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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Stiassny, Robert: Die internationale Jubiläumsausstellung in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0196

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379

Die internationale Jubilüumsausstellung in Wien.

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Professor I. Deininger eine durch die Einfach-
heit der Mittel überraschend glückliche Lösung ge-
funden. Die Außenarchitektur des Weberschen Hauses
von 1868, wie der von Streit uud Schachner 1882
aufgeführten Flügelbauten und des Hintertraktes blieb
intakt. Nur der Sondereingang der letzteren wurde
geschlossen und sein Vestibül in einen Mittel- und
zwei kleinere Seitenräume, die sämtlich Oberlicht er-
hielten, gegliedert. Der ehedem hier anstoßeude Hof
präsentirt sich gegenwärtig als eine lnftige, von vier
ionischen Sänlen dreischiffig unterteilte, zweigeschos-
sige Centralhalle, die durch ihr hohes Seitenlicht für
die Aufstellung von Skulpturen die günstigsten Be-
dingungen gewährt. Ein verschaltes Kappengewölbe
bildet die Decke, Rundbogenblenden, die ihrem Fresken-
schmucke noch entgegenharren nnd vorlänfig mit Go-
belins verhängt sind, beleben den Obergaden. Gegen
diesen Hanptranm öffnet sich mit drei neugebrochenen
breiten Pforten der geschmackvoll mit Täfelungen ver-
kleidete einstige Repräsentationssaal, der jetzt als
Büffetraum einer hnmaneren Bestimmung geweiht ist.
Jhn in gerader Richtung dnrchschreitend, gelangt man
in das alte Vestibül, das durch Losschälung der Stiege
aus den wuchtenden Seitenmauern nnd den dunklen
Gängen darunter in ein monumentales, dnrch die
ganze Hohe des Gebäudes ansteigendes Treppenhaus
umgewandelt erscheint. Allenthalben wurden Seiten-
beleuchtnngen durch Oberlichter ersetzt — vieüeicht hat
man in diesem Punkte des Guten zu viel gethan —,
diese selbst, wo schon vorhanden, erweitert, die Niveau-
disferenzen zwischen dem Büffet- und den den alten
Bau flankirenden Kuppelsälen um vier Stufen er-
niedrigt. Da die letzteren wie die angrenzenden ehe-
maligen Loggienzimmer mit dem deutschen und fran-
zvsischen (jetzt internationalen) Saale in unmittelbare
Verbindung gebracht wurden, durchschneiden nunmehr
drei Querachsen die ganze Breite des Hauses, gegen
welche senkrecht die beiden in das Vestibül mündenden
Längsachsen laufen. So gestaltet sich die Orientirnng
durchaus mühelos und beschenkt uns von allen Punkten
mit malerischen Durchblicken.

Diese auf ein malerisches Gesamtbild abzielende
Tendenz war offenbar nicht nur in den einzelnen
Sälen oberstes Hängegesetz, sondern durchwaltet die
Raumdisposition im Hause überhaupt, die sich, wie
die fünf internationalen Säle beweisen, hüufig genug
über die strenge Länderscheide hinwegsetzt. Allein
wir nehmen selbst den dekorativen Beigeschmack, von
stellenweise starker Würze, willig in den Kauf gegen
das wohlige, stimmungsvolle Jnterienr, das uns ge-
boten wird und jede Erinnerung an die übliche Kunst-
markthalle mit ängstlicher Beflissenheit bannen zu wollen
scheint. Kann doch auf diesem Wege allein die ganze

Heimatlosigkeit der modernen Kunst, ihre Findelhaus-
existenz, für die eben das Notdach unserer Aus-
stellungen gezimmert wnrde, in ein erträglicheres Licht
gerückt werden!

Quantitativ am stärksten erscheintnatürlich Öster-
reich vertreten, das mit rund achthalbhundert Num-
mern — von den 1456 der gesamten Exposition
— fünfzehn Räunie füllt. Jm Flure, Mittelsaal und
einem Kabinette des ersten Stockwerks ist die histo-
rische Ausstellung einqnartiert, eine Art Antho-
logie der Wiener Kunst aus den letzten vierzig Jahren,
in der jedoch Waldmüller, Führich, die Landschafter
und Gauermann, Amerling und Canon mehr zu ihrem
Rechte kommen als Rahl und die historische Schule.
Da der ins Auge gefaßte Zeitabschnitt mit keiner
kunstgeschichtlichen Epoche znsammenfällt und die Ein-
reihung in diese Abteilnng lediglich von dem äußeren
Umstande abhängig gemacht werden mnßte, ob der be-
treffende Künstler bereits aus dem Leben geschieden
sei, hat z. B. der erzmoderne Makart hier seinen Platz
erhalten, indes manche Leinwand, vor der man sich,
obwohl ihr Anstifter noch unserZeitgenosse ist, bedenklich
historisch, ja zuweilen prähistorisch angemutet fühlt, dnrch
eine Jronie — bloß des Zufalls? — unter die Jungen
und Jüngsten verwiesen ward. Von den lebenden, glück-
licherweise noch nicht historisch gewordenen Meistern ge-
bührt Angeli für seine vier köstlichen Porträts ein
Salutschuß der Kritik. Die Landschaft beherrschen
Lichtenfels, Ruß,Darnaut, Schäffer, Schindler,
Obermüllner, im Genre ragen Engen und Jul. v.
Blaas, Charlemont, Probst, Ruben, Merode
hervor; heilige Gegenstände behandeln mit Erfolg
Bernatzik, F. A. Seligmann, Golz, Krämer.
Vielbemerkt wird eine Gruppe jüngerer Talente,
die mit humoristischer Ader, „reschem" Strich, einem
Paar saftiger Lokaltöne auf der Palette begabt,
das intim wienerische Sittenbild anbauen. Aqnarelle
und Pastelle von erlesenem Wert geben Passini,
beide Alts, Fröschl, Trentin, Engelhardt; ein
Vergleich mit dem in einem der Kuppelsäle gesondert
aufgestellten „Schatze der Königin von England",
einem von den englischen Künstlern der Königin
Viktoria zn ihrem vorjährigen Regierungsjubiläum
gespendeten Aquarellenalbum, kann nur zu Gunsten der
österreichischen Knnstler enden. Von bedeutenderen
bildnerischen Werken sei endlich Tilgners Brunnen sür
Preßburg, der mit des Berliner M. Kleins „Ger-
mane im Cirkns" eines der Vorgärtchen des Künstler-
hauses, schmückt, und Myslbecks Gruppe „Rumir
und sein Lied" hervorgehoben.

Überans stattlich läßt sich die ungarische Aus-
stellung mit etwa hnndert Nummern an. Es geht
ein schneidiger, farbenfroher Zng durch die translei-
 
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