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Sammlungen und Ausstellungen.
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vor der sich Mucha hüten muss. Seine eigentliche Hand-
schrift zeigt sich am besten in einigen figuralen Zeich-
nungen und Skizzen, von denen der grössere Teil vor-
läufig noch nicht ausgestellt ist, was aber geschehen soll,
sobald Raum vorhanden ist. In dem kleinen aber hübschen
Arrangement kommt das liebenswürdige, kapriciöse und
prickelnde Talent des mährischen Künstlers zu bester Gel-
tung. Über sein Leben und seinen Entwicklungsgang giebt
die ausgelegte Pariser Zeitschrift »La Plume" näher Auskunft,
deren Titelumschlag (mit dem Pegasus, dessen Flügel zu —
Schreibfedern verschnitten sind) von Mucha gezeichnet ist;
das ganze Heft (Nr. 197) ist dem künstlerischen Mitarbeiter
der Zeitschrift gewidmet, dem Erfinder der bekannten Pla-
kate für Mad. Sarah Bernhardt für das Theatre de la Re-
naissance: „Ghismonda", »La Samaritaine" und „La Dame aux
Camelias", sowie der Affichen für den „Salon des Cent" u.a.
Die Ausstellung wird hier manche dankenswerte Anregung
geben und das Interesse für das dekorative und illustrative
Kunstgewerbe, und besonders für das Plakat, in weiteren
Kreisen wecken. w. SCHölermann.
A. R. Aus Schulfes Kunstausstellung in Berlin. Eine
Vereinigung von neun Künstlern und Künstlerinnen, die
anscheinend mehr durch gesellige Beziehungen als durch
gemeinsame künstlerische Ziele zusammengeführt worden
sind, ist, wie seit mehreren Jahren schon, auch in diesem Jahre
mit einer Sammelausstellung vor das Publikum getreten.
Es sinofcdie Maler L. Dettmann, Josef Block, Reinhold Lep-
sius nebst seiner Gattin, Curt Herrmann, Philipp Franck,
Max Utli und die Bildhauerin Henny Geiger-Spiegel, denen
sich als neunter der Münchener Wilhelm Trübner zuge-
sellt hat, der aber nur mit einer seiner melancholischen,
graugrünen Landschaften von den Chiemsee-Inseln vertreten
ist. Im Gegensatze zu den früheren Ausstellungen dieses
Klubs, die zum grössten Teile aus Skizzen, Studien und un-
fertigen Arbeiten bestanden, die man aus ihrer Atelierruhe
nicht hätte aufstören sollen, enthält die diesjährige mit we-
nigen Ausnahmen ausgeführte Gemälde und Bildwerke, die,
wenn man von einigen koloristischen Experimenten und
Extravaganzen von L. Dettmann und Max Uth absieht, doch
den befriedigenden Eindruck ernsten Strebens hinterlassen.
Zwei Damenbildnisse von R. Lepsius gehören sogar zum
Besten, was dem feinsinnigen Charakterzeichner und ge-
schmackvollen Koloristen jemals gelungen ist, und auch
unter den Bildnissen Blocks finden sich einige, die wieder
an seine beste Münchener Zeit erinnern. Im übrigen lässt
sich aber nicht verkennen, dass dieser Künstler, der es be-
reits zu einer achtungswerten Selbständigkeit gebracht hatte,
seitdem er in Berlin lebt, mehr experimentiert und mehr
nach fremden Vorbildern schielt als ihm dienlich ist. Das
zeigt sich besonders in einer grossen Darstellung des Paris-
urteils, auf dem einzelne Figuren stark an Botticelli und
andere gleichzeitige Florentiner erinnern, während Färbung
und Beleuchtung durch die bunte Phantastik L. v. Hofmanns
beeinflusst zu sein scheinen. Philipp Franck schwelgt in
drei phantastischen, zum Teil mit Figuren in antiker Ge-
wandung staffierten, parkartigen Landschaften in Böcklin-
schen Stimmungen, die jedoch, so weit die Farbe in Betracht
kommt, nur verschleiert und in sanftmelancholischen Accorden
zum Ausdruck kommen. L. Dettmann hat in einer Strand-
landschaft bei Sturm ein bei ihm sonst ungewöhnliches,
dramatisches Motiv mit Kraft und Wucht behandelt. Die
Bildhatierin Frau Geiger-Spiegel endlich gehört nicht zu
den Künstlerinnen, die dem Auge des Beschauers mit nied-
lichen Sächelchen schmeicheln. Wie ihr Gatte Nikolaus
