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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Die erste Ausstellung der Sezession in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0021

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neue Effekte zu erzielen, um mystische, symbolische,
allegorische Träumereien darzustellen.

Zerstreut in verschiedenen Sälen hängen ein
paar Bilder älterer Franzosen: Biax, Troyon, Corot,
und Courbet, reizvolle, wenn auch nicht gerade be-
sonders hervorragende Werke dieser Meister. Nur
Courbet ist glänzend vertreten mit einer Landschaft
von außerordentlicher Schönheit und Wucht. Seine
ganze Kraft, sein ganzer Stil, seine Art, groß und
massig zu schauen, liegt in diesem Bild, das ernst
und traurig, tragisch beinahe anmutet und nicht im
mindesten veraltet ist in den Jahrzehnten, die seit
seiner Entstehung verflossen sind. Ein wenig Ähn-
lichkeit mit Böcklin'schen Stimmungen empfinde
ich darin. Böcklin selbst ist mit einer köstlichen
Skizze zum Centaurenkampf vertreten. Der wilde
Humor, die mächtige Faust des großen Meisters
lässt sich schon aus den flüchtigen, mit unfehlbarer
Sicherheit hingeworfenen Andeutungen herauslesen.
Am nächsten stehen die Schotten, im Farbenaccord
schon, aber auch in dem Traumhaftender Stimmungen
dem märchenhaften Reiz der Naturanschauung, die
keine Abschrift giebt, keine sklavische Nachahmung,
sondern eine freie Nachdichtung, eine Phantasie
über ein gegebenes Thema. Paterson und Hamilton
sind da vor allem zu nennen, dann Thoma, der
deutsche Schotte. Bei Böcklin hat er begonnen
und bei Thoma ist er jetzt angekommen. Er konnte
nicht mithalten mit dem überschäumenden Tempe-
rament des Großen, der träumende deutsche Klein-
städter kam ihm immer dazwischen. Aber nun hat
er sich sein kleines Feld bebaut und es sind ganz
nette Früchte, die er darauf einerntet. Es steckt
wahrhaftig etwas von den Glasgower Malern in ihm;
die weiten Ausblicke, die großen Wolkenzüge, die
Art des Naturausschnittes hat er mit ihnen gemein.
Doch wo jene mit großen und kühnen Strichen
und Flächen wirtschaften, ist er klein und spitz
und trocken. Aber er erreicht doch eine Wirkung
und hat sein eigenes Gesicht. In Carl Haider ist
ihm ein Geistesverwandter erstanden, der fast ganz
auf die farbige Wirkung verzichtet und das Haupt-
gewicht auf die strenge, etwas altertümelnde Zeich-
nung legt. Noch bei einer ganzen Reihe jüngerer
Maler lässt sich der Einfluss, wenn nicht gerade
eine Nachahmung BöckhVs konstatiren und selbst
Stuck, der sich allmählich seiner Macht zu entringen
sucht, steht immer noch in seinem Schatten. Auch
Samberger, dieses große und ernste Talent, geht
noch auf den Wegen seines großen Vorbildes Len-
bach, er bringt drei Porträts, die vorzüglich sind

und noch erfreulicher wirkten, wenn sie individueller
in der Farbe wären. Hugo von Habermann ist eben-
falls der modernen Farbenanschauung, die er einige
Jahre hindurch gepflegt, untreu geworden; in seiner
Pietä und zwei Porträts zeigt er, dass man nach
jeder Facon selig werden, in jeder Anschauung vor-
nehme und echt künstlerische Leistungen schaffen
kann, — wenn man Talent hat.

Israels, einer der ersten Meister und Anreger
moderner Kunst in Europa, ist mit zwei kleineren
Bildern gut vertreten. Dämmerige Stuben mit Frauen
und Kindern, wie er sie oft schon gemalt und so
viele sie ihm dann nachgemacht haben. Das Schwim-
mende und Nebelhafte der Luft, kurz vor dem Aus-
löschen aller Farbe, das Unbestimmte des Konturs,
der kaum zu sehen, fast nur noch zu ahnen ist,
lässt die gewohnte Meisterschaft erkennen, ühda
und Liebermann, die ihm nahe stehen und besonders
in ihren Anfängen beide viele Berührungspunkte
mit ihm hatten, sind vorzüglich vertreten. Uhde
mit den Porträts von zwei Kindern im Freien, be-
sonders aber mit dem Bildnis eines kleinen Mäd-
chens, das von so schlagender Charakteristik, von
solcher Ursprünglichkeit der Auffassung und so ge-
sunder Koloristik ist, dass man es den allerbesten
Arbeiten des Meisters beizählen kann. Vielleicht
ist dieses Bild das erste Zeichen einer neuen Wen-
dung seiner Entwickelung, in der die Farbe eine
größere Rolle spielen wird als bisher. Von Lieber-
mann gefällt zumeist ein Porträt des Hamburger
Bürgermeisters. Das ist ein ernstes Stück, die Ar-
beit eines Mannes, der allem Kleinlichen und Neben-
sächlichen aus dem Wege geht, der nicht beschönigt
und schmeichelt, sondern unerbittlich studirt und der
Natur in all ihrem Reichtum nachspürt, darum wird
er herb mitunter, fast nie anmutig, doch er bleibt
immer Künstler. Ganz entgegengesetzt Herkomer,
dessen Talent im Grunde einige Wahlverwandtschaft
zeigt, zumal in seinen früheren Werken, wo er
seiner Derbheit mitunter die Zügel schießen ließ,
während er sich jetzt fast immer sentimental und
süßlich giebt. Nur seine Magistratssitzung in Lands-
berg hat noch von der früheren gesunden Kraft,
und ein paar Köpfe sind darauf, die dem Maler alle
Ehre machen. Auch auf den beiden großen Bildern
des Spaniers Villegas „Triumph der Dogin Foscari"
und „Tod des Stierkämpfers" sind Einzelheiten von
großer Schönheit. Nur ist das Ganze etwas frostig,
zu sehr eine Bravourleistung, ein großes pompöses
Konzertstück, bei dem alle Instrumente in glänzen-
der Thätigkeit sind, aber es ist doch nur ein dyna-
 
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