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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0177

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Sammlungen und Ausstellungen.

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bestrebungen gelangen zu können, lässt die Vereinigung an
sämtliche taubstumme Kunstgenossen aller Nationen die
Aufforderung ergeben, ihre Anmeldungen behufs Beteiligung
an der Ausstellung baldigst machen zu wollen. Zur Ehrung
verstorbener Kollegen werden auch deren Nachlässe und
in anderweitigem Besitze befindliche Kunstwerke zur Aus-
stellung zugelassen. Nach Zustandekommen des Ausstellungs-
projekts werden die Programme den Interessenten zugestellt
werden. Anmeldungen etc. sind zu richten an die „Vereini-
gung der taubstummen bildenden Künstler" in München,
Schellingstraße 113, III. 1.

*„* Kunstausstellungen in Venedig. Der Gemeinderat hat
die Veranstaltung von Kunstausstellungen beschlossen,
deren erste im April 1895 zur Erinnerung an die Feier
der silbernen Hochzeit des italienischen Königspaares eröffnet
werden soll. Die Ausstellungen werden alle zwei Jahre
stattfinden, einen internationalen Charakter haben und teils
durch freie Beschickung, teils durch Einladungen veranstaltet
werden. Die erste derartige Ausstellung wird als gesichert
angesehen. In dem Patronatsausschusse werden Österreich-
Ungarn durch Passini und Munkacsy, Deutschland durch
Liebermann, Uhde und Schönleber vertreten sein.

Landsberg aj W. Der hiesige „Kunstverein" veranstaltete
vom 8.—13. März er. eine Ausstellung von Kunstwerken und
kunstgewerblichen Gegenständen. Dieselbe wurde außer-
ordentlich stark besucht und trug dem Vereine einen bedeu-
tenden Überschuss ein. Eine Anzahl Bilder wurden vom
Publikum gegen gute Preise angekauft, und die Presse sprach
sich äußerst lobend über diese Ausstellung aus. Zu der im
nächsten Frühjahr stattfindenden Ausstellung sollen besonders
auswärtige Künstler herangezogen werden. Der Verein be-
absichtigt, zu der damit verbundenen Verlosung für circa
2000 Mk. Kunstwerke anzukaufen.

Lübeck, Von den Vorständen der Kunstvereine zu
Lübeck, Rostock und Stralsund wird im Jahre 1894 eine Ge-
mäldeausstellung veranstaltet. Die Ausstellung findet in Lübeck
vom 15. Mai bis 12. Juni, in Rostock vom 24. Juni bis 22. Juli
und in Stralsund während des August statt und zwar unter den
folgenden Bedingungen. Die Gemäldeausstellung soll am 15.
Mai d. J. eröffnet werden, die Gemälde'sind an die Adresse des
Kunstvereins zu Lübeck spätestens bis zum 10. Mai einzu-
liefern. Für die bis zu diesem Tage von den dazu aufge-
forderten Künstlern eingesandten und vorher angemeldeten
Bilder übernehmen die Kunstvereine die Einsendungskosten
und die Rücktransportkosten, sowie die Kosten der Trans-
porte zwischen Lübeck, Rostock und Stralsund auf dem
kürzesten Wege als Frachtgut mit der Eisenbahn. Nur für
die bis zum 10. Mai in Lübeck eintreffenden Bilder ist eine
Aufnahme in den dort zu entwerfenden Katalog zuzusichern.

Römische Ausstellungen. Der Frühling ist in Rom die
Zeit der Ausstellungen. Was die Hand der Künstler im
Winter geschaffen, pflegt um diese Zeit dem römischen Pu-
blikum dargereicht zu werden, um bald darauf nordwärts
nach München, Berlin oder Wien zu wandern. Auch in
diesem Jahre hat sich im Palazzo dell' Esposizione die ge-
wohnte Schar zusammengefunden und auch der kleine Kreis
der „Sezessionisten", deren Verein sich den Namen „In arte
libertas" gegeben hat, ist im Palazzo Borghese wieder zu-
sammengetreten. Allein diese hinter den berechtigten Er-
wartungen und den Traditionen früherer Jahre leider be-
trächtlich zurückgebliebenen Ausstellungen sind es nicht, die
das künstlerische Interesse augenblicklich lebhaft erregen;
es ist dies vielmehr eine andere Sammlung, die, obgleich
schon 70 Jahre ihres Alters zählend, dennoch mit der vollen
Frische der Neuheit sich vor uns entfaltet, nachdem die

