Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

DOI Artikel:
Der kunsthistorische Kongress in Nürnberg, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0019

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

Der Kunsthistorische Kongress in Nürnberg. II.

20

ist, und zwar aus dem kleinen Orte Mömmlingen im
Umkreise von Mainz, der in Urkunden jener Tage
Memmelinge genannt wird. Ein Chronist in Brügge
bezeichnete den Künstler, wie wir wussten, im fol-
genden Jahrhundert noch als Hans den Deutschen;
urkundliche Notizen von Genossenschaften, für die
er arbeitete, geben ihn als Hans von Memmelinghe,
also mit der Ortsbezeichnung, die wir etwa Mem-
lingen schreiben könnten, und ein Jurist hat nach
Notargebrauch die Bestimmung der Herkunft aus
dem Bezirk der nächsten größeren Stadt „de Magon-
tia". Am Schlüsse seiner Mitteilung besprach Pro-
fessor Wauters noch ein großes Altarwerk des
Meisters, das sich jetzt in der Sammlung Stein zu
Paris befindet: die Erscheinung des Erlösers am
jüngsten Tag mit Chören musizirender Engel zu
beiden Seiten, — also jedenfalls ursprünglich be-
stimmt, eine Grabkapelle zu schmücken. Es stammt
aus einem Kloster in Spanien, trägt die Wappen
von Kastilien und Leon und war die Bestellung
eines im Auslande lebenden Kaufherrn für seine
Heimat. In lebensgroßen Figuren ausgeführt, macht
es eben deshalb nicht den erfreulichen Eindruck,
wie die sonstigen in kleinerem Maßstabe gehaltenen
Malereien unseres Hans von Memlingen.

Hierauf berichtete Dr. G. Galland (Berlin) über
seine Erfahrungen, die er bei der Benützung des
Rijksarchivs im Haag für kunstgeschichtliche Zwecke
gemacht, als Fingerzeig für diejenigen, die zu glei-
chem Zwecke dort arbeiten wollen.

Herr Maler Ernst Berger (München) sprach so-
dann über die geschichtliche Entwickelung der Mal-
technik im Altertum. Durch vielfache Versuche, durch
die chemische Untersuchung alter Originalarbeiten
wie durch die praktische Anwendung der von Pli-
nius und anderen angeführten Rezepte ist es dem
Vortragenden gelungen, Licht über diesen Gegen-
stand zu verbreiten, der bis jetzt in Dunkel gehüllt
war. Proben von Malereien, die der Vortragende
auf Grund der von ihm gemachten Entdeckungen
ausführen ließ, illustrirten den lehrreichen Vortrag.

Mit der Verweisung des Antrages des Direktors
Hofstede de Groot (Haag), dass eine Gentraistelle ge-
bildet werden möge, welche den Austausch der Kata-
loge der Gemäldegalerieen vermittele, an den stän-
digen Ausschuss wurde die Sitzung geschlossen. —

Am Nachmittag besichtigten die Mitglieder
des Kongresses das Rathaus. Die Begrüßung der
Erschienenen erfolgte im festlich dekorirten großen
Rathaussaale durch Herrn Rechtsrat Schwemmer
als Vertreter des durch Krankheit verhinderten ersten

Bürgermeisters, Herrn Dr. v. Schuh. Der Redner
betonte in seiner Ansprache, dass es der Stadt Nürn-
berg zur besonderen Ehre gereiche, eine so hoch-
ansehnliche Versammlung begrüßen und gerade in
jenem Räume willkommen heißen zu können, der
als der geschichtlich merkwürdigste des Rathauses
gelten darf. Auf die Bedeutung der Kunst und
deren hohe Mission übergehend, dann ihre Wand-
lungen in verschiedenen Jahrhunderten erwähnend,
führte der Redner als Beispiel für letztere die künst-
lerische Ausstattung des großen Rathaussaales an,
dessen nördliche Wand die höchste Blüte Nürnberger
Kunst zeige, während die Südseite so recht den Ver-
fall derselben in den angebrachten Malereien erkennen
lasse. Freilich, fuhr er fort, sei es sehr gewagt, an
diesen durch den Zahn der Zeit ziemlich mitgenom-
menen Raum restaurirend die Hand legen zu wollen,
weil dessen jetziger ehrwürdiger Charakter hierdurch
alterirt werden könnte. Mit solcher Pflege und Er-
haltung der alten Bauten und Kunstdenkmale habe
aber die Stadt Nürnberg die Pflicht in Verbindung
gebracht, neue Kunstwerke durch hierzu Berufene
schaffen zu lassen, und mit Stolz könne Nürnberg
auf eine Schar trefflicher Künstler blicken, die seinem
alten Ruhm neue Blüten durch ihre Schöpfungen
hinzugefügt haben. Um aber den verehrten Erschie-
nenen ein sichtbares Erinnerungszeichen zu weihen,
habe die Stadt, sagte der Redner, eine Gedächtnis-
medaille prägen lassen, welche er bitte, jetzt entgegen-
nehmen zu wollen. Der erste Vorstand des Gemeinde-
kollegiums, Herr Kommerzienrat Stief, nahm hierauf
die Übergabe der Medaille an jeden einzelnen vor.
Dieselbe zeigt auf der Vorderseite das von Lorbeer-
zweigen umgebene, nach rechts gewendete Profil-
bildnis Dürer's mit der in lateinischen Majuskeln
geprägten Unterschrift: DEN • TEILNEHMERN •
DES • KVNSTHIST. KONGRESSES • IM • SEP-
TEMBER • 1893 GEWIDMET • VON • DER ■
STADT ■ NÜRNBERG. Die Rückseite trägt ein
perspektivisches Bild des Rathauses. Die Kongress-
teilnehmer ließen der künstlerischen Ausführung der
Medaille volle Anerkennung zu Teil werden. Auf
die formvollendete und schwungvolle Rede des
Herrn Rechtsrats Schwemmer antwortete der Vor-
sitzende des Kongresses, Herr Prof. v. Lützow (Wien)
mit tiefempfundenen Worten des Dankes und der
Anerkennung für den Empfang; er feierte Nürnberg
als die Perle unter den alten deutschen Städten und
ersuchte schließlich seine Genossen, auf die Stadt-
behörde Nürnberg ein dreifaches Hoch auszubringen.
Lebhaft stimmten alle Anwesenden ein. Nach ge-
 
Annotationen