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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Rosenberg, Adolf: Die Kunstausstellung der Berliner Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0119

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retrospektive, kunstgeschichtliche Bedeutung der
Ausstellung durch eine Reihe von Werken der Meister
der mittleren Generation veranschaulicht, die wir
hier nur kurz citiren, weil sie zum Teil noch von
den Ausstellungen der beiden letzten Jahrzehnte in
frischer Erinnerung sind, zum Teil auch durch ihre
Einverleibung in öffentliche Kunstsammlungen so-
zusagen in den allgemeinen Kunstbesitz übergegan-
gen sind. Als Werke, die dem Wandel des Kunst-
geschmacks in zwei bis drei Jahrzehnten standge-
halten haben, was bei der wilden Hetzjagd von der
Romantik bis zum Impressionismus und Symbolismus
immerhin etwas bedeutet, heben wir — in alphabe-
tischer Anordnung — besonders hervor: das Bildnis
der Kaiserin Friedrich in Witwentrauer von H. vön
Angelt, das Schweigen des Waldes (eine auf einem
Einhorn reitende Nymphe) von A. Böcklin, den Be-
such bei dem Erstgeborenen (1884) von F. Defregger,
eine Strandlandschaft (heranrollende Wellen bei
herbstlicher Abendbeleuchtung) von E. Ducket, das
Doppelbildnis zweier junger Mädchen (1888) vom
Grafen Harrach, den Rekognoscirungsritt des Majors
von Unger bei Königgrätz von Emil Winten, die
Einkehr des Bauernjägers von Wilhelm Leibi, die
Beweinung des Leichnams Christi (1883, in der Neuen
Pinakothek zu München) von L. Löfftx, die mit allen
Pikanterieeu seines gleichsam Funken sprühenden
Kolorits ausgestattete Hochzeit in den Abruzzen
(1876) von F. P. Michetti, die Amstel bei Amsterdam
mit der prächtig im Oktoberlichte schillernden Wasser-
fläche von E. de Schampheleer, die Konsultation bei
einem Advokaten (18(56, im Museum zu Leipzig) von
Wilhelm Sohn, die Nähschule von B. Vautier und
König Wilhelm im Mausoleum zu Charlottenburg
am 19. Juli 1870 (1881, im schlesischen Museum zu
Breslau) von A. v. Werner.

Eine dritte Gruppe von Akademikern und zwar
die an Zahl stärkste ist mit Werken beteiligt, die
entweder das Datum des vorigen Jahres tragen oder
in Berlin noch nicht öffentlich ausgestellt worden
sind, die also wenigstens den Reiz der Neuheit für
sich haben. Einige davon sind direkt von den beiden
letzten Konkurrenzausstellungen in München zu uns
gekommen, darunter das Kapitalstück der ganzen
Ausstellung, Hubert Herkorner's „Magistratssitzung
in Landsberg am Lech", ein Meisterwerk gewaltiger
Charakteristik im großen Stile und zugleich die
Quintessenz aus allen wirklich ersprießlichen Neue-
rungen der modernen Malerei, ein Bild, das man,
wie etwa noch Menzel's ,,Eisenwalzwerk" getrost
in die Nachbarschaft von Rembrandt's Nachtwache

und van der Helst's Schützenmahlzeit bringen kann.
Auch Josef Brandts phantastisches Nachtstück, das
„Gebet" russischer Nomaden auf ihrem Lagerplatz
in der Steppe, und Siemiradzlci's „Urteil des Paris",
eine pantomimische Darstellung in der Villa eines
reichen Römers der Kaiserzeit, sind früher in Mün-
chen als in Berlin bekannt geworden. — Außer Her-
komer, der seinen Zusammenhang mit der deutschen
Heimat alljährlich auffrischt und ihr jetzt ein so
ehrenvolles Denkmal gesetzt hat, sind von Haib-
und Vollblutengländern noch Alma-Tadema mit einem
seiner anmutigen Genrebilder aus dem alten Rom
„Heiligtum der Venus" (1888) und mit einem Bild-
nisse des Geigenkünstlers Josef Joachim, Leighton
mit dem prächtig modellirten Brustbilde einer stolzen,
schwarzlockigen Schönen unter dem Namen „Ata-
lanta" und einigen italienischen Straßenstudien und
W. Ouleß mit dem in großen Zügen, ernst und vor-
nehm charakterisirten Brustbild eines Herrn in weißem
Haar und Bart vertreten. — Von internationalen Cele-
britäten sind noch Munkacsy und Pradilla zu nennen,
die sich, im Einklang mit dem intimen Charakter der
Ausstellung, auf Genrebilder beschränkt haben: der
erstere auf ein in hellstem Lichte gemaltes Interieur
mit einem jungen Paar in der Tracht des 17. Jahr-
hunderts, der andere auf eines seiner von Leben
wimmelnden und kribbelnden Bilder aus dem moder-
nen Spanien: „Das Gestade von Vigo nach Ankunft
der Fischerboote".

Von deutschen und österreichischen Künstlern,
die Werke aus dem Jahre 1893 oder doch wenig-
stens in Berlin unbekannte Arbeiten aus den letzten
Jahren zur Schau gestellt haben, sind auf die wür-
dige und charakteristische Vertretung ihrer Eigen-
art besonders bedacht gewesen Oswald Achenbach
mit einem seiner in Sonnenglut leuchtenden Bravour-
stücke, einem Blick auf Araceli in Rom (1893),
IL Baisch mit einer holländischen Viehweide bei
Abendstimmung (1891, in der Neuen Pinakothek zu
München), Carl Becker mit einem Othello, der der
Desdemona und ihrem Vater seine Abenteuer erzählt,
in neuer Bearbeitung (1893), Gregor von Bochmann
mit einer besonders farbig gestimmten Rast von
Bauernfuhrwerken an einem esthnischen Kruge,
E /: Gebhardt mit einer Bergpredigt Christi (1893),
reich an charaktervollen Gestalten und sehr anziehend
durch einige liebliche, köstlich naive Kinderfigureu,
Gustav Graef mit dem Bildnis eines jungen Mannes
(1893), L. Knaus mit einer figurenreichen Humoreske
aus dem rheinischen Karneval, einer Straßenscene
mit Kindern verschiedenen Alters im Vordergrunde,
 
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