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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

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Thiersch, Friedrich von: Architektur und Kunstgewerbe auf der Weltausstellung in St. Louis, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0093

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Architektur und Aunstzerverbe auf der lveltausstellung in 5t. Louis.

fyOO war der Eindruck durch die Galerie erschwert.
Daß inan sich in St. Louis nur erdgeschossig ent-
wickeln durfte, war für Aussteller und Besucher eine
wahre Wohltat und inuß als ein entschiedener Fort-
schritt im Ausstellungswesen bezeichnet werden.

Möhring, Berlin, hat bei der großen Palle
den Abschluß nach oben durch zwei mächtige Dach-
schrägen herbeigeführt. Ein mit feinen Geweben ver-
schleiertes Oberlicht, von halbdurchbrochenen orna-
mentalen Friesen in blau und gold begleitet, speitdet
die wirkungsvolle Beleuchtung. Zwölf große Vitrinen
in eleganter Messingfassung haben im ersten Raum-
teil Aufstellung gefunden. Sie enthalten die besten
Erzeugnisse unserer Edelmetall- und Zuwelierfirmen
und sind auch an sich vorzüglich. Der zweite, höher
liegende Teil der Palle hat einen Einbau mit
Pfeilern derart erhalten, daß eine fünfschiffige Anlage
entsteht. Grüngebeizter Marmor gibt diesem Raum-
teil ein feierliches Gepräge. Die Farbenbehandlung
des echten Materials birgt allerdings die Gefahr
des unnatürlichen Aussehens, während man sich im
Runstmarmor beinahe alles erlauben darf. Zn der
Mitte der Palle und auf den Vermittlungsstufen steht
auf schlichtem Postament Gauls deutscher Adler,
in den Werkstätten der Gebrüder Arm brüst er,
Frankfurt a. M., geschmiedet, eine vorzügliche Arbeit,
in welcher sich feine Naturbeobachtung mit großem
Stilgefühl vereinigt findet (Abb. ss7.)

Daß der Reichsadler noch einmal gleich dahinter
im palbrundfenster der Abschlußwand erscheint, kann
durchaus nicht verstimmen. Dort setzt er sich aus
einem mächtigen Sprossenwerk von Eisen zusammen,
dessen Felder mit Opaleszentglas gefüllt sind. Der
untere Teil dieser Abschlußwand wird durch Nischen-
brunnen belebt. Die beiden Gruppen sind von
Stichling-Berlin modelliert und von Rnodt-
Frankfurt a. M. in Rupfer getrieben. Möhrings
Rünstlerhand hat sich übrigens auch an anderen
Stellen des weiten Ausstellungsgebietes erfolgreich
betätigt. Zm Ribera! Art8 Building ist nicht nur
die deutsche Schulausstellung, sondern insbesondere
die deutsche Buchkunstausstellung rühmend hervor-
zuheben. Mit wenigen Mitteln hat es Mähring ver-
standen, den Raum des Wasmuthschen Architektur-
verlags interessant zu gestalten. Von den großen
Verhältnissen der Möhringschen Palle bis zu den
zierlichen Räumen, die sich um Olbrichs Pos scharen,
war ein wesentlicher Abstand des Maßstabes aus-
zugleichen, was durch den Landratssitzungssaal Dül-
fers für das Bayreuther Regierungsgebäude
ausgezeichnet gelöst erscheint. Dieser originelle Raum,

der uns an das Empire mit seinen ägyptisierenden
Liebhabereien erinnert, enthält in seinen schlichten
Vitrinen eine Auslese bester deutscher Edelmetall-
arbeiten, unter denen wir manchen lieben Bekannten
freudig begrüßen. Die im Raum hängenden Lüster
wollen nicht recht hineinstimmen und erscheinen zu
bewegt in der Romposition.

An den Säulenschäften gelangt unser Pappen-
heimer Marmor in seinem feinen Grau zur Geltung.
Die zierliche Rupferumkleidung der unteren Schaft-
teile bringt uns die Säulen menschlich näher, pinter
hohen Lcdersofas zeigt sich die in schlanken Paneelen aus
edlem polz durchgeführte Vertäfelung; ihr braunes
Gefüge wird durch die farbig eingelegten Wappen
auf das angenehmste belebt. Gberwände und Decke
sind im ockergelben Ton gehalten; weiß erscheinen
nur die Rosetten. Etwas schwer verständlich ist die
Deckenlösung in ihrer Form: Das kaffettierte Decken-
feld liegt so hoch, daß der tragende Rahmen wieder-
um der Stützen bedarf, pierzu reichen aber die oberen
Wandschrägen allein nicht aus, und so war die Ein-
schiebung der Säulen erwünscht, deren Existenz wohl
nur aus diesem Grund berechtigt ist. Eine Schmal-
seite des Raumes ziert, über dem Ramin angebracht,
das Portrait S. R. p. des Prinzregenten, ein Mar-
morrelief von A. v. pildebrand.

Wir treten auf die Terrasse (s6) des pofes
hinaus, die ebenfalls von Dülfer nach Art einer
Pergola ausgebildet und mit pintersehers an-
mutiger Figur mit trinkendem Reh ausgestaltet ist.
Zn unmittelbarem Zusammenhang mit der Terrasse
stehen die beiden kleinen Räume s7 und 33. Zn
ersterem wurde das Lesezimmer von Niemeyer &
Bertsch (München) etabliert; im andern hat Bruno
Pauls (München) Arbeitszimmer des Bayreuther
Regierungspräsidenten Unterkunft gefunden. Der
Münchener Raum ist durch einen sehr behaglichen,
dreifenstrigen Erker ausgezeichnet. Raum 53, ganz
in poliertem polz getäfelt, ist mit braunledernen
Polstermöbeln behaglich eingerichtet. Auch hier ist
die Neigung zu glatt durchgeführter Wand so groß,
daß die Uhr, Büchergestelle und Schränke in die Wand
eingebaut erscheinen. Während der kupferne Gas-
kamin mit Rachelumkleidung ausgesprochen modern
erscheint, gemahnt uns die obere Behandlung des
Raumes an unserer Väter Werke.

Wir wenden uns im pof, nachdem wir seine
originelle Belebung mit einfachen Brunnen und tief-
liegenden Bassins bewundert haben, nach den west-
lich gelegenen Räumen.

(Schluß folgt.)
 
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