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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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König, M.: Noch einmal John Webber und die Erfindung der Lithographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0204

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395 -

Noch eimnal John Webber und die Erfindung der Lithogrcchhie.

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zu einem „Schlusse zu kommen," wie es Herrn Koehler,
ohne geseheu zu haben, beliebt.

Er hat sich, von einem schvn längst gekannten
Verfahren bei graphischen Reproduktionen, welches seit
1776'bis zum Anfange dieses Jahrhnnderts die Herrn
Stapert, — Mairet — und Tudor in Paris, in
ihren Publikationen über die damals in Schwung ge-
kommenen verschiedenen graphischen Erfindungen mit-
teilten, und besonders von den in neuester Zeit von
Maroy und Lalanne wieder angeregten Versuchen
bestimmen lassen, dieselben in den Webberschen Blättern
wiederzufinden, was er sicher unterlassen hätte, wenn
er die Bleistiftzeichnungen und deren Reverse ge-
sehen hätte^).

Aber Herr Koehler war doch nicht ganz sicher,
daß seine Negation vollen Glauben finden werde, da
er es notwendig fand, in seinem Citat aus meinem
Schreiben an ihn vom 23. Jnni 1887, fünf Zeilen,
welche den Beweis liefern, daß alle diese Zeichnungen
Webbers unwiderlegbar für den Nmdruck gemacht wor-
den sind, einfach wegzulassen.

Herr Koehler citirt nämlich iu der „Kunstchronik"
Nr. 5, Sp. 40 eine Stelle aus meiner Beschreibung
des Blattes lo Rannanisr, welches entschieden Webbers
erster größerer Versuch mit seiner Erfindung war,
mit ineiner Mitteilung: „daß der Revers — die 11m-
druckseite — an den besten Stellen kaum, an den
meisten Stellen gar nicht sichtbar war."

Dies schrieb ich allerdings, ich schloß aber diese
Mittcilung in dem obenerwähnten Briefe mit den Wor-
ten: „während die Bleistiftproben an dem oberen, dem
unteren und den beiden Seitenrändern, wellenförmi-
gen Abschnitten vom Steine, mit aller Schärfe kamen."

Jeder Künstler und besonders der für irgend
eine Reproduktion zeichnende weiß, daß nach jeder
Schärfung der Bleistiftspitze der Zeichner Proben
mit der Feinheit derselben auf dem ihm nächst ge-
legeneu Stoffe macht, und solche Proben machte Webber
bei diesem Blatte gleich am Rande derselben.

Diese Bleistiftproben, die voll und kräftig kameu,
lvährend die mit demselben Blei ausgeführte Kom-
position nicht kam, sind eine auffallende Erscheinung,
die gewiß jeden Fachmann, jeden graphischen Künst-
ler, jeden Liebhaber dieses Kunstzweiges, auf die
Jdee führen müßte, daß man es hier mit Umdrucken
zu thun habe.

t) Auf SP. 55 des Koehlerschen Aufsatzes sind zu dem
Passus über die sott »rounä stobinZs durch ein Versehen
des SetzerS die Worte „die kalte Nadel" in Klammern bei-
gefügt worden, als ob dicse eine Übersetzung jenes Aus-
drucks enthielten. Wir konstaliren diesen Jrrtum, der selbst-
verständlich nicht auf Rechnung des Verfasssrs fällt.

Anm. d. Red.

Herr Koehler stellt nun in seinem Artikel „John
Webber und die Erfindung der Lithographie" ein von
E. Tudot in Paris schon anfangs dieses Jahrhunderts
empfohlenes Mittel, um kleine Fehler in lithographi-
schen Umdrucken auf dem Stein zu korrigiren, als
die Technik Webbers hin, und will dadurch die etwa
vorfindlichen Abdrücke dieser Zeichnungen zu gewöhn-
lichen geätzten Radirungen, und zwar in sokt Zrormä
— in weichem Ätzgrund — stempeln.

Herr Koehler behauptet nämlich, Webber habe
sein Zeichnungspapier auf eine mit diesem weichen
Ätzgrund gedeckte Kupferplatte gelegt, seine Zeichnung
angefertigt, und da der weiche Ätzgrund an der Rück-
seite der Zeichnungen unter jedem Striche derselben
haften geblieben ist, durch Wegnahme des bezeichneten
Papiers alle Striche auf demselben von dem zum
Ätzen bestimmten Teile der Platte bloßgelegt und
dann geätzt.

Wenu Herr Koehler die Originalzeichnungen mit
ihren Reversen gesehen hätte, so würde er auf diese
Erklärung nicht gekommen sein; denn es kann wohl
eine Übertragungsfarbe hergestellt werden, mittelst
welcher man diese feinen, eugen Bleistiftstriche erzeugen
kann, welche sich je nach der Perspektive des landschaft-
lichen Gegenstandes von der größten Jntensität des
Bleischwarz oder der Kreide bis in die zartesten, ge-
hauchten Töne durch festere oder schwächere Striche
abstufen; aber es giebt keiuen Ätzgrund, mittelst welches
man solche Tonabstufungen bei einzelnen Strichen
durchführen kann, und zwar durch Abheben des Ätz-
grundes vou der Platte.

Es wäre absolut unmöglich, nicht bei Wegnahme
des Papieres von der Platte, wo doch eben durch die
kräftigeren und sanfteren Striche des Bleistiftes eine
stärkere oder schwächere Kohäsion zwischen solt grounä
und Papier stattfaud, solche irreguläre Furchen in den
Ätzgrund zu reißen, daß nicht die ganze Ätzung komplet
unverständlich gekommen wäre, geschweige daß unter
der schärfsten Lupe jede Kornablösung des Kreide-
tones sichtbar geworden wäre, wie auf diesen 11m-
drucken, die so „zart, leicht, sanft und doch bestimmt
sind", wie Meusel vou den beiden von ihm gesehenen
Blättern sagt und wie diese neunzehn Zeichnungen
und ihre Reverse sind.

Es mußte also ein anderes Verfahren gewesen
sein, das Webber anwendete, als Herr Koehler meint,
und er geht darum uicht mit jenem Ernst vor, den
man derartigen Kunstfragen schuldet, wenn er meine
Ansicht, die von vielen hervorragenden Fachmännern
und Künstlern geteilt ward und wird, „eine unhalt-
bar grundlose Behauptung" nennt, „der mau für imnier
dpn Todesstoß zu geben habe."

Er stellt die Frage, „welchem llmstande diese
 
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