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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Der XI. Delegierten- und der Kunstgewerbetag in München, vom 29. Juni bis 3. Juli, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0327

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Der XI. Delegierten- und der Aunstgewerbetag zu München.

schied zwischen Fabrikware und künstlerischer pand-
arbeii verbreitet werden soll, muß dem Dilettantis-
mus mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Leider
wendet sich die Gunst des Publikums, z. B. in der
Schmuckbranche, aber auch in anderen Branchen,
der billigen Mittelware zu. Die Pflege, und zwar
die planmäßige Pflege des Dilettantismus, ist wohl
das wirksamste Mittel zur pebuug des Kunstgcwerbes;
denn der Dilettantismus steht mit der kunstgewerb
lichen Arbeit in engster Fühlung, veredelt den Ge-
schmack und erhöht das Kunstverständnis. Befürch-
tungen bezüglich der Konkurrenz sind unbegründet.
Im Gegenteil wird der sichere, erfahrene Fachmann
nur Nutzen davon ziehen. Der deutsche Kunstgewerbe-
tag möge dem Borstande des Verbandes deutscher
Kunstgewerbevereine deshalb nahelegen, unter Zu-
ziehung aller ihm geeignet erscheinenden
perren, D amen und Korporati onen prüfen
zu wollen, ob, wie und inwieweit der kunst-
gewerbliche Dilettantismus zu organisieren
und nach Errichtung von Lehrwerkstätten
planmäßig für Förderung des deutschen
Kunstgewerbes nutzbar gemacht werden
kann." Redner würde es für eine günstige Vorbe-
deutung ansehen, wenn diese Sache zur Förderung
des Aunstgewerbes von München ihren Ausgang
nehme und er stellt daher die schon oben (5. 2Z6)
ausgesprochenen Grundsätze zur Diskussion.

pierzu ergreift zuerst Direktor v. Länge-Mün-
chen das Wort, indem er zwar das Verlangen, im
Volke das Verständnis für kunstgewerbliches Schaffen
zu verallgemeinern für berechtigt erklärt, aber
sich dagegen wendet, dem „Dilettantismus" eine so
angesehene Stellung einzuräumen, wie sie den Ab-
sichten des Berichterstatters entspräche. Die Grenze,
bis zu der die Dilettantenarbeit gehen dürfe, fei da
wo die (Öffentlichkeit anfängt; so lange der Dilettant
nur zu seiner Befriedigung sich auf kunstgewerblichem
Gebiete beschäftige, solange habe diese Beschäftigung
eine Berechtigung, die aber sofort ein Ende habe,
wenn er als gleichberechtigt sich auf eine Stufe mit
Künstlern stellt. Redner glaubt daher, daß man
zuerst die Grenze festlegen soll, bis zu welcher der
Dilettantismus berechtigt erscheint; es müsse zum
mindesten aus dem vorliegenden Antrag das Wort
„Dilettantismus" gestrichen werden. Maler Schulz-
Leipzig tritt diesen Ausführungen bei und betont,
daß man für die Verbreitung des Kunstverständnisses
schon in den Volks- und Mittelschulen durch guten
Zeichenunterricht sorgen müsse. Allerdings komme
es auch wieder auf die Definition des Wortes Dilet-
tantismus an, und wenn die gute, ursprüngliche Be-
deutung angenommen werde, verdiene der Dilettan-

tismus eine planmäßige Pflege und dann werde
auch das ernste Gewerbe nur Vorteil davon haben.

Auch Direktor Moser -Kaiserslautern schließt
sich diesen Darlegungen an, indem er besonders auf
den mangelhaften Zeichenunterricht in Volksschulen
und Gymnasien hinweist.

Direktor Dr. Brinckmann-Pamburg tritt den
Ausführungen mehrerer Vorredner entgegen, indem
er von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes
„Dilettant" ausgeht, was doch auf die Freude, das
Ergötzen an einer gewissen Thätigkeit hinweist. „Es
gibt Künstler, die ihr ganzes Leben lang Dilettanten
bleiben, und es gibt Dilettanten, die von Pause aus
Künstler sind. Wir müssen nicht so scharf die Grenzen
zu ziehen suchen. Der Meinung bin ich allerdings
sehr, daß die Förderung dessen, was man Dilettan-
tismus nannte — ich möchte gerne ein anderes Wort
finden, um alle diese Zweideutigkeiten zu vermeiden
— außerordentlich nutzbar sein kann für die Förderung
des Kunstverständnisses des Volkes ganz schlechthin
und im allgemeinen. Insofern« möchte ich diese
Bestrebungen sehr fördern: pflege des Dilettantismus
oder der häuslichen Kunst, wie man das nennt,
ist ganz außerordentlich wichtig." „Die Frauen bringen
Kunst ins paus und Kunst ins Leben, bei uns
wenigstens sin Norddeutschland; d. Red.), und da ist
das, was die Frauen ins paus bringen, von außer-
ordentlicher Bedeutung für die pebung des Kunst-
verständnisses auch des männlichen Kreises. Des-
wegen möchte ich durchaus, daß der Dilettantismus
gefördert würde, wenngleich ich eine derartige Een-
tralisation für undurchführbar halte." Auch Redner
hält dafür, daß vor allen Dingen der Zeichenunter-
richt an den Gymnasien verbessert werden müsse;
mit Bezug auf einen der Leitsätze Stöfflers bemerkt
Brinckmann, daß auch er von einer Pflege des
Dilettantismus keine Schädigung des Kunsthand -
Werkes befürchte, und hält es für wichtig, dies auch
auszusprechen. „Die Pflege des Kunstverständnisses
kann nur dem ernsten Kunstgewerbe Nutzen bringen;
das möchte ich ausgesprochen wissen." Aber um
den Schritt vom Dilettantismus zur Erwerbsarbeit
zu thun, das erfordere eine strenge Schulung.

Stöffler-Pforzheim dankt für die eingehende
Besprechung seiner Vorschläge und verzichtet gerne
auf das Wort „Dilettantismus", wenn nur das
Wesentliche der von ihm verfochtenen Bestrebungen
in die Wirklichkeit übertragen werde. Der Pforz-
heimer Verein wollte nur Anregungen geben. —
Professor Dr. Paupt-Pannover spricht sich gleich-
falls für die Notwendigkeit aus, daß den peran-
wachfenden in der Schule schon ein gesunder Farben-
und Formensinn anerzogen werde. Direktor Wall -

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