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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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223

Bücherschau.

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nach Vorlagen Perugino's und Pinturicchio's gezeichnet habe,
ist auch durch Robert Kahl's Broschüre nicht erschüttert.
Man würde sich in einer so wichtigen Streitfrage gerne der
Meinung eines Kritikers anschliessen, der sein Verständnis
für Raffaels Jugendentwicklung längst durch die Festlegung
des Verhältnisses erwiesen hat, welches der Urbinate zu
Pinturicchio in der Libreria von Siena einnahm, aber wo die
Meinungen der sachkundigsten Männer sich so bekämpfen,
so subjektiv gefärbt sind, langt man schliesslich bei einem
resignirten „non liquet" an, und wird sich begnügen müssen,
wie das Schmarsow begonnen und Kahl fortgesetzt hat, die
verschiedenen Künstlerhände in Gruppen zu fixiren. Von
dem grösseren Teil der Kunstschätze, welche die jungen
Leipziger Kunstgelehrten unter Führung ihres Lehrers in
Altenburg sozusagen erst entdeckt haben, ist wohl den meisten
unter uns noch nichts bekannt gewesen. Aber gerade des-
halb wäre eine grössere Zahl von Abbildungen hier sehr
erwünscht erschienen. Man denke nur, dass in der kleinen
Altenburger Galerie die Sieneser Trecentisten mit ihren
grössten Namen vertreten sind. Die Einzelfigur eines Jo-
hannes des Täufers schreibt Schmarsow mit guten Gründen
dem Simone Martini zu, Lippo Memmi kann man in einer
mit vollem Namen bezeichneten Madonna bewundern, von
dem seltenen Pietro Lorenzetti ist ein Doppelbild vorhanden
mit einer Madonna und dem toten Christus. Die allegorisch-
mystische Komposition einer von Heiligen verehrten thronen-
den Maria mit einer Kreuzigung Christi im Spitzbogenfelde
hängt sogar mit dem gemütvollsten aller älteren Sienesen,
mit Ambrogio Lorenzetti, aufs engste zusammen. Eine Ver-
gleichung mit dem Altarwerk in der Strozzikapelle und dem
Gnadenbild im Tabernakel von Orsanmichele führte Schmar-
sow dazu, eine Krönung Mariä im Museum Lindenau als
ausgereifteste Arbeit zu bezeichnen, die wir von Andrea Or-
cagna besitzen, welcher mit „Bernardus de Florentia" (Ber-
nardo Daddi?), von dem die Galerie zwei Gemälde aufzu-
weisen hat, die Florentiner Trecentisten in Altenburg ver-
tritt. Einige köstliche Bildchen Fra Angelico's führen ins
Quattrocento hinüber, das durch die Namen Filippo Lippi
und Sandro Botticelli repräsentirt wird. Dem ersteren ge-
hört ein h. Hieronymus, den man früher Pesellino nannte,
auf Botticelli führt der Verfasser, wie es scheint mit un-
zweifelbarem Recht, ein herrliches Frauenporträt zurück, für
das er uns sogar den stolzen Namen zu geben weiss: Catha-
rina Sforza Riario. Ein Vergleich mit der im Text beige-
gebenen Medaille dieser Heroin des Quattrocento, die einem
Cesare Borgia zu trotzen wagte, muss auch den Ungläu-
bigsten von der richtigen Namengebung des Porträtes über-
zeugen, das jedenfalls unter die besten Bildnisse gezählt wer-
den muss, die wir heute noch von dem florentiner Meister
besitzen. Die Kunst des Quattrocento in Siena ist in Alten-
burg durch die Namen des Sano di Pietro, des Matteo di
Giovanni, des Guidoccio Cozzarelli u. a. veranschaulicht,
die Umbrer sind durch zwei grosse Altarflügel des Fiorenzo di
Lorenzo, durch eine Madonna des Giovanni Santi und end-
lich durch zwei Heiligengestalten des Pietro Perugino we-
nigstens einigermassen vertreten. Mit der Zuerteilung einer
kleinen Verlobung der h. Caterina an den noch immer etwas
mytischen Ansuino da Forli schliesst das letzte inhaltsvolle
Kapitel des Werkes ab, das die Mitglieder des Kunsthisto-
rischen Institutes mit ihren Namen unterzeichnet haben.
Durch so gediegenen Inhalt bezeugt die Publikation sich
selber ihren Wert, aber ihr Charakter als Gelegenheits-
schrift verleiht ihr noch besondere Bedeutung, wenn sie das
Kunsthistorische Institut in Florenz, ihren Leiter und ihre
Mitglieder der Sympathie der deutschen Hochschulen ver-

