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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Der XI. Delegierten- und der Kunstgewerbetag in München, vom 29. Juni bis 3. Juli, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0326

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Der XI. Delegierten- und der Uunstgewerbetag zu München.

offene Abstimmung sei, da sich da jeder schäme,
Ausstellungsarbeiten höher zu werten als sie ver-
dienen. Direktor O. v. Falke-Röln ist der Mei-
nung, daß derartige Dinge auch durch die offene
Abstimmung nicht verhindert werden können und
zieht als Beispiel die keramische Gruppenjury der
letztjährigen pariser Ausstellung heran, der er an-
gehört hatte, und in der die französischen Juroren
durch ihre 2/s Majorität immer den Ausschlag gaben
wo sie wollten. Als besonders drastisches Beispiel
nennt er die Porzellane des Russen Rousnetzow. „Da
haben auch die Franzosen den Grand prix be-
antragt, obwohl der russische Vertreter, der sich ge-
nierte, dafür von vornherein den Grand prix zu be-
antragen, niederer stimmte. Es war ihnen voll-
kommen gleichgültig, wie die Übrigen stimmten;
gegen ihre Majorität war einfach nicht anfzukommen
und das Schamgefühl des Franzosen habe ich wenig
entwickelt gefunden." „Wenn wir die Möglichkeit

494—496. Vasen und Aschenschale von Rud. Bosselt.

| hätten, durch eine
Resolution künftig zu
verhüten, daß der-
artige Mißstäude zu
tage treten, dann
wäre das jedenfalls
für die Gerechtigkeit
der Preisverteilung
| sehr wünschenswert,

| aber ob das durch-
! zuführen, das glaube
ich weniger." —

Direktor Dr. Waag-
Pforzheim hält es für gut, wenn von vornherein
bei der Frage der Ausstellungsbeteiligung bestimmte
Forderungen gestellt werden, unter denen man sich
herbeiläßt, auszustellen; er empfiehlt daher die An-
nahme der Resolution, desgleichen Professor Fr.
v. Miller-München, der darüber berichtet, daß bei
der Zuerteilung von Preisen meist eingehende Be-
gründungen verlautbart wurden, die aber nur der
französischen Regierung als wertvolles Beurteilungs-
material zur Verfügung gestellt wurden. Von einer
allgemeinen Bekanntgabe dieser Beurteilungen habe
er bis jetzt nichts vernommen. Direktor Vr. Brinck -
mann Hamburg bemerkte hierzu, daß diese Berichte
thatsächlich zusammengeschrieben werden, daß ihre
Fertigstellung aber lange auf sich warten lasse und
ihr Umfang sehr groß ausfallen werde.

Nachdem noch perr Ostermeier München sich
sehr entschieden für die Brinckmannschen Leitsätze
ausgesprochen hatte, wurden dieselben von der
j Versammlung angenommen, woraus Direktor
v. Brinckmann wieder den Vorsitz übernimmt.

pierauf spricht Fabrikant Stöffler-Pforzheim
über „den kunstgewerblichen Dilettantismus". Der
Dilettantismus, führte der Redner aus, sei für das
Runstgewerbe ebensowenig zu entbehren, wie das in
der Musik der Fall sei, wo der Dilettantismus be
j reits zu seinem Rechte gekommen sei. Leider liege
[ noch eine tiefe Rlust zwischen dem Dilettantismus
und der Fachkunst im Runstgewerbe. „Erst wenn
einmal ebenso viele Ausstellungsbesucher modellieren,
punzieren und malen als Ronzertbesucher zu Pause
Musik treiben, erst dann werden wir dahin kommen,
daß wir nicht mehr eine Run st für die Rünstler,
sondern eine Runst für das Volk haben/") Und doch,
wenn das Runstwcrk für das Volk bestimmt und
dem Runstverständnis des Volkes zugänglich gemacht
werden soll, wenn das Verständnis für den Unter

') Diesen Gedanken hat unsere Zeitschrift früher schon
wiederholt verfochten, z. B. 4097, S. 52, „Aunstgewerbl. Lnt-
1 wickelungsfragen."

497. Plakette von Rud. Bosselt.
 
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