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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

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Gmelin, L.: Leonhard Romeis
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https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0341

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£et5iil|cu'b Romcis f.

und den unerläßlichen Fleiß mitgebracht hatte, durch
die hier geübte strenge Zucht daran gehindert wor-
den sein, den im letzten Jahrzehnt eröffneten Pfaden
zu folgen."

„Romeis selbst verhielt sich zwar dem sogenannten
modernen Stil gegenüber zurückhaltend; aber, wie
seine Masse bei der Schulausstellung des letzten
Sommers gezeigt hat, nicht aus grundsätzlicher Anti
pathie, sondern nur, weil ihm die Ausschreitungen
der Extremen — z. B. auf dem Gebiet der Innen-
ausstattung, des Mobiliars ufw. — als unreife Ver-
suche nicht geeignet schienen, im Bereich seines Lehr-
auftrages eine Rolle zu spielen." Der Eifer, den
Romeis als Lehrer entwickelte, wird vielleicht durch
nichts deutlicher veranschaulicht als durch die Tat-
sache, daß es ihm nicht darauf ankam, auch von
seiner Ferienzeit etwas zu opfern, wenn es galt,
einein strebsamen Schüler rasch weiter zu helfen.

Patte Romeis schon durch Iugendeindrücke, durch
sein Fachstudium und besonders durch feine italienische
Studienreise die Richtung für sein Schaffen bekommen,
so ist es doch seinen ersten Bauaufträgen zuzuschreiben,
daß er gewissermaßen auf das eklektische Schaffen
verpflichtet wurde. Es war im Jahre s880, als
Prof. Anton peß, damals Lehrer für Bildhauerei
an der Aunstgewerbeschule, seine seit Jahren ge-
sammelten Schätze an Täfelungen, Plafonds, Ofen,
Gittern, Wandkästchen, Schlössern, Türen, Möbel zu
einem einheitlichen penn zusammenzubauen wünschte
und er dem jungen Aollegen Romeis den Auftrag
gab, ein Familienhäuschen in diesem Sinne zu ent-
werfen. Gab es da eine andere Wahl als mög-
lichst treue Anlehnung an die in den vorhandenen
Antiquitäten vertretenen Stilarten? Und doch wollte
es lange nicht gelingen, die nötige Übereinstimmung
von Innen und Außen zu finden, bis Romeis auf
einer Gsterreise Schlösser, Land- und Bauernhäuser rc.
aus der Renaissancezeit in Südtirol einem eingehen-
den Studium unterzog, wobei er vermöge seiner
sicheren Beobachtungsgabe und seines unermüdlichen
Fleißes in kurzer Zeit eine Fülle von Baugedanken
in seinem untrüglichen Formengedächtnis aufspeicherte;
nun ging's. Und zwar so gut, der Bau wirkte so
überzeugend, daß Eduard Grützner, der sich zu dieser
Zeit auch mit ähnlichen Baugedanken trug, aber
mit seinem bisherigen Bauplan je länger, je unzu-
friedener wurde, den alten plan verwarf und gleich-
falls Romeis zu feinem Architekten wählte — und
nicht zu feinem Schaden: aus den vorhandenen alten
Bauteilen ist ein durchaus befriedigendes neues päus-
chen geworden, das jeden, der es durchwandert, in
die Stimmung versetzt, als treibe er sich in einem
alten Schloß oder perrfchaftssitz herum, der in Uber-

ctsch, oder bei Bozen oder Meran steht. Was liegt
einem Maler, dessen ganze künstlerische Phantasie
sich auf dein Boden und in der Zeit bewegt, denen
diese Reliquien entsprungen sind, näher, als sich da-
mit in möglichster Fülle und parmonie zu umgeben,
um daraus stets wieder neue Nahrung unb An-
regung zu schöpfen oder direkt die Motive für seine
Bilder zu entnehmen? Rann man es einem Archi-
tekten billigerweise zun: Vorwurf machen, wenn er
solchen Neigungen und Wünschen gerne nachgibt,
ja sie allmählich zu seinen eigenen macht? Die beiden
päuser peß und Grützner (zu denen sich als drittes
das des Vr. Gg. pirth gesellte) die alle vor Mitte
der achtziger Jahre entstanden sind, waren aber für
Romeis die Marksteine des Weges, den er von nun
an in stilistischer pinsicht beschritt; hat er sich wohl
auch in alle anderen Stilarten — ausgenommen etwa
die vorgriechischen und das Empire — hineinge-
funden und sich darin betätigt, so hing er doch mit
ganz besonderer Liebe an der Gotik und der deutschen
Renaissance.

Das war nur natürlich. Er hatte Gelegenheit
gehabt, durch den vertraulichen Umgang mit alten
Originalen deren Wesen aufs eingehendste kennen
zu lernen; und wenn andere Architekten sich darauf
beschränken müssen, sich durch Abzeichnen und Ver-
messen ■—■ wenn nicht das noll me tangere der
Museen in den Weg tritt — mit den Dingen ober-
flächlich bekannt zu machen, so konnte er die Türen,
Vertäfelungen, Plafonds rc. nach ihrer ganzen Aon-
struktionsweise studieren. Es hätte seltsam zugehen
müssen, wenn sich daraus nicht eine große Vorliebe
und eine sichere Beherrschung der deutschen Renais-
sance entwickelt hätte.

Neben der im Auftrag des Freiherrn Franz
von Lipperheide (s8ß0—92) unternommenen Innen-
ausstattung des Schlosses Matzen (bei Brixleggp)
war es besonders der Edelsitz des Freiherrn von Liebig
in Frankfurt a. M., der die reichste Gelegenheit gab,
der Freude an der Gotik und der deutschen Früh-
renaissance einmal die Zügel schießen zu lassen. Auch
hier lag, wie bei den oben genannten Münchener
päusern, ein gewisser Zwang vor, sich in diesen Stil -
arten zu bewegen; denn der Bauherr wollte sein
paus zugleich als Museum für die zahlreichen und
wertvollen von ihm gesammelten Altertümer aus-
gestattet wissen. Aber die großen Geldmittel, die
hier zur Verfügung standen, ließen der künstlerischen
Phantasie zahlreiche Wege offen und gestatteten ihr
freiere Bewegung; so entstand der so charakte-
ristische Edelsitz (Abb. 6 s3), aus dessen zahlreichen,

h Vgl. Jahrg. 1902, S. 282 u- 283.

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