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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Rosenberg, Adolf: Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [2]
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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

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gelben Fond, einem Vestibül oder ähnlichen Rcmme
abhebend. Schon vor fünf Jahren hat man Emile
Wanters die große goldene Medaille zuerkannt, eine
Auszeichnung, welche bei der starken Verhimmelnng,
die man in Berlin allem Auslttndischen entgegenbringt,
zwar nicht weiter auffiel, deren damalige Berechtigung
aber doch sehr in Zweifel gezogen wurde. Jetzt hat
der Belgier sie unzweifelhaft verdient. Wir können
uns zwar mit dem Bewußtsein trösten, daß auch in
Belgien Männer wie Wanters sehr vereinzelt vor-
kommen, nnd überdies müssen wir von neuem in
Erinnerung bringen, daß eine unter so nngünstigen
Verhaltnissen erzwnngene Ausstellung wie die dies-
jährige Berliner nicht als Maßstab für absolute Ftthig-
keiten gelten kann. Gleichwohl lüßt sich nicht ver-
kennen, daß in der deutschen Porträtncalerei ein
Stillstand, hie und da sogar ein Rückgang eingetreten
ist. Wohl hat Karl Gussow in einem Brustbilde
des Erbaners des Reichtstagsgebüudes Paul Wallot
den Versuch gemacht, auf die flotte Energie seiner
früheren Darstellungsart znrückzugreifen; aber es ist
nur eine halbe Maßregel, und wie wenig ernst es
ihni damit ist, zeigt das bis zur äußersten, metallar-
tigen Glätte getriebene Bildnis einer Dame und das
Porträt des Dichters Julins Wolff, welches die feinen,
durchgeistigten Züge des liederfrvhen Rhapsoden doch
nur von der Oberfläche erfaßt, mehr als Maske denn
als Spiegel von Verstand und Herz wiedergegeben
hat. Von den übrigen Berliner Portrtttmalern, die
auf der Aufstellung vertreten sind — nnd es fehlt
kaum einer von den namhafteren — hat es nicht ein
einziger verstanden, sich über das Mittelmaß einer an-
stttndigcn Durchschnittsleistung zn erheben, und vicle
sind sogar noch unter demselben geblieben. Wir nennen
nur die Namen G. Graef, F. Paulsen, der eine
Zeitlang Miene machte, fich als Ersatzmann Gnstav
Richters herauszubildcn, schließlich aber in der blvßen
Rontine stecken geblieben ist, Graf Harra ch, F. Encke,
M. Koner, G. Biermann, Panl Spangenberg,
H. Bürck, N. Schrödl. Es sind diejenigen Künstler,
mit deren Namen man wenigstens einen gewissen
Stilbegriff, eine persvnliche Ausdrucksweise verbindet.
Selbftverständlich kann die alte Phalanx, ans der ohne-
hin schon mancher während des letzten Jahrzehntes
ansgeschieden ist, auf die Dauer nicht unverändcrt
und unerschüttert bleiben, nnd man macht denn anch
die erfreuliche Wahrnehmung, daß sich hie und da
junge Kräfte regen, die zn frohen Erwartungen be-
rechtigen, wenn man sich anch nach eincm gut gelun-
genen Porträt noch keinem zu starken Optimismns hin-
geben darf. da auch hier eine Schwalbe keinen Svmmer
macht. Entschicden zu ihrem Vorteil hat fich seit ihrem
Anfenthalte in Berlin die Ungarin Vilma Parlaghy

entwickelt, die von einer anfangs unbestimmten und
verschwommenen Charakteriftik bei tiefdnnkler Gesamt-
stimmung zu einer ganz respektabeln Energie des Aus-
drucks gelangt ist, ohne daß sie mehr das prüfende
Ange des Beschauers über gewisse Schwüchen der
Zeichnnng und der Modellirung durch cin schwttrzlich-
braunes Kolorit hinwegznlciten braucht. Das Bildnis
des Dichters Eduard Bauernfeld ist ihren früheren
Porträtschöpfungen erheblich überlegcn. Auch Natalie
von Modl in Hannover, eine in der Düsseldorfer
Schule gebildete Malerin, hat sich sowohl in der
Charakteristik mehr und mehr vertieft als anch in der
Technik veredelt. Jhr halblebensgroßes Bildnis einer
alten Dame ist vielleicht das einzige der Ausstellnng,
welches neben dem schon im ersten Artikel erwtthnten
Damenportrttt von L. Knaus erwähnt werden darf.
Letzteres steigt natürlich, wenn nmn es gegen das
Mittelgnt der schon genannten und ungenannten Por°
trtttmaler abschätzt, ganz bedeutend in seinem Werte,
wenn es auch im Werke des Meisters selbst keine erste
Stellung einnimmt. Auch das schwttchste Bild von
Knaus wird immer den Vorzng haben, daß es einen
Meister erkennen läßt, der seine technischen Mittel mit
absoluter Sicherheit beherrscht nnd nirgends auch nur
die geringste Schwankung verrät. Bci dieser Gelegen-
heit wollen wir noch hinznfügcn, daß sich nnter den
im vorigen Artikel erwähnten Zeichnungcn nnd Stn-
dien des Kiinstlers anch solche aus neuerer Zeit, aus
den achtziger Jahren befinden, Natnrstudien nach bay-
erischen und Tiroler Gebirgsbauern u. dgl. m.

Von bemerkenswerten Porträtschöpfungen sind
endlich noch das fcin charakterisirte, in der kühlen, ge-
messenen Art Holbeins gehaltene Bildnis einer jungen
Frau von M.Dehrmann, das des Malers M. Koner
von seiner Gattin Sophie Koner, das eines Herrn
im Reitanzng von Adolf Holm in Karlsrnhe und das
Porträt einer jungen Dame von Ednard Daelen in
Düsseldorf herorzuheben. Es verdient beachtet zn
werden, daß die malenden Damen, welche es bisher
nnr im Stillleben zu einer vollcndeten technischen
Darstellnng gebracht hatten, jetzt auch mit energischer
Hand das Gebiet der Porträtmalerei zu erobern be-
ginnen. Vor den Bildnissen der drei genannten Ma-
lerinnen kann man von Dilettantismus, von Unsicher-
heit in der Pinselführnng und von schwttchlich-
empfindsamer Anffassnng nicht mehr reden. Es scheint
sich da allmählich eine Umwülzung vorzubereiten,
melche wohl derselben Wurzel weiblichen Ehrgeizes
entsprossen ist wie der Sturmlnnf der Stndentinnen
auf die Universitätsfächer.

Adolf Nosenberg
 
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