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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Leipheimer, Hans Dietrich: Die Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0317

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Die Ausstellung der Darmstädter Aünstlerkolonie

H7S. Gastzimmer im krause tjans Lhristiausen; entworfen von Lhristiansen,
ansgeführt von der Darmstädter Möbelfabrik.

Verrichtungen des Alltags vornehmen kann, ohne
aus denr Rahmen der Umgebung zu fallen.

Dagegen spricht uns, wie gesagt, das Außere
des Dauses sehr sympathisch an, und auch die Raum-
verteilung im Innern ist glücklicher als durchwegs
bei Olbrich, so das Verhältnis zwischen Speise- und
Musikzimmer. Die übergroßeit Pallen, die Olbrich
neben ganz kleine Boudoirs oder Rauchzinrmer setzt,
wirken ja durch den Kontrast, aber einmal sind sie
nicht Original, sondern von England übernommen,
und dann erfordern sie doch eine etwas kostspieligere
Paushaltführung, als man in Deutschland im Durch-
schnitt annehmen darf. Dagegen scheinen die polizei-
widrig engen Treppen Olbrichs „echt Wien" zu sein,
was aber der beschränkte Raum einer Großstadt zur
unbequemen Notwendigkeit macht, das hätte hier auf
der weiten Mathildenhöhe vermieden werden können.

Treten wir in ein Zimmer, sei
es nun von Olbrich, Behrens oder
puber, so finden wir als gemein-
sames Prinzip: möglichst viel Licht.
Die Stores, Gardinen und schwer
drapierten Portieren an den Fenstern
sind verschwunden; es bleibt meistens
nichts als ein schmaler Streifen Tuch
neben und über dein Fenster, aller-
dings oft reich mit Applikation ver
ziert. Auch der Ton der Möbel ist
lichter gehalten; Olbrichs Wohn-
zimmer und das Speisezimmer im
paus Behrens find sogar direkt weiß.
Wohlthuend berührt das Fehlen allen
Uleinkrams, der uns den Aufenthalt
inr heutigen Durchschnittsbürgerhaus
verleidet. Tine hübsche Vase mit ein
paar Blumei: oder eine Bronze sind
meistens alles, und ungestört können
Tapeten, Möbel, Teppiche rc. ihre
Sprache sprechen, lauter oder ge-
dämpfter, wie es ihr Schöpfer jedem
zuwies; und man iiiuß gestehen, es
gibt in den meisten Fällen einen
volleii harmonischen Accord. Dieser
Teil des Programines, und es ist ja
der Pauptteil, kann als gelöst be
trachtet werden.

Wie es init der Palle für Flächen-
kunst und den Reformbestrebungen
der Bühnenkunst bestellt ist, haben wir
oben schoii gesehen, es bleiben noch die
Veranstaltungen, welche dahin gehen,
auch die Bedürfnisse, die aus frohen
Festen und der Freude des Lebens
entstehen, künstlerisch zu gestalten. Pier sind uns die
Sieben fast alles schuldig geblieben. In zwei Jahren
hätte sich doch einmal Gelegenheit bieten müssen, ein
Fest im großen zu veranstalten, aber es scheint ein
Arrangeur zu fehlen, sonst hätte es ihn längst reizen
müssen, die herrliche Figur der Großherzogin zum
Mittelpunkt eines Festes der Schönheit zu machen.

In München oder Düsseldorf weiß man sehr
wohl den erzieherischen Wert solcher Veranstaltungen
zu schätzen, gar manchen: verknöcherten Alltagsmen-
schen geht erst in gehobener Feststimmung der Sinn
für das Befreiende in der Kunst auf. Und unsere
nüchterne Zeit kann recht gut frohe Unterbrechungen
ertragen.

Zuin Schluß drängt sich die Frage auf: in wie
weit haben die Sieben mit ihrer Ausstellung die
Erwartungen gerechtfertigt, welche der Fürst und das

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