktem Gebiete
und die möglichst gründliche Ausbildung von Auge
und Hand.
Betrachten wir aber unsere heutigen Unterrichts-
anstalten für die Massen, so weisen sie gerade in
dieser Richtung einen Mangel auf. Zwar erträgt
der Begabte eine Zeit lang diesen Mangel und zwar
um so leichter, je ntehr die häuslichen Verhältnisse
das ersetzet: können, was die Schule nicht bietet. Die
wettiger begabten Masten aber leidet: wirklich Schaden
darunter: die schwachen Anlagen verkümmern. Als
daher Frankreich in: Jahre f883 sein Schulwesen
neu organisierte, da bedeutete es den wichtigsten
Schritt vorwärts, daß es fast in allen Schulen, ins
besondere aber in den Volksschulen, manuellen Unter-
richt einführte, utid Paris itt fast allen Schulhäusern
Werkstätten entrichtete für p—jährige Rinder. Der-
gänze Volksschulunterricht erhielt eine praktische Rich
tung, die unserer deutschen Volksschule, geschweige denn
- unfern technischen Mittelschulen noch vollständig abgeht.
Kunst und Handwerk. 5P Iahrg. Heft 9. — 265 — 35
Tapete (Grund rot, Zeichnung rot und xurpurviolett); Entwurf von Llara
Möller, Loburg. — Schule Dasi0, München. (Ungef. 1/ii>ev wirkl. Gr.)
Unter solchen Erwägungen
wird man bescheiden. Man
verzichtet darauf, heute schon
eine endgültige Lösung zu
finden, man begitügt sich ntit
Näherungswerten, sa itoch
mehr, man ist glücklich, Me-
thoden oder Gesichtspunkte an-
geben zu können, die zu einent
brauchbaren System von Nähe-
rungswerten führen. Nitd
dieses Bewußtsein wird nicht
getrübt durch den Gedanken,
daß vielleicht schon in einem
Jahrzehnte neue Gesichtspunkte
aufgetaucht fein werden, die
unsere heutige Arbeit als ver-
besserungsbedürftig erscheinen
lassen.
Die sechs Gesichtspunkte,
die ich heute berühren will
und von deneit ich mir eine
solche geeignete Lösung Der
spreche, sind rein erziehungs-
technischer Art; alle wirtschaft-
lichen und socialen fragen, die
so stark mit Hereinspielen, lasse
ich ebenso beiseite, wie die
Einzelfragen über die Organi-
sation der verschiedeneit Schul-
gattungen und Erziehungs-
einrichtungen.
Wenn wir heute in den
deutschen Landen den Ruf
nach gewerblicher Erziehung allenthalben immer
lauter ertöneit hören, so werden wir wundersam
berührt bei der Lektüre der Anschauungen Goethes
über Erziehung in Wilhelm Meisters Wanderjahren.
f}ier legt Goethe dem Alten, dem Wilhelm fein
verschlossenes Rästchen vor seinem Ausbruch in die
pädagogische Provinz überreicht, die Worte in den
Mund: „Allem Leben, allem Thun, aller Runst
ntuß das Handwerk vorausgehen, welches nur in der
Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen
und ausüben gibt höhere Bildung, als Halbheit im
hundertfältigen." Mas Goethe hier sagen will, ist
uns allen wohl verstäitdlich. Nur das werkthätige
Schaffen bringt uns vorwärts, das sorgfältige, ge-
wissenhafte Arbeiten auf beschränktem Gebiete, das
Arbeiten ntit der Hand, ntit dent Auge, mit unfern
fünf Sinnen überhaupt. Nicht eilt frühzeitiges
Allgemeinwissen frommt unfern Schülern, sondern
das gründliche Rönnen auf beschränktem Gebiete
und die möglichst gründliche Ausbildung von Auge
und Hand.
Betrachten wir aber unsere heutigen Unterrichts-
anstalten für die Massen, so weisen sie gerade in
dieser Richtung einen Mangel auf. Zwar erträgt
der Begabte eine Zeit lang diesen Mangel und zwar
um so leichter, je ntehr die häuslichen Verhältnisse
das ersetzet: können, was die Schule nicht bietet. Die
wettiger begabten Masten aber leidet: wirklich Schaden
darunter: die schwachen Anlagen verkümmern. Als
daher Frankreich in: Jahre f883 sein Schulwesen
neu organisierte, da bedeutete es den wichtigsten
Schritt vorwärts, daß es fast in allen Schulen, ins
besondere aber in den Volksschulen, manuellen Unter-
richt einführte, utid Paris itt fast allen Schulhäusern
Werkstätten entrichtete für p—jährige Rinder. Der-
gänze Volksschulunterricht erhielt eine praktische Rich
tung, die unserer deutschen Volksschule, geschweige denn
- unfern technischen Mittelschulen noch vollständig abgeht.
Kunst und Handwerk. 5P Iahrg. Heft 9. — 265 — 35