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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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König, M.: Noch einmal John Webber und die Erfindung der Lithographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0205

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Noch einmal John Webber und die Erfindung der Lithographie.

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Blätter ihre Entstehung verdanken" — soll wohl heißen
„welcher Technik" —mit dem Ausrufe auf: „nichts ist
leichter als die Beantwortung dieser Frage!"

Jch nehme es nun nicht so leicht wic Herr Koehler,
die Frage: „mit welchem Verfahren es Webber ge-
lang diese in Zeichnung wie im Umdruck wahrhaft
künstlerisch ausgeführten Blätter herzustellen," zu be-
antworten; aber ich glaube, daß mit etwas Häresie gegen
das Dogma „Senefelder ist der Erfinder der Litho-
graphie", jeder unbefangcne Beurteiler der 19 Zeich-
nungen und ihrer Reverse, und selbst Herr Koehler
wenn er sie gesehen hätte, das von Webber angewendete
Mittel erkennen würde.

Webber bediente sich nach meinem Dafürhalten,
zur Herstellung der Drucke unmittelbar von seinen
Zeichnungen, eines Mediums, eines doppeltwirkendeu
Mittels, erstens, um dasselbe auf den Stein zu über-
lragen und zweitens, um nötigenfalls den Abdruck im
Zeichnungssinne machen zu können.

Er färbte ein sehr dünnes, äußerst feinfädiges
Taffetblatt auf beiden Seiten mit fein gestoßener ge-
Pulverter schwarzer Kreide, die er sich wohl selbst
präparirte und zum gewünschten Ton gestimmt hatte,
welche er mit einem nicht zu flüssigen Fettstoff zu
cinem weichen Farbenteig anrieb.

Dieses Stück Taffet preßte er zwischen weißem
Druckpapier, um das etwa Nberflüssige der Farbe auf-
zusaugen, so daß es nur unter mehr oder minder
starkem Drncke, diesem entsprechend Farbe abgab.

Nun legte er seinen Taffet, der etwas breiter und
höher als seine beabsichtigte Zeichnung war, auf den
zur Ausnahme der Farbe präparirten Stein, der wieder
um einige Zolle breiter und hvher war, als die Zeich-
nung sein sollte, und befestigte ihn an den Ecken und
an einzelnen Stellen der Ränder, in strammer Spann-
nng, mit Gummi auf dem Stein.

Auf diesen Taffet legte er nun sein feines Zeichen-
Papier und befestigte es ebenfalls an den Ecken und
Randstellen mit Gummi, nachdem er es etwas ange-
feuchtet hatte.

Sobald das Papier, welches durch seine Feuchtig-
keit nicht von dem Fette der Farbe des Seidenstoffes,
sowie dieser nicht von der Feuchte des Papieres affizirt
werden konnte, trocken geworden war, begann er seine
Zeichnung.

Da bei der beabsichtigten leichten Farbenabgabe
des Seidenstoffes, sowohl auf den unter ihm besind-
lichen Stein als auch auf das auf ihm liegende Papier,
jeder noch so leichte Druck auf das Papier vermieden
werden mußte, so bediente er sich der bekannten, breiten,
auf sehr niederen Rädchen an ihren beiden Enden,
auf den Rändern des Steines laufenden Eisenschiene,
welche der Hand wie dem Arme Stütze war und zu-

gleich ihre freie Bewegung nach allen Seiten der
Zeichnung gestattete, ohne daß dieselbe einem anderen
Kontakt mit dem unter ihr befindlichen Medium aus-
gesetzt war, als jener der Bleistiftspitze des Zeichners.

Die sehr geringe Entfernung der Schiene vom
Papier, durch die kaum vier Linien im Durchmesser
haltenden vier Rädchen an deren Enden, ermöglichtc
jene Nähe der zeichnenden Hand zn dem Papiere,
welche die Feinheit seiner Zeichnung erforderte.

Webber konnte durch diesen einfachen Apparat
seine Zeichnung von allen Seiten beginnen, fortsetzen,
Vvllenden, die ganze Papierfläche vor jedem anderen
Drucke als dem seiner Bleistiftspitze bewahren, ohne
besorgen zu müssen, daß ein zufälliger Druck der Hand
oder des Armes, sowohl den Abdruck auf dem Stein,
als auch jenen auf der Rückseite der Zeichnung unrein
oder fleckig machen könne.

Die besondere Reinheit, die auf den Reversen der
Zeichnungen und in den Ilmdrucken selbst ersichtlich
ist, war nnr durch die Anwendung dieses Verfahrens
möglich.

Jch habe ein ähnliches Verfahren in den Jahren
1850 nnd später in der Steindruckerei des Wiener
Lithographen Rauh, sowie von dem bekannten fran-
zösischen Maler und Zeichner Raffet anwenden sehen:
dasselbe ist auch schon in den erwähnten Werken Sta-
perts, Mairets und Tndvts rc. allerdings in etwas
primitiver Art empfohlen.

Die wesentlichsten Vorbereitungen für den „Um-
druck" und „Abdrnck" der Zeichnungen warcn somit
gemacht. Webber schnitt die Zeichnungen und den
Seidenstoff ab, in wellenförmigen Linien, welche den
Stellen, an denen der Gummi zum Festhalten der Seide
und des Papieres war, answichen, und die Kreide-
zeichnung war auf dem Stein im Zeichnungssinne,
auf der Rückseite der Bleistiftzeichnung im Gegensinne.

Nun ätzte Webber seinen Stein mit den bekannten
Mordants, und seine Abdrücke ergaben dann jene
reizenden, krästigen Drucke ini Gegensinne der Bleistift-
zeichnung, wie dieselben auch auf den Reversen der acht-
zehn Blätter meiner Sammlung erscheinen.

Nachdem Herr Koehler am Schlusse seines Ar-
tikels nochmals die Behauptung ansspricht: „daß
scine Anseinandersetzung meiner lithographischen Um-
drucks-Hypothese allen Grnnd und Boden benehme"
und Webber somit feierlichst als nicht zuständig ans
der Geschichte der Lithographie landesverwiesen hat,
sagt er wohl im Gefühle, daß doch Jrren menschlich
sei: „Um aber die Angelegenheit endgiltig zum
Schlusse zu bringen, wärc es dvch wünschenswert, die
Webberschen Drucke selbst Zeugnis ablegen zu lassen."

Daran schließt sich ein Appell an „alle Vorsteher
öffentlicher Kabinette und Eigentümer von Privat-
 
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