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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0219

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Lhronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

strebte verwelschung Südtirols gesprochen und geschrieben worden,
es kann nicht oft genug auf die Gefahr hingewiesen werden,
welche dem Deutschtum durch die Italienisierung Südtirols droht.
Der Vortragende steht seit Jahren mit an der Spitze derer,
welche die Erhaltung deutscher Sprache und Sitte, das Zurück-
dämmen welschen Einstusses mit allen zu Gebote stehenden
Mitteln sich zur Aufgabe gemacht haben; er ist auch darum wie
wenige in der Lage, die Berechtigung der Abwehrmaßregeln
aus der geschichtlichen Entwicklung zu begründen. Die Be-
völkerung Tirols setzt sich int wesentlichen aus drei Volksstämmen
zusammen: Deutsche, Ladiner und Italiener. Da die Ladiner
mehr dem deutschen Stamm zuneigen, so hat dieser sich nur
der Italiener zu erwehren. Bis zum \6. Jahrhundert stand
Tirol bis weit über Trient hinunter ganz unter deutschem Ein-
fluß; das änderte sich erst, als um diese Zeit Italiener zum
Dank für geleistete Kriegshilfe im südlichen Teil des Landes
umfassende Niederlassungen gründen durften. Der Expansiv-
charakter des italienischen Mischvolkes drängte von nun an die
deutsche Sprache und damit das deutsche Geistesleben immer
mehr zurück, wie sich das namentlich in den Kunstwerken längs
der Brennerstraße verfolgen läßt. Daß nunmehr seit einer Reihe
von Jahren diesem Vordringen des Welschtums wirksam Halt
geboten wird, dafür wußte Redner zahlreiche Beweise beizu-
bringen, wie auch dafür, daß für die Erhaltung des Stammes-
charakters selbst von den Bewohnern entlegener Dörfer oft auch
die größten Gxser nicht gescheut werden. Nachdem der vor-
sitzende, Bauamtmann Bert sch, dem Redner für seine inter-
essanten Ausführungen gedankt hatte, gab letzterer auf gegebene
Anregung hin noch eingehende Mitteilungen über die überaus
ersprießliche Tätigkeit des Deutschen Schulvereins in Südtirol,
die wohl manchen der Anwesenden zum Beitritt in diesen
segensreichen Verein ermuntert haben.

Dreizehnter Abend — den Februar — Vortrag von
Prof. Dr. Rothpletz über „Prähistorisches Kunstgewerbe".
Angesichts des ungeheuren Einflusses, den Weltverkehr und
Schriftsprache aus uns haben und der gar keine eigentliche,
wirkliche (Originalität mehr bestehen läßt, warf der Redner die
Frage auf, ob das Kunstgefühl und das Kunstbedürfnis ein
ursprüngliches oder ein erworbenes ist. Diese Frage wird durch
die Vorfrage beantwortet, ob schon der Urmensch Kunstgefühl
besessen hat. Zoologie und Paläontologie haben den Gegensatz
zwischen Mensch und Tier verschwinden machen; man spricht
den Tieren nicht mehr jede Denkfähigkeit ab und erkennt sogar
allen Tieren einen eigenen Formensinn zu, wie auch zwischen
den älteren und den jetzigen Tieren in künstlerischer Hinsicht
nur graduelle Unterschiede bestehen. Mittels Lichtbildern ließ
der Vortragende allerlei Typen niederer Tiere und Pflanzen
vorüberziehen und zeigte alsdann an Funden aus der Stein-
und Bronzezeit, wie schon die Zeitgenossen des Mammuts sich
durch Schnitzereien, Gravierungen, Wandzeichnungen usw. künst-
lerisch betätigt haben, freilich oft in unbeholfener, fehlerhafter,
aber doch dabei den Gegenstand der Darstellung trefflich charak-
terisierender weise, von ganz besonderem Interesse waren die
vor wenigen Jahren in Höhlen Frankreichs entdeckten Zeich-
nungen, welche in überlebensgroßen Darstellungen das Menschen-
und Tierleben einer vorerst unberechenbar weit zurückliegenden
Zeit schildern. Für den sehr beifällig aufgenommenen Vortrag
dankte der Vorsitzende, Hofjuwelier Merk.