Geiger huldigt sie bisweilen sogar einem energischen Natu-
ralismus, und dieser ist auch in der lebensgrossen Gruppe
einer Pietä zur Herrschaft gelangt. — Die Vereinigung hat
sich diesmal nicht auf ihre eigenen Kräfte verlassen, sondern
auch mehrere auswärtige Künstler, besonders französische,
zur Beteiligung eingeladen. Was die Franzosen einge-
schickt haben, erhebt sich freilich nicht weit über den Be-
reich der Kuriosität. Den kaprieiösen Schilderer des Pariser
Lebens J. F. Rafaclli haben wir in Berlin schon besser
kennen gelernt als es hier durch drei kleine Bilder (eine
elegante Pariserin auf der Promenade, einen Lumpen-
sammler und eine Landschaft) geschehen könnte. Neu für
Berlin ist das Künstlerpaar Vallgren, das zu der Künstler-
gesellschaft gehört, die bisher auf dem Marsfelde in Paris
ausgestellt hatte. Vallgrens Kleinbronzen (Büsten, einzelne
Figuren, Figuren mit Urnen, Vasen und ähnliche Nippes-
sachen für Schreib- und Salontisch'i erfreuen sich in Paris
eines guten Rufes, weil man, wie man jetzt sagt, wenn man
nichts Besseres zusagen weiss, eine „Persönlichkeit" dahinter
zu erkennen glaubt. Sehr scharf umrissen ist diese Persön-
lichkeit aber nicht. Von den Bronzen sind jedenfalls nur
wenige über allgemeine Andeutungen hinaus zu tieferer
Charakteristik gediehen. Ihres Zieles sicherer und vor allem
sympathischer tritt uns seine Gattin Antoinette mit einem
für Tissots „Leben unseres Herrn Jesu Christi" bestimmten
Einbanddeckel entgegen, auf dem, von zierlichen Ranken-
gewinden und anderen Ornamenten umgeben, die Madonna
mit dem Kinde in zartestem Flachrelief dargestellt ist, mit
feinem und vollkommen richtigem Verständnis für die Ge-
setze der Flächendekoration. Zu den Eingeladenen gehört
auch ein deutscher Künstler, Hans St. Lerche, vermutlich
ein Sohn des Düsseldorfer Genremalers, der ebenfalls bereits
im Marsfeldsalon ausgestellt hat. Er hat sich auf die Keramik
geworfen und entfaltet in einer Anzahl von farbig bemalten
glasirten Schalen, Vasen, Krügen u. dgl. m. eine koloristische
Kraft und Frische, die an slavisches und ungarisches Bauern-
geschirr erinnern, und auf ähnliche Wirkung geht der Künstler
auch thatsächlich aus, da er diese Sachen in Paris unter dem
Namen „fai'ences rustiques" ausgestellt hat. — Auch in den
übrigen Räumen des Schulteschen Lokals fehlt es nicht an
Sammelausstellungen, von denen aber nur die des Pa-
risers Rene' Billotte ein starkes künstlerisches Gepräge zeigt.
Sie umtasst etwa fünfzig in Öl gemalte und in Pastell ge-
zeichnete Landschaften kleinen Formats, meist schlichte
Motive aus der Umgebung von Paris und aus Holland, denen
fast sämtlich ein kühler, grauer Ton eigen ist, der fast
jedem Bilde einen eigentümlichen, ans Poetische gren-
zenden Stimmungsreiz giebt. Man wird an gewisse Meister
der Schule von Fontainebleau und ihre Nachfolger, beson-
ders an die beiden Daubigny erinnert. Der übrige Inhalt
der November-Ausstellung geht nicht über das lokale Inter-
esse hinaus. Überwiegend ist ein mehr oder weniger liebens-
würdiger Dilettantismus, der bei einem dankbaren Publikum
eine wohlwollende Aufnahme findet.
Paris. — Kleine Ausstellungen. Bei Georges Petit hat
der Keramiker Lachenal eine sehr reichhaltige Sammlung
seiner jüngsten Erzeugnisse ausgestellt. Neben vielen sehr
Gelungenem — Tellern, die an den persisch-rhodischen Stil
leicht erinern, Vasen und Schüsseln aller Art und in allen
Tonschattirungen, Büsten und Statuetten nach Modellen von
Fix Masseau — findet sich auch manches Geschmacklose
und, was schlimmer ist, manches, war dem allerplattesten
Geschmacke des grossen Publikums recht weit entgegen-
kommt. Einen besonderen Reiz hat der Künstler seiner Aus-
stellung dadurch zu verleihen gewusst, dass er in einem
Nebenraume eine Art Atelier eingerichtet hat, in dem er den
Sammlungen und Ausstellungen.
