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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

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Lasser, Moritz Otto von: Moderne Restaurants und Warenhäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0257

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Moderne Restaurants und Warenhäuser.

445. Zierleiste von F. Roth, Mainz.

Es ist nun selbstverständlich, daß unter solchen
Zuständen eine wirkliche Aultur nicht Platz greifen
kann, es ist leicht einzusehen, daß der Rückschlag
unserer Zeitströmung den Aünsten zwar auch nützen
könnte, aber meistens schadet. Zawohl, unsere Zeit
könnte den Aünsten nützen, da sie ja über größere
Gebiete der Betätigung verfügt als andere Epochen,
der Schaden aber, den sie bewirkt, ist ihr nivellieren-
der Einfluß....

So wurde der Geschmack verpöbelt, wurden die
Begriffe verwirrt. Man weiß heute nur mehr un-
klar, was für Anforderungen an die bauliche Ge-
staltung einer Airche, eines monumentalen Objektes,
an das schlichte Wohnhaus man stellen soll. Die
Technik weiß freilich überall Bescheid, aber Wissen-
schaft ist eben doch nicht Aunst.

Nun herrscht also ein wahrer Rattenkönig von
Ansichten namentlich auf dein Gebiete der monu-
mentalen Architektur, und als unzeitgemäß
werden höhnisch ihre Werke belächelt. Andernteils...
man entbehrt ihren Schmuck doch nicht gerne, und
wer von dem Palais des Fürsten und der hinan-
strebenden Palle des Gotteshauses nichts wissen will,
der möchte dennoch sonst und anderswo die be-
krönende Auppel, den Pomp und die Eleganz schlanker
Säulen nicht missen. Auch will man durch seine
Umgebung, ich meine hier durch diverse Znnen-
räume, möglichst vornehm bedient sein, und siehe!
all diesen schönen Wünschen ist der Aaufmann schon
wieder zuvorgekommen. Denn was uns an Airchen
und Fürstenhäfen fehlt, ersetzen wir durch •— Waren-
häuser, und darf unser Fuß die Schwelle aristokra-
tischer Prunkgemächer nicht betreten, so müssen —
der Laden, das Restaurant, das Tafe Ersatz bieten!

Zu diesen neuesten Errungenschaften —. dem
modernen Restaurantpalais und dem modernen
Warenhauspalais — fei nun heute hier und wird
auch sonst noch Stellung genommen werden. Um

solchen Objekten gegenüber aber den richtigen Stand-
punkt zu gewinnen, ist es zunächst freilich nötig, vom
Thema abzuschweifen; wir wollen uns also vor-
läufig mit scheinbar ganz anderen Dingen, Bild
und Rahmen, beschäftigen. Uber das Verhältnis
vom Bilde zum Rahmen ist sich wohl niemand im
Unklaren. Schwarz - Weiß - Aunst will anders ge-
rahmt fein als ein Aquarell, Pastell rc.; ein kleines
niederländisches Aabinettbildchen anders als ein
großes in Freilicht getauchtes Gemälde; doch sehen
wir überall das Prinzip gewahrt, daß der Rahmen
dem Bilde zu dienen habe, und nicht umgekehrt.
Wie häßlich wirkt es, tritt dennoch der letztere Fall
ein. Ein Blick, in das Schaufenster eines Vergolder-
ladens geworfen, vermag davon zu überzeugen. Pier
kommt es ja vor, daß ein schlechtes Bild „nur zur
Füllung" eines schweren, an sich sehr schönen Rah-
inens verwendet erscheint. Der Eindruck einer solchen
„Aufmachung" ist nun, wie schon erwähnt, alles
andere eher denn erfreulich, freilich noch trauriger
berührt es zu sehen, wie auch sonst oft im Leben
die beiden Werte Bild und Rahmen verwechselt
werden.

paben wir uns vom eigentlichen Thema weit
entfernt? Wir glauben es nicht, jedenfalls kehren
wir nunmehr zum Warenpalais, zum palaisartig
gehaltenen Restaurant zurück. Ls gibt derartige
Etabliffements in Wien, in München und anders-
wo, aber deshalb, weil solche Restaurants da find,
ist ihre Daseinsberechtigung noch lange nicht erwiesen.
Denn was will man vom Wirte? Line gute Aüche,
gutes Getränk, eine aufmerksame Bedienung. Wenn
genügend Lektüre ausliegt, ist es gut, und wenn man
keine enormen Preise zu zahlen hat, wird man das
Lokal weiter empfehlen. Natürlich soll auch überall
Reinlichkeit herrschen, für gute Beheizung, genügende
Ventilation und ruhiges Licht muß gesorgt sein,
ferner will man sein Mahl oder seinen Aaffee in
einem freundlichen, ansprechend gestalteten Raum ein-
nehmen. Jedenfalls will man aber die
Pauptperson in dem Raum sein und bleiben,
und schönstens bedankt man sich dafür, nur als ge-
duldete Staffage angesehen zu werden. Das ist man
nun im Palaisrestaurant stets. Überdies ist es jedem
feiner Empfindenden zuwider, eine Mahlzeit —
und mag sie aus noch so vielen Gängen bestehen
und noch so teuer kommen •— zu einer Art Fest
aufgebauscht zu sehen, zu einem Feste, bei dem
obendrein dem Gaste kommandiert wird, wie er sich
zu benehmen, was er zu tun und zu lassen habe rc.
Sehr richtig und geistvoll hat sich erst unlängst zu
diesem Thema Richard Nordhausen - Berlin in den
„Münch. N. Nachr." geäußert. Unter anderem

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