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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Heilbut, Emil: Der Salon von 1888, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0317

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Der Salon von 1888.

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zuzumessen, und stets die Persönliche Note im Sack
zu haben für den, der das Wort nicht verdient. Und
noch ein zweites drängt sich auf: daß die Note Manets
und die Note Puvis' de Chavannes das Nachahmen
weniger vorteilbringend erscheinen läßt, als die Noten
Rembrandts und Perugino's; in den Händen von nicht
Hvchstbegabten wird die neue Note zur nnerfreulichen
Geißel eben für den, der die Erfinder dieser Noten
hoch halten möchte. Puvis de Chavannes erscheint
dem Verfasser als ein feiner, fast als ein großer
Künstler; um so weher thnn ihm die Gesellen, welche
mit Puvis' Skala und mit Pnvis' Gesten und mit
der ihm eigenen dumpfen Harmonie schlecht haus-
halten. Sieht man die großen Tafeln an, die im
Salon von 1888 die neue Methode der Manerdekora-
tion vorführen,

Stofse wie: die
Mutterliebe, der
Sommerabend,
dcr heil. Hubert,
der blaue Früh-
ling, die Me-
lancholie — in
matter Haltung,
die nicht ohne
Reiz, aber ent-
setzlich manierirt
ist, von diesen
jungen Leuten
nach demDutzend
behandelt, so muß
man sehr stark
in der Liebe zu
Puvis de Cha-
vannes sein, um
nicht den Meister entgelten zu lassen, was die Schüler
anrichteten. Dieselbe Gefahr zeigt sich unserer Ach-
tung vor der neuen realistischen Strömnng: vermögen
diese jungen Herren von der Welt nur die kleinen
Stücke zu erkennen, welche man an den Seinenfern im
Sommer erlebt, dann ist es mit ihrem Realismus
der Weltansicht nicht weit her; sie sind keine bedeuten-
den Künstler, nnd sie haben keinen universalen Realis-
mus und noch wartet die Malerei auf ihre Balzacs
und auf ihre Zola's; die Welt ist größer als die Seine/
und sie ist vielseitiger als sich solch ein Malerhirn
träumen läßt. Es giebt mehr, das sehenswert ist,
als Pfähle einer Brücke, die sich in Sommerluft baden,
und drei Zweige mit Laub, die sich von der Luft ab-
setzen; und es giebt mehr Gedanken, als diese jnngen
Leute haben, und bessere Konversation, als die ist,
die beim Landanfenthalte zwischen ihnen gemacht
wird. Jch glaube nicht, daß wir uns damit begnügen

dürfen, in solchen Schildereien des Landanfenthaltes
in der Sonne nun den neuen Naturalismus aufge-
standen zu sehen. Das nnsere Welt? Das heißt
eine Welt! Wir können doch nicht alle Maler und
Malermodelle sein.

Der Pariser, ich fürchte maßgebende, Geschmack
scheint aber in dieser Art von Schildernngen schon
eine endgültige Befriedignng zu finden, nnd er jubelt
ihnen das Frenndlichste seines Beifalls zu. Er wünscht
nnd erwartet die helle Tapete, fast alles andere ist
ihm: vienx jsn, und so erblicken wir nnzählige dieser
zwar heiteren, lachenden, angenehmen Bilder im
Salon.

Ans der Ausstellung im Vatikan, welche die Ge-
schenke an den Papst vorführt, erzählen die Berichte,

daß man in
einem der Höfe
ein fortdauern-
des Glockenklin-
gen höre; in
diesem Ranm
sind die geschenk-
ten Glocken aus-
gestellt, und kei-
ner der Römer
kann hindurch-
gehen, ohne sich
es zu versagen,
sie in Schwin-
gung zu setzen.
Der Römer hat
einen angebore-
nen Trieb, alle-
zeit möglichst
viel Lärm zu
machen und eine große Neigung, nicht zu laffen, was die
andern thun; und die lateinischen Maler an der Seine
ihrerseits haben, von merkwürdigenMännern aufgestellt,
ein Geschenk gefunden: eine Malerei, welche fich nicht auf
die altgewohnten Wirkungen des Helldunkels anfbaut,
sondern auch mit ganz hellen Farben zu mächtigen Wir-
kungen aufsteigen kann, und jeder denkt nun im
Vorübergehen: auch ich will diesen Klang versnchen.
Das Geschenk aber ist sür diejenigen, die nichts zu
sagen haben, ein leeres, ein wahrhaftes Danaergeschenk,
der Klang, wenn ihn die Allgemeinheit anstimmt,
schlimm wie das Glockengebimmel im Vatikan, nnd nnr
die Pariser Kritik ist gefülliger als der nervöse deutsche
Gast der päpstlichen Ausstellnng, denn sie ruft jedeni,
der die Glocke anschlägt, entzückt entgegen: „Wie per-
sönlich ist doch deine Note!"

Nnn möchte ich aber nicht die Meinung erwecken,
als ob der Salon einen Mangel an gnten Arbeiten

I. Laronze: OrSxusouIe.
 
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