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vor der sich Mucha hüten muss. Seine eigentliche Hand-
schrift zeigt sich am besten in einigen figuralen Zeich-
nungen und Skizzen, von denen der grössere Teil vor-
läufig noch nicht ausgestellt ist, was aber geschehen soll,
sobald Raum vorhanden ist. In dem kleinen aber hübschen
Arrangement kommt das liebenswürdige, kapriciöse und
prickelnde Talent des mährischen Künstlers zu bester Gel-
tung. Über sein Leben und seinen Entwicklungsgang giebt
die ausgelegte Pariser Zeitschrift »La Plume" näher Auskunft,
deren Titelumschlag (mit dem Pegasus, dessen Flügel zu —
Schreibfedern verschnitten sind) von Mucha gezeichnet ist;
das ganze Heft (Nr. 197) ist dem künstlerischen Mitarbeiter
der Zeitschrift gewidmet, dem Erfinder der bekannten Pla-
kate für Mad. Sarah Bernhardt für das Theatre de la Re-
naissance: „Ghismonda", »La Samaritaine" und „La Dame aux
Camelias", sowie der Affichen für den „Salon des Cent" u.a.
Die Ausstellung wird hier manche dankenswerte Anregung
geben und das Interesse für das dekorative und illustrative
Kunstgewerbe, und besonders für das Plakat, in weiteren
Kreisen wecken. w. SCHölermann.
A. R. Aus Schulfes Kunstausstellung in Berlin. Eine
Vereinigung von neun Künstlern und Künstlerinnen, die
anscheinend mehr durch gesellige Beziehungen als durch
gemeinsame künstlerische Ziele zusammengeführt worden
sind, ist, wie seit mehreren Jahren schon, auch in diesem Jahre
mit einer Sammelausstellung vor das Publikum getreten.
Es sinofcdie Maler L. Dettmann, Josef Block, Reinhold Lep-
sius nebst seiner Gattin, Curt Herrmann, Philipp Franck,
Max Utli und die Bildhauerin Henny Geiger-Spiegel, denen
sich als neunter der Münchener Wilhelm Trübner zuge-
sellt hat, der aber nur mit einer seiner melancholischen,
graugrünen Landschaften von den Chiemsee-Inseln vertreten
ist. Im Gegensatze zu den früheren Ausstellungen dieses
Klubs, die zum grössten Teile aus Skizzen, Studien und un-
fertigen Arbeiten bestanden, die man aus ihrer Atelierruhe
nicht hätte aufstören sollen, enthält die diesjährige mit we-
nigen Ausnahmen ausgeführte Gemälde und Bildwerke, die,
wenn man von einigen koloristischen Experimenten und
Extravaganzen von L. Dettmann und Max Uth absieht, doch
den befriedigenden Eindruck ernsten Strebens hinterlassen.
Zwei Damenbildnisse von R. Lepsius gehören sogar zum
Besten, was dem feinsinnigen Charakterzeichner und ge-
schmackvollen Koloristen jemals gelungen ist, und auch
unter den Bildnissen Blocks finden sich einige, die wieder
an seine beste Münchener Zeit erinnern. Im übrigen lässt
sich aber nicht verkennen, dass dieser Künstler, der es be-
reits zu einer achtungswerten Selbständigkeit gebracht hatte,
seitdem er in Berlin lebt, mehr experimentiert und mehr
nach fremden Vorbildern schielt als ihm dienlich ist. Das
zeigt sich besonders in einer grossen Darstellung des Paris-
urteils, auf dem einzelne Figuren stark an Botticelli und
andere gleichzeitige Florentiner erinnern, während Färbung
und Beleuchtung durch die bunte Phantastik L. v. Hofmanns
beeinflusst zu sein scheinen. Philipp Franck schwelgt in
drei phantastischen, zum Teil mit Figuren in antiker Ge-
wandung staffierten, parkartigen Landschaften in Böcklin-
schen Stimmungen, die jedoch, so weit die Farbe in Betracht
kommt, nur verschleiert und in sanftmelancholischen Accorden
zum Ausdruck kommen. L. Dettmann hat in einer Strand-
landschaft bei Sturm ein bei ihm sonst ungewöhnliches,
dramatisches Motiv mit Kraft und Wucht behandelt. Die
Bildhatierin Frau Geiger-Spiegel endlich gehört nicht zu
den Künstlerinnen, die dem Auge des Beschauers mit nied-
lichen Sächelchen schmeicheln. Wie ihr Gatte Nikolaus
Geiger huldigt sie bisweilen sogar einem energischen Natu-