sichern will. Eine so sichere Grundlage aber ist für die
junge Anstalt nichts anderes als eine Lebensbedingung, wenn
sie sich nicht in der buntwechselnden Aufeinanderfolge der
mannigfachen Erscheinungen des modernen Lebens verlieren
will. Florenz war zweifelsohne als Heimstätte der deutschen
Kunstbeflissenen auf italienischer Erde der einzig wählbare
Ort; wollen wir darum aber die Augen verschliessen vor
den Schwierigkeiten, die der Nordländer immer im Verkehr
mit dem so begabten und gewandten, aber oft so unberechen-
baren Florentiner finden wird? Überdies betrachtet sich die
Arnostadt mit Recht als Hochburg der Wissenschaft im
neuen Königreich, als geistiges Centrum, nachdem es äusser-
lich die Hegemonie an Rom verloren, und die gelehrte Ger-
mania, welche gerade in Florenz nicht immer in ihren liebens-
würdigsten Typen vertreten war, flösst ihr Hochachtung,
aber auch Furcht und Misstrauen ein. Welch ein Verhäng-
nis, dass sich die junge Anstalt nicht mehr dem Schutze
jener herrlichen Frau empfehlen kann, die Jahrzehnte lang
die Geister ihrer Vaterstadt regierte, unter deren gastfreiem
Dach sich alle nationalen Unterschiede ausglichen, in deren
Salon in leichtem Gesprächston so viele Dinge erledigt wur-
den, die auf geschäftlichem Wege einen unendlichen Auf-
wand von Zeit und Kraft erfordert hätten! Aber Donna
Emilia Peruzzi, die der Gründung des Kunsthistorischen In-
stitutes in Florenz von vornherein das flammende Interessse
entgegengebracht hat, das sie an alles setzte, was ihr gut und
zweckmässig dünkte und die Kulturinteressen der Mensch-
heit zu fördern schien, betrachtet ihr Lebenswerk als voll-
endet, und die immer offenen Thüren des Salons der schwer-
leidenden Frau haben sich geschlossen. Aber ein Rat, den sie
ihren jungen Freunden aus fremden Ländern gerne wiederholte,
mag auch hier genannt sein. Er fasste sich in die Mahnung
zusammen, die Studien in Italien nicht nur auf Kunst und
Kultur der Vergangenheit zu beschränken, sondern im viel-
seitig angeregten Leben der florentiner Gesellschaft auch dem
Studium der Völker nachzugehen, in dem grossen Meere der
Menschheit nach den Perlen zu suchen, deren Besitz uns
das Dasein so unendlich reich und glücklich gestalten kann.
— Man denkt zunächst an die römischen Schulen als Muster
und Norm für die neue Anstalt. Aber es lässt sich schon
jetzt voraussehen, dass ihre Stellung eine ganz andere, weit
exponirtere, ja in beschränktem Sinne bedeutungsvollere sein
wird, weil viel mehr von der öffentlichen Aufmerksamkeit
getragen und darum — so darf man hoffen — viel leichter
vermittelnd zwischen den beiden Nationen. Die Indifferenz
der alten Roma ist bekannt. Hier sind die Lehranstalten
fremder Nationen eine so alte in immer neuen Formen sich
äussernde Erscheinung, dass kein Mensch daran denkt, ihre
Stellung herabsetzen oder ihr Ansehen erhöhen zu wollen.
Und doch legt sich uns beim Vergleich der römischen Ver-
hältnisse für die florentiner Anstalt ein Wunsch auf die
Lippen. Möchte es dem kunsthistorischen Institut gelingen,
in seiner Mitgliederschaft das Bild einer so festgeschlossenen
Korporation zu repräsentiren wie die Ecole francaise im
Palazzo Farnese und in aller Zukunft einer so sicheren, takt-
vollen und geräuschlosen Leitung sich erfreuen wie das
Deutsche Archäologische Institut auf dem Kapitol. e. st.

Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich
Württemberg-. Im Auftrag des Kgl. Ministeriums des
Kirchen- und Schulwesens bearbeitet von Dr. Eduard
Paulus, Konservator der vaterländischen Kunst- und
Altertumsdenkmale. Schwarzwaldkreis. Stuttgart, Paul
Neff, 1897.

Bereits in Nr. 2 der Kunstchronik 1896/97 habe ich auf
 
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