Architektur und Aunstgewerbe auf der Weltausstellung in St. Louis.
^3. Weltausstellung 5t. Louis. Das Deutsche Lfaus. (Nachbildung des Charlotten-
burger Schlosses.)
sehr leicht erkennen, wie auch bei den Airchenbauten
der mittelalterliche Stil in englischer Färbung üblich ist.
Die von England manchntal recht oberflächlich
entlehnte gotische Bauweise wird mit Vorliebe bei
modernen Universitäten angewendet, die auch ihrer
ganzen Anlage nach auf englischen Vorbildern be-
ruhen. Doch tritt gegenüber der starken Herrschaft
der französischen Schule das Englische bei monu-
mentalen Aufgaben zurück.
Das Vorwiegen französischen Einflusses erinnert
auch an Italien. Dort allerdings ist es noch er-
staunlicher. In Rom ersteht das Werk des Grafen
Sacconi: das Nationalmonument der Einigung
Italiens, ein Ausbau im Geschmack der Pariser-
Schule. Dicht daneben stehen die herrlichsten Reste
griechisch-rönrischer Architektur. Sie waren nicht
direkt zu gebrauchen; man mußte sie über Paris be-
ziehen. Freilich ist der Meinungsaustausch und die
geistige Beziehung zwischen den romanischen Nationen
wiederum leicht verständlich. Daß aber in der Neuen
Welt, die ja aus dem bunten NIosaik der verschieden-
sten Elemente zusammengesetzt ist, heute noch die
französische Architekturschule eine so dominierende
Stellung einnimmt, bleibt erstaunlich.
Spricht man amerikanischen Architekten seine
Verwunderung aus, so ist die Erwiderung: „Was
sollen wir tun? Wir haben keine historische Ver-
gangenheit, keinen alten einheimischen Stil, auf dem
wir aufbauen und Weiter-
arbeiten können." And
wirklich ist man in Amerika
in dieser Beziehung schlecht
daran. Richardson hatte
auf dem Aiittelalter fußend
iin romanesque style eine
neue amerikanische Eigen-
art angebahnt, doch fehlte
es an Nachfolgern, welche
imstande gewesen wären,
das geistige Vermächtnis
fruchtbringend auszuge-
stalten. So fiel die Hoff-
nung dahin, daß Amerika
seinen eigenen nationalen
Stil haben werde.
Der Respekt vor der
französischen Aunst alter
und neuer Zeit hat übri-
gens noch eine praktische
Seite, die von Frankreich
in zielbewußter Weise aus-
gebeutet wird.
Auf dem Gebiete der
Innendekoration find bei wichtigen Aufgaben die
Stilarten der französischen Renaissance allenthalben
noch sehr im Schwung.
Frankreich liefert einen beträchtlichen Teil der
Ausstattungsarbeiten selbst, zum Teil sendet es feine
kunstgewandten Arbeiter hinüber. Alte Alöbel und
Architekturteile, wie auch gute Imitationen werden
aus den romanischen Gebieten unseres Aontinents
zu außerordentlichen Preisen für reichere Ausstat-
tungen verwendet.
Nur wenige Zweige des deutschen Aunstgewerbes
haben einen nennenswerten Export nach der Neuen
Welt zu verzeichnen: ich weiß nur die Glasmalerei
und die Schmiedekunst zu nennen.
Die Innenräume vornehmer amerikanischer
Häuser sind in Fällen, in welchen die französische
Aunst zurücktritt, mit einem großen Luxus technisch
gediegener holzarbeiten ausgestattet. Die Säulen-
ordnung will dort nicht entbehrt werden, und man
sucht vergeblich diejenige Zurückhaltung und Ein-
heitlichkeit, die nach unseren Begriffen die Grundlage
des wahrhaft Wohnlichen bildet, hierin ist das
amerikanische Haus dem gemütlicheren englischen
verwandt. Auch in diesen: steht die Liebhaberei für
kuriose Einzelheiten und starke Gegensätze vielfach
dem Einheitlichkeitsbedürsnis entgegen.