| Werke, welche sie bilden, lange Zeit verborgen gewesen
! waren und erst jetzt wieder aufgetaucht sind. Es handelt
I sich um nicht weniger als 250 Umrisszeichnungen des rö-
mischen Meisters Bartolomeo Pinelli. Ein Kind der klassici-
stischen, „akademischen" Kunstperiode, hat Pinelli (gest. 1835)
mit den ihm überkommenen Stilprinzipien doch eine starke
Dosis gesunder Natürlichkeit verbunden, die ihre Nahrung
wohl hauptsächlich aus dem römischen Mutterboden zog,
den der Künstler niemals verlassen hat. Es lebt hier das
naive, ungeordnete und doch höchst einfach geregelte Leben
eines Künstlers der damaligen anspruchslosen Zeit, der täg-
lich in derselben Trattoria zu finden war und ebenso schnell
durch ein stets ihm gehorsames frisches Talent sich Geld zu ver-
schaffen wusste, als er es im Kreise fröhlich zechender Freunde
wieder los zu werden verstand. So wurden seine Zeichnungen
aus dem römischen Leben ein wahrhaft volkstümliches, lebens-
frisches Gewächs; daneben aber wurde er einer großen An-
zahl andersartiger Aufgaben gerecht, indem er Ariost wie
Manzoni, die griechische wie die römische Geschichte illu-
strirte. Was jetzt von ihm nach langer Verborgenheit ans
Licht gekommen, sind mythologische Illustrationen, ein voll-
ständiger Cyklus, zum Teil sehr obskure Sagen behandelnd,
die seit dem Hinwelken der klassischen Traditionen aus dem
Bewusstsein der Gebildeten geschwunden sind und dem Be-
schauer den Wunsch nach dem Konversationslexikon er-
wecken könnten, wenn sie sich nicht selbst durch ihre frische
Lebendigkeit erklärten. Mit bewundernswerter Fruchtbar-
keit der Phantasie sind diese zweieinhalb Hundert Zeichnungen
sämtlich in einem Jahre (1826) entworfen; eine jede hat der
Künstler mit einer kurzen Unterschrift und der Jahreszahl
versehen. Es ist von höchstem Interesse, diese in seltsamem
Kontrast zur heutigen Kunstbewegung stehenden Blätter trotz
ihres Alters als ein Neues durchmustern zu können. Vorzüge
und Mängel des Zeitcharakters treten offenkundig zu Tage.
Die Individualisirung, welche wir heute fordern, darf man
nicht suchen; die Köpfe sind meist ohne scharfe Charakte-
ristik gezeichnet, der Ausdruck oft leer; auch die Körper-
formen sind nicht selten nachlässig behandelt, obgleich eine
bedeutende anatomische Kenntnis offen zu Tage liegt. Der
Hauptvorzug der Blätter liegt dagegen in der Komposition,
in dem, was Lessing und Goethe die Prägung des Kunst-
werkes nannten; in der Fähigkeit, mit wenig Mitteln, durch
die Gruppirung weniger Figuren eine ganze Geschichte zum
Ausdruck zu bringen. Die Menschen Pinelli's zeigen nicht
ihre Beschaffenheit, ihre Eigentümlichkeit auf; aber sie offen-
baren aufs deutlichste, was sie wollen oder müssen, thun
oder erleiden; sie sind nicht die interessanten Gestalten,
welche die Maler heute uns als Rätsel aufzugeben lieben;
aber es sind handelnde, aus einem Guss geschaffene Personen;
nichts Unbestimmtes, Träumendes, Problematisches ist in
ihnen, sondern jeder ist ganz und gar von der Situation, in
der ihn der Künstler vorführt, eingenommen und in ihr an
seinem Platze. Man kann hier das alte Wort von der „Ge-
sundheit" der Antike in seiner Wahrheit erfassen, obgleich
uns die Bilder nicht etwa die ursprünglichen, volksinäßigen
Formen der Mythe vorführen, sondern vielmehr die Fortbil-
dungen, die ein schon raffinirtes Zeitalter ihr gegeben hatte.
Selbst im verfänglichsten Stoff zeigt sich die Behandlung
als naiv und kräftig, nicht von romantischer Schwäche an-
gekränkelt. Auf Details einzugehen, müssen wir uns leider
versagen, da die vollkommen gleichmäßige Ausführung der
Blätter nicht Anlass bietet, einzelne hervorzuheben und zu-
dem der Effekt des Ganzen gerade von der Reichhaltigkeit
und Fülle der gesamten Phantasieschöpfung, nicht von den
I einzelnen Blättern bewirkt wird. So viel Interesse diese
 
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