ralismus, und dieser ist auch in der lebensgrossen Gruppe
einer Pietä zur Herrschaft gelangt. — Die Vereinigung hat
sich diesmal nicht auf ihre eigenen Kräfte verlassen, sondern
auch mehrere auswärtige Künstler, besonders französische,
zur Beteiligung eingeladen. Was die Franzosen einge-
schickt haben, erhebt sich freilich nicht weit über den Be-
reich der Kuriosität. Den kaprieiösen Schilderer des Pariser
Lebens J. F. Rafaclli haben wir in Berlin schon besser
kennen gelernt als es hier durch drei kleine Bilder (eine
elegante Pariserin auf der Promenade, einen Lumpen-
sammler und eine Landschaft) geschehen könnte. Neu für
Berlin ist das Künstlerpaar Vallgren, das zu der Künstler-
gesellschaft gehört, die bisher auf dem Marsfelde in Paris
ausgestellt hatte. Vallgrens Kleinbronzen (Büsten, einzelne
Figuren, Figuren mit Urnen, Vasen und ähnliche Nippes-
sachen für Schreib- und Salontisch'i erfreuen sich in Paris
eines guten Rufes, weil man, wie man jetzt sagt, wenn man
nichts Besseres zusagen weiss, eine „Persönlichkeit" dahinter
zu erkennen glaubt. Sehr scharf umrissen ist diese Persön-
lichkeit aber nicht. Von den Bronzen sind jedenfalls nur
wenige über allgemeine Andeutungen hinaus zu tieferer
Charakteristik gediehen. Ihres Zieles sicherer und vor allem
sympathischer tritt uns seine Gattin Antoinette mit einem
für Tissots „Leben unseres Herrn Jesu Christi" bestimmten
Einbanddeckel entgegen, auf dem, von zierlichen Ranken-
gewinden und anderen Ornamenten umgeben, die Madonna
mit dem Kinde in zartestem Flachrelief dargestellt ist, mit
feinem und vollkommen richtigem Verständnis für die Ge-
setze der Flächendekoration. Zu den Eingeladenen gehört
auch ein deutscher Künstler, Hans St. Lerche, vermutlich
ein Sohn des Düsseldorfer Genremalers, der ebenfalls bereits
im Marsfeldsalon ausgestellt hat. Er hat sich auf die Keramik
geworfen und entfaltet in einer Anzahl von farbig bemalten
glasirten Schalen, Vasen, Krügen u. dgl. m. eine koloristische
Kraft und Frische, die an slavisches und ungarisches Bauern-
geschirr erinnern, und auf ähnliche Wirkung geht der Künstler
auch thatsächlich aus, da er diese Sachen in Paris unter dem
Namen „fai'ences rustiques" ausgestellt hat. — Auch in den
übrigen Räumen des Schulteschen Lokals fehlt es nicht an
Sammelausstellungen, von denen aber nur die des Pa-
risers Rene' Billotte ein starkes künstlerisches Gepräge zeigt.
Sie umtasst etwa fünfzig in Öl gemalte und in Pastell ge-
zeichnete Landschaften kleinen Formats, meist schlichte
Motive aus der Umgebung von Paris und aus Holland, denen
fast sämtlich ein kühler, grauer Ton eigen ist, der fast
jedem Bilde einen eigentümlichen, ans Poetische gren-
zenden Stimmungsreiz giebt. Man wird an gewisse Meister
der Schule von Fontainebleau und ihre Nachfolger, beson-
ders an die beiden Daubigny erinnert. Der übrige Inhalt
der November-Ausstellung geht nicht über das lokale Inter-
esse hinaus. Überwiegend ist ein mehr oder weniger liebens-
würdiger Dilettantismus, der bei einem dankbaren Publikum
eine wohlwollende Aufnahme findet.
Paris. — Kleine Ausstellungen. Bei Georges Petit hat
der Keramiker Lachenal eine sehr reichhaltige Sammlung
seiner jüngsten Erzeugnisse ausgestellt. Neben vielen sehr
Gelungenem — Tellern, die an den persisch-rhodischen Stil
leicht erinern, Vasen und Schüsseln aller Art und in allen
Tonschattirungen, Büsten und Statuetten nach Modellen von
Fix Masseau — findet sich auch manches Geschmacklose
und, was schlimmer ist, manches, war dem allerplattesten
Geschmacke des grossen Publikums recht weit entgegen-
kommt. Einen besonderen Reiz hat der Künstler seiner Aus-
stellung dadurch zu verleihen gewusst, dass er in einem
Nebenraume eine Art Atelier eingerichtet hat, in dem er den