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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Korrespondenz Dresden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0135

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251

Korrespondenz.

252

deren Reich doch weit und groß genug ist, um den
verschiedensten Neigungen und Wünschen Raum
und Befriedigung zu gewähren.

Aus diesem Grunde können wir eine Reihe von
Vorgängen, die sich in jüngster Zeit in Dresden ab-
gespielt haben, nur bedauern. Die Kritiker der bei-
den in Dresden am meisten gelesenen Zeitungen,
des „Anzeigers" und der „Nachrichten", Dr. Paul
Schumann und Dr. Wolfyang Kirchbach, sind beide,
der erstere mit voller Entschiedenheit, der andere
gelegentlich schwankend, für die Bedeutung der
modernen Malerei eingetreten und haben sich red-
lich bemüht, ihre Leser von dem Wert und der
Schönheit der Gemälde von Klinger, Stuck und anderer
Künstler mit derselben Tendenz zu überzeugen. Wie
weit sie mit ihren Ausführungen im einzelnen das
Richtige getroffen haben oder nicht, das näher zu
untersuchen ist hier nicht der Ort. Jedenfalls ist
in ihrem Verhalten nichts Tadelnswertes zu finden
und daher der Angriff, den der Maler Carl Ehren-
berg in seiner anonym erschienenen Broschüre: „Die
neue Kunst und der Schaupöbel" gegen sie gerichtet
hat, durchaus zu verwerfen. Ehrenberg's Schrift
erschien zuerst in kleineren Aufsätzen in einem neuen
Dresdener Wochenblatt, der „Dresdener Rundschau",
das sich die Aufgabe gestellt hat, die mancherlei
Schäden des öffentlichen Dresdener Lebens durch
freimütige Kritik und schonungslose Satire aufzudecken
und zu beseitigen, das aber in seinen Angriffen oft
über das Ziel hinausschießt und sich leider von
persönlichen, unerweislichen Verdächtigungen nicht
immer fern gehalten hat.

In den Fehler der Übertreibung und persön-
lichen Gehässigkeit ist nun Ehrenberg, der sich
bereits in dem Streit über das Rembrandtbuch Lang-
behn's durch zwei Schriften: „Est! Est! Est!" und
„Halt — mehr rechts" als ein Anhänger der alten
Kunst und überhaupt als „laudator temporis acti"
bekannt gemacht hat, in einer kaum noch zu recht-
fertigenden Weise verfallen. Der einzige Grund der
Entschuldigung, den er für sich geltend machen
könnte, dürfte in dem Umstand gefunden werden,
dass er in seiner Schrift an eine Broschüre E. v.
Franquet's anknüpft, der unter dem Titel: „Schau-
pöbel" dem Berliner Publikum, das sich allerdings
auch nach unseren Erfahrungen bei Gelegenheit der
vorjährigen Berliner Kunstausstellung den Münche-
ner Sezessionisten gegenüber wenig taktvoll benom-
men hat, die Leviten liest, dabei aber einen so tollen
Enthusiasmus für seine Lieblinge Stuck, Klinger,
Exter und von ITofmann entwickelt, als hätte man

es bei ihnen mit Meistern ersten Ranges und nicht
mit allerdings vielversprechenden Anfängern zu thun.
Aber die Einseitigkeit des Berliner Kritikers kann
diejenige Ehrenberg's nicht rechtfertigen, um so
weniger, als man aus jeder Zeile den gekränkten
Ehrgeiz des Verfassers herausmerkt. Denn Herr
Ehrenberg ist Maler und hat in den letzten Jahren
allerdings für seine Leistungen, die auch wir, so weit
sie uns bekannt geworden sind, für höchst minder-
wertig erachten, wenig Anerkennung von seiten der
Kritik geerntet.

Ehrenberg's sachlichere Angriffe richten sich
der Hauptsache nach gegen die Ankäufe der vier
Gemälde von Klinger, Harrison, Krogh und Liljefors,
die eine Abordnung der Dresdener Galeriekommission
im vorigen Jahre auf der Berliner Akademischen
Ausstellung gemacht hat, und die die beiden vorhin
genannten Referenten wie zahlreiche ihrer Kollagen
als höchst erfreuliche Bereicherungen der altbe-
rühmten Sammlung bezeichnet haben. Für Klüiger
aber geht Ehrenberg jegliches Verständnis ab. Vor
seiner Pietä empfindet er nur „herbe Enttäuschung,
Widerwillen und tiefste Entrüstung", seine „Kreuzi-
gung" erscheint ihm „eine nach jeder Hinsicht öde
und empfindungslose Malerei, gequält in der Tech-
nik, hart in der Farbe, voll von bedenklichen Form-
fehlern, psychologisch im höchsten Grade abstoßend
und unwahr"; und das unseres Erachtens bedeutendste
der Bilder, die so fein empfundene „l'heure bleue",
nennt er „eine Farbenstudie bei Feuerbeleuchtung
im Freien, dessen Wirkung sich auf anatomisch
ganz unmöglichen, überaus roh modellirten Köpfen,
wahrscheinlich weiblicher Wesen mit blöden Ge-
sichtern, zu erkennen geben soll". Einem Mann,
der so denkt und fühlt, ist nicht zu helfen und es
ist daher nur natürlich, wenn er in dem Ankauf der
Klinger'schen „Pietä" nur eine Verirrung der ausge-
sandten Vertrauensmänner sieht. Aber auch die ande-
ren Erwerbungen betrachtet er mit scheelem Blick.
Während er wenigstens Krogh's Lootsenbild als ein
Werk, dem gewissenhaftes Studium zu Grunde liegt,
gelten lässt, Harrison's Landschaft aber nur als eine
ausnahmsweise untergelaufene Studie passiren lassen
will, sucht er das Fuchsbild von Liljefors mit der
Bemerkung abzuthun, dass es zu seinem Vorteil so
hoch hinge, dass die Kritik es nur schwer erreichen
könne. Nach Herrn Ehrenberg's Meinung sind also
die neuen Berliner Erwerbungen der Galerie unwür-
dig. Er wirft daher die Frage auf: „würden diese
Bilder auch erworben worden sein, wenn die
| Gesamtkommission zu entscheiden gehabt hätte?"
 
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