Es hat nicht an einzelnen Versuchen gefehlt,
welche von Dekorateuren in New pork unternommen
60
^3. Weltausstellung 5t. Louis. Das Deutsche Lfaus. (Nachbildung des Charlotten-
burger Schlosses.)
sehr leicht erkennen, wie auch bei den Airchenbauten
der mittelalterliche Stil in englischer Färbung üblich ist.
Die von England manchntal recht oberflächlich
entlehnte gotische Bauweise wird mit Vorliebe bei
modernen Universitäten angewendet, die auch ihrer
ganzen Anlage nach auf englischen Vorbildern be-
ruhen. Doch tritt gegenüber der starken Herrschaft
der französischen Schule das Englische bei monu-
mentalen Aufgaben zurück.
Das Vorwiegen französischen Einflusses erinnert
auch an Italien. Dort allerdings ist es noch er-
staunlicher. In Rom ersteht das Werk des Grafen
Sacconi: das Nationalmonument der Einigung
Italiens, ein Ausbau im Geschmack der Pariser-
Schule. Dicht daneben stehen die herrlichsten Reste
griechisch-rönrischer Architektur. Sie waren nicht
direkt zu gebrauchen; man mußte sie über Paris be-
ziehen. Freilich ist der Meinungsaustausch und die
geistige Beziehung zwischen den romanischen Nationen
wiederum leicht verständlich. Daß aber in der Neuen
Welt, die ja aus dem bunten NIosaik der verschieden-
sten Elemente zusammengesetzt ist, heute noch die
französische Architekturschule eine so dominierende
Stellung einnimmt, bleibt erstaunlich.
Spricht man amerikanischen Architekten seine
Verwunderung aus, so ist die Erwiderung: „Was
sollen wir tun? Wir haben keine historische Ver-
gangenheit, keinen alten einheimischen Stil, auf dem
wir aufbauen und Weiter-
arbeiten können." And
wirklich ist man in Amerika
in dieser Beziehung schlecht
daran. Richardson hatte
auf dem Aiittelalter fußend
iin romanesque style eine
neue amerikanische Eigen-
art angebahnt, doch fehlte
es an Nachfolgern, welche
imstande gewesen wären,
das geistige Vermächtnis
fruchtbringend auszuge-
stalten. So fiel die Hoff-
nung dahin, daß Amerika
seinen eigenen nationalen
Stil haben werde.
Der Respekt vor der
französischen Aunst alter
und neuer Zeit hat übri-
gens noch eine praktische
Seite, die von Frankreich
in zielbewußter Weise aus-
gebeutet wird.
Auf dem Gebiete der
Innendekoration find bei wichtigen Aufgaben die
Stilarten der französischen Renaissance allenthalben
noch sehr im Schwung.
Frankreich liefert einen beträchtlichen Teil der
Ausstattungsarbeiten selbst, zum Teil sendet es feine
kunstgewandten Arbeiter hinüber. Alte Alöbel und
Architekturteile, wie auch gute Imitationen werden
aus den romanischen Gebieten unseres Aontinents
zu außerordentlichen Preisen für reichere Ausstat-
tungen verwendet.
Nur wenige Zweige des deutschen Aunstgewerbes
haben einen nennenswerten Export nach der Neuen
Welt zu verzeichnen: ich weiß nur die Glasmalerei
und die Schmiedekunst zu nennen.
Die Innenräume vornehmer amerikanischer
Häuser sind in Fällen, in welchen die französische
Aunst zurücktritt, mit einem großen Luxus technisch
gediegener holzarbeiten ausgestattet. Die Säulen-
ordnung will dort nicht entbehrt werden, und man
sucht vergeblich diejenige Zurückhaltung und Ein-
heitlichkeit, die nach unseren Begriffen die Grundlage
des wahrhaft Wohnlichen bildet, hierin ist das
amerikanische Haus dem gemütlicheren englischen
verwandt. Auch in diesen: steht die Liebhaberei für
kuriose Einzelheiten und starke Gegensätze vielfach
dem Einheitlichkeitsbedürsnis entgegen.
Es hat nicht an einzelnen Versuchen gefehlt,
welche von Dekorateuren in New pork unternommen
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