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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Die Wiener Stadterweiterung und die Donauregulierung
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Die Wiener Stadterweiterung und die Donauregulirung.

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kannten von Kink, Löhr und Zettel, svtvie mehrere
andere Entwnrfe und eine von Hansen anßerhalb der
Konkurrenz entworfeue Skizze ausgestellt. Heute —
nach dreißig Jahren — ist es sehr anregend, zu
beobachten, welche Vorstellung damals selbst die her-
vorragendsten Fachmänner von der Ausfuhrung und
dem Umfange der Stadterweiternng hatten. Das
Werk ist seitdem seinen Urhebern zehnfach über den
Kopf gewachsen, doch hat sich in demselben Maße
auch die Leistungsfähigkeit der daran beteiligten
Kräfte gesteigert. Wie einfach dachte man sich da-
mals noch das kolossale Unternehmen! Neben den
umfangreich projektirten öffentlichen Bauten glaubte
man mit einigen Parzellen für nene Wohngebäude
auskommen zu können und wollte nicht nur den Pa-
radeplatz nnverbaut lassen, sondern außerdem noch
einen großen Theil des Glacis iu Gartenanlagen
rmd Alleen Verwandeln. Man schien damals noch
keine Jdee von der Steigerung jenes Bedürfnisses zu
haben, welches die Stadterweiterung notwendig ge-
macht hat. Dagegen springt anf nllen Projekten mit
greller Deutlichkeit jener Grundfehler in die Angen,
der von vornherein den konkurrirenden Architekten
zur Pflicht gemacht worden war und an dessen Aus-
gleichung nun mnhselig gearbeitet werden muß: die
Ringstraße, die sich auf nllen Plänen breit auf das
frühere Glacisterrain hinlegt und die Anlage zweck-
mäßiger Längenstraßen aus dem Jnnern der Stadt
unmöglich machte. Nicht ein einziger der koukurri-
renden Architekteir machte den Versuch, diesem ver-
hängnisvollen Fehler auszuweichen, und die Ring-
straße ist fast auf allen Plänen wie nach der Schablone
vorgezeichnet. Selbst wenn man den anf Grund der
prämiirten Projekte 1859 ausgearbeiteten offiziellen
Stadterweiterungsplan überblickt, erkennt man, daß
eigentlich nur das Polygon der Ringstraße nach jenem
Plane ausgefnhrt worden ist, alle anderen Details
desselben aber schon in den nächsten Jähren eine voll-
ständige Veränderung erfahren haben.

Von allen damals projektirten öffentlichen Ge-
bäuden kamen eigentlich nur drei auf die ursprünglich
dazu bestimmten Plätze zu stehen: die Hofoper, das
neue Burgtheater und die große Kaserne an der
Augartenbrücke. Dieselbe sollte als Unterpfand der
öffentlichen Ruhe und Ordnnng das Gegenstück der
nach 1848 errichteten Defensivkaserne am andern Ende
der innern Stadt bilden. Heute ist deren Demolirung
bereits eine beschlossene Sache, und man darf wohl
die Frage aufwerfen, wie lange noch ihr Gegenstück
stehen bleiben wird? Man sieht es dem Stadterwei-
terungsplane von 1859 überhaupt an, daß er noch
unter dem Einflusse des nach 1848 herrschend gewe-
senen Argwohns und Mißtraueus entstanden war.

Statt der Blockhüuser auf den Basteien sollten be-
festigte Wachhäuser auf der Riugstraße errichtet wer-
den. Man denke nur — befestigte Wachhäuser auf
dem Schwarzenbergplatz nnd vor dem Schottenthor!
An Stelle der beiden Hofmuseen war auf der einen
Seite eine große Kaserne der Garden, auf der andern
Seite das Stadt- und General-Kommando projektirt.
Jm Geiste jener Zeit hätte auch ein gotisches Uni-
versitätsgebäude den Hintergrund der Votivkirche bil-
den sollen. Wer dachte damals an ein Parlament?
Das neue Rathaus sollte sich nm Schottenring an
Stelle der Börse erheben, und mitten auf den Rndolphs-
platz wollte man eine große Kirche stellen. Noch viele
solche bemerkenswerte und bezeichnende Einzelheiten
drängen sich beim Vergleichen der projektirten und
der verwirklichten Stadterweiterung dem heutigen Be-
schauer auf, als ebensoviele Beweise, daß der Geist
der Zeit stärker ist als alle anderen Kräfte und Ge-
walten. Wie viele Projekte von Denkmülern und
Bauten sieht man noch ausgestellt, die alle auf dem
Papier stehen geblieben sind und an deren Stelle
heute gaicz andere Werke der Architektur und Plastik
stehen! Aber auch manchen glücklichen Gedanken findet
man da, der noch heute der Verwirklichung wert
wäre, so zum Beispiel das große Reiterstandbild, das
Förster auf einer seiner Skizzen vor die Votivkirche
gestellt hat.

Nebst den Plänen und Projekten der Stadter-
weiterung sind nvch die Entwürfe und Modelle der
sechs großen Monumentalwerke, welche aus den Mitteln
des Stadterweiterungsfonds durch die Hofbaukom-
mission errichtet wurden, nnd Proben ihres plastischen
und malerischen Schmuckes ausgestellt. Es sind dies
die Hofoper, die beiden Hofmuseen, das nene Burg-
theater, der künftige Neubau der Burg und das
Maria-Theresia-Denkmal. Welche Fülle von künst-
lerischer Arbeit, von Kunstwerken ersten Ranges und
von dekorativem Schmuck sieht man da vereinigt,
woran eine ganze Generation der Wiener Künstler-
schaft Gelegenheit fand, sich für die größten Aufgaben
zu schulen und heranzubilden! Eine solche Summe
künstlerischer Leistungen sindet man wohl in keiner
zweiten Großstadt innerhalb eines so kleinen Kreises
vereinigt, der überdies von den Bauten eines Ferstel,
Hansen und Schmidt eingeschlossen ist. An die Meister,
denen die schwierige Aufgabe zugefallen war, mit den
veralteten Traditionen zu brechen und den Grund
zu der neuen Kunstepoche zu legen — an Van der
Nüll und Siecardsburg — erinnert die Fassade der
Hofoper; an ihre Mitarbeiter mahnen die Entwürfe
für den Bilderschmuck der Bühuenvorhänge. Einen
vollständigen Einblick erhält man durch die Ausstellung
in den Doppelbau der beiden Hofmuseen. Man sieht
 
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