Vierzehnter Abend — den 2;. Februar — Vortrag von
Dr. PH. M. Halm über „Fassadenmalerei in Altbayern

und Tirol". Der Vortragende war einer der ersten, die auf
den wert und die künstlerische und kulturelle Bedeutung der
ländlichen Fassadenmalerei aufmerksam machten, jedenfalls aber
der erste, der den Gegenstand einer gründlichen Bearbeitung
unterzog und ihm eine eigene Veröffentlichung widmete. Diese
bildete auch den Kern seines Vortrages und der zahlreichen
Lichtbilder, aus denen nicht nur die Farben- und Bildfreudigkeit
des Landvolkes, sondern auch der eindringende Sammelfleiß des
Vortragenden sprachen. Die älteste oberbayerische Fassaden-
malerei, die vielleicht noch ins ;s. Jahrhundert zurückreicht,
findet sich an einem Hause in Berchtesgaden; besonders hervor-
ragende Beispiele zeigen Ettal, Mittenwald, Füssen und in
Tirol: Reute sowie das <Ötz- und das Pitztal. Es ist ein-
leuchtend, daß all diese Malkunst keine auf dem Lande erwach-
sene, sondern eine aus der Stadt hinausgetragene ist, und daß
demgemäß auch der Kunstwert der erhaltenen Werke nur ein
relativ hoher sein konnte; aber ihr Vorhandensein allein zeugt
von Kunstfreude. Als Ausstrahlungszentrum dafür muß Augs-
burg angesehen werden, wo die Fassadenmalereien von Hans
Burgkmayr, Kager, Bergmiiller u. a. so stark nachgewirkt haben,
daß die Bemalung der Fassaden dort auch noch im Schwung
blieb, als im }8. Jahrhundert an anderen Grten bereits der
Stuckateur die Faffadenansschmückung übernommen hatte. Die
Motive der ländlichen Fassadenmalerei sind vielfach den Kirchen
entlehnt, z. B. Altaraufbauten als Fenster- und Türumrah-
mungen, Heiligenbilder, mit Vorliebe Maria, Nepomuk, Florian,
Nikolaus, Ehristophorus. Daß aber die Farbenfreudigkeit keine
ausschließliche Sondereigenschaft des bayerischen Gebirgsvolkes
darstellt, geht daraus hervor, daß gemalte Möbel ähnlich den
sogenannten Tölzer Möbeln sich u. a. auch in Gberfranken und
Sachsen vorsinden. Der trotz der Faschingszeit sehr gute Besuch
der Versammlung und der reiche Beifall, den der Redner ern-
tete, bewiesen, welche Anziehung der Gegenstand ausübte und
wie sehr dieser die Zuhörerschaft gefesselt.

Fünfzehnter Abend — den 28. Februar — Vortrag von
Staatsbausührer PH. Greiner über „Die Donau von
ihrem Ursprung bis Passau". Ls war eine interessante
Lichtbildreise, die der Vortragende die Zuhörer machen ließ,
eine Reise, die heute im Zeitalter der Eisenbahnen nicht so
leicht vollsührt wird; man begnügt sich eben mit flüchtigen
Berührungen, die man mit dem Fluß hat, und gar manche
landschaftliche, geschichtliche, künstlerische Sehenswürdigkeit geht
dabei verloren. Die Fahrt begann mit dem Besuch der Donau-
quelle im Schloßgarten zu Donaueschingen; es wurde alsdann
der seltsamen Erscheinung des Verschwindens der Donau im
Juragebirge und der Wasserablenkung nach der Radolfzeller Aach
(südlich von Jmmendingen) gedacht, und nun folgten Tuttlingen,
Sigmaringen usw., bis in Ulm ein erster längerer Aufenthalt
gemacht wurde. Das dann folgende Günzburg ist Eisenbahn-
reisenden noch eher bekannt als die weiter abwärts liegenden
Städte Dillingen und Donauwörth; von dem malerischen, viel
zu wenig besuchten Ingolstadt gelaugte man zu dem weltver-
gessen daliegenden Kloster Weltenburg, dann nach Kelheim,
dessen Befreiungshalle ein besonderer Besuch gewidmet wurde.
Uralten Kulturboden betraten die Zuhörer in der Stadt Regens-
burg und nicht minder — nach flüchtigen Besuchen der Wal-
halla sowie Straubings und Deggendorfs — in Paffau, dessen
malerische Lage und abwechslungsreiches Stadtbild einen würdigen
Schluß der anmutigen Donaufahrt bildeten.

verantw. Red.: prof. £. (55meIin. — Herausgegeben vorn ütiyer, Nunslgewerbeverein.

Druck und Verlag von R. Vldenbourg, München.
 
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