Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

DOI Artikel:
Stiassny, Robert: Baldung-Studien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0079

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
139

Baidung-Studien.

140

leider überarbeitete Federzeichnung bei Antiquar
L. Rosenthal in München, welche einen auf seinen
Stab gestützt nach rechts schreitenden Apostel in
Barett, Mantel und „Kuhmäulern" vorstellt, mit der
von späterer Hand aufgesetzten Jahreszahl 1523
(31,5 x 21,5 cm). Die prachtvoll drapirte Gewand-
figur ist der Holzschnitt-Apostelfolge B. 6—18 von
1519 ziemlich nahe verwandt.

Selbstverständlich hat dem Künstler bei vielen
seiner Studien die „certa idea" ihrer Verwendung
vorgeschwebt und mehrfach ist bereits der Nach-
weis der Herübernahme und Benutzung in Gemälden
und Holzschnitten gelungen. Es sei nur an die drei
Porträtvorlagen, den Stephanuskopf, die Aufnahme
des Schlosses Horneck, vereinzelte Tierstudien im
Karlsruher Skizzenbuche erinnert. Die Profilzeich-
nungen ebenda (Rosenberg, Tf. 19—22), welchen sich
ein physiognomisches Studienblatt im Berliner Ka-
binett [Nr. 302) anschließt, stehen in engem Zusam-
menhange mit einer Reihe bisher übersehener Holz-
schnitte Baldung's in dem Werke des Joh. Indagine:
Introductiones apotelesmaticae elegantes, in Chyro-
mantiam etc. Straßburg, Schott. 1522. Aus dem
Schatze der Handzeichnungen des Meisters in der
Kunstsammlung zu Basel wäre ferner hinzuzufügen:
eine gegensinnige Kreidestudie zu der Figur des be-
hexten Stallknechtes auf dem Holzschnitte Pass. 76
(Bd. U 7, 135; 22 x 10 cm), die durch ihr Datum
1544 die Entstehung des interessanten Blattes in die
letzten Lebensjahre Baldung's hinabrückt, und eine
Federskizze einer Gruppe von drei brünstigen Pferden,
welche das Hauptmotiv der Pferdeholzschnitte von
1534 — wohl Aufnahmen aus einem Gestüte — mit
weit größerer Wirklichkeitstreue als diese wieder-
giebt (Bd. U 6, 55; 13 x 17,5 cm).

Verhältnismäßig spärlich sind uns unter den
Zeichnungen älterer deutscher Meister Vorlagen zu
umfänglicheren Arbeiten aufbehalten, und auch Bai-
dung macht hiervon — sieht man von der schweren
Menge seiner Scheibenrisse ab — keine Ausnahme.
So hat sich zu seinem Hauptwerke, dem Freiburger
Hochaltare, bisher nur eine einzige Detailstudie vor-
gefunden, die Kreidezeichnung von 1513 in Basel
zu der Gestalt Gottvaters in der Krönung Mariae
auf der Mitteltafel (vgl. Kunstchronik, XXII, Sp. 504).
Ein aus demselben Jahre datirtes Blatt in Karlsruhe
mit der korrespondirenden Figur des Christus ist
ein flaues und charakterloses Produkt des 17. Jahr-
hunderts. An täuschenden Kopieen fehlt es über-
haupt nicht unter den in verschiedenen Kabinetten
Baidung zugeeigneten Blättern. Als Beispiele seien

citirt der angebliche Entwurf zum Hieronymusholz
schnitt B. 34 im Staedel'schen Institute zu Frank-
furt a. M. und ein Helldunkelblatt mit der Kreuzi-
gungsgruppe von 1524 im Berliner Kabinett (Nr. 291),
dessen Original in das British Museum gelangt zu
sein scheint. Ein von Woltmann (Kunst im Elsass,
S.293) erwähnter Entwurf zu dem Holzschnitt Pass. 66,
Madonna mit Engeln, im Print Room desselben Mu-
seums steht nach einer glaubwürdigen Mitteilung in
keinerlei näheren Beziehung zu dem Blatte und bietet
nur ein verwandtes Motiv dar. Eine alte Kopie nach
der Gruppe der Maria und des Johannes auf dem
Baseler Kreuzigungsgemälde von 1512 liegt wohl
auch in einer Helldunkelzeichnuug auf orangegelbem
Papier in der Sammlung des Schlosses Wolfegg
(Oberschwaben) vor. Echt sind dagegen ein Ent-
wurf zu dem Baseler Todesbilde von 1517 in Berlin
(datirt 1515) und die bekannte, in den Uffizien be-
findliche Studie zu dem Gegenstücke dieses Gemäl-
des am gleichen Orte (Brogi, 1834). Ein weiteres
Hauptblatt Baldung's besäßen die Uffizien, wenn man
sich mit Ad. Bayersdorfer entschließen könnte, die
Dürer beigemessene Federzeichnung Nr. 1074 mit der
herrlichen, wahrscheinlich für eine Versuchung des
hl. Antonius bestimmten Figur einer „Ignuda"
(Braun, 963) dem Meister zuzusprechen.

In eine an Handzeichnungen besonders ergie-
bige Periode Baldung's, das zweite Jahrzehnt
des 16. Jahrhunderts, gehen drei Originalentwürfe
zu Gemälden des Künstlers zurück, die, in einer
vielbesuchten deutschen Kupferstichsammlung auf-
bewahrt, seltsamerweise bisher unerkannt geblieben
sind. Das Stuttgarter Kabinett besitzt zunächst die
Vorlage zu der Taufe Christi, dem Mittelbilde des
Dominikaneraltares im Historischen Museum zu
Frankfurt a. M. (früher im Saalhofe, jetzt im Lein-
wandhause). Die Komposition der Frankfurter Tafel
liegt gleichsinnig und völlig abgeschlossen in dieser
weiß gehöhten Tuschzeichnung auf dunkelbraun
grundirtem Papier vor, die monogrammirt und 1510
datirt, zu den frühesten Proben nicht nur Baldung's
in der damals noch neuen Helldunkelmanier zählt
(42 x 31,5 cm). In der Formengebung, namentlich
dem überstudirten Faltenwurf sowie dem peinlich
„kläubelnden" und darum etwas schweren Vortrag
verrät das Stuttgarter Blatt noch durchaus die Ab-
hängigkeit Baldung's von Dürer, die auch das Ko-
lorit des ausgeführten Altares bestätigt. Da dieser,
auf der Mitteltafel, bloß mit dem Monogramm des
Meisters bezeichnet ist, giebt erst unser Entwurf
den Schlüssel zu seiner Datirung. Das Täufermodell,
 
Annotationen