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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Friedländer, Max J.: Zwei Galerie-Publikationen Johann Nöhring's
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0218

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419

Zwei Galerie-Publikationen Johann Nöhring's.

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Die verdiente Lichtdruckanstalt von Joh. Nöhring
in Lübeck, die schon vor Jahren eine grössere Zahl
wohl gelungener Lichtdrucke nach Gemälden der
Sammlung angefertigt hat, beginnt jetzt mit einer auf
vier Lieferungen, 100 Tafeln, berechneten Veröffent-
lichung der Schweriner Gemälde. Die neuen Licht-
drucke zeichnen sich wie alle Arbeiten der Lübecker
Anstalt durch eine schlichte Solidität aus, die künst-
lichen Aufputz vermeidet und auf das sonst vielfach
beliebte Retuschieren und „Verschönern" der Nachbil-
dungen grundsätzlich verzichtet. Für wissenschaft-
liche Zwecke namentlich sind die Blätter muster-
gültig. Besonders erfreulich ist das ungewöhnlich
stattliche Format der Abbildungen (durchschnittlich
30x22 cm) und die vollkommene Haltbarkeit und
Unveränderlichkeit, die dem eigentlichen Lichtdruck
eigen ist. Der Lichtdruck erscheint hier in seiner natür-
lichen stumpfen Oberfläche, nicht mit einer Glasur.

Ober die Auswahl der abgebildeten Gemälde
kann heute, da nur die erste Lieferung vorliegt, kein
rechtes Urteil abgegeben werden. Für die Bestimmung
der Bilder ist natürlich der von Schlie verfasste Kata-
log der Galerie massgebend, der bei seinem ersten
Erscheinen (1882) durch die Gründlichkeit und Ge-
nauigkeit der Angaben und die vorsichtige Sorgfalt
der Zuschreibungen Aufsehen erregte.

Die uns vorliegende erste Lieferung bringt 25
Tafeln, mit Ausnahme einer Architektur von Bellotto
und eines Geflügelstückes des in Frankreich thätigen
Oudry, nur niederländische Werke des 17. Jahrhun-
derts, ganz überwiegend holländische. Von den
vlämischen Bildern der Sammlung bringt die Mappe
das mit dem Monogramm signierte Gemälde des Van
Herp, eines seltenen, ziemlich schwachen Nachahmers
des Rubens und des Snyders, und zwei voll bezeich-
nete sehr gute Arbeiten des Tenlers.

Unter den reproduzierten holländischen Gemälden
sind die verschiedenen Gattungen der holländischen
Malerei ziemlich gleichmässig vertreten, das Porträt,
das Genre, die Landschaft, die Marine. Rembrandt,
von dem die Schweriner Galerie zwei Studienköpfe
besitzt, ist in der Lieferung nicht vertreten, aus seiner
Schule stammt das abgebildete ausdrucksvolle Brust-
bild eines betenden Greises, das dem Salomon Köninck
zugeschrieben wird. Von dem hoch begabten, früh ver-
storbenen Rembrandtschüler Carel Fabrlüus, dessen
Werke höchst selten sind, besitzt die Schweriner
Galerie das berühmte Hauptwerk, den „Landsknecht"
(oder die „Wache"). Das voll bezeichnete und mit
dem Todesjahr des Meisters (1654) datierte Bild er-
innert am ehesten an die gleichzeitigen Schöpfungen
des Nikolaas Maes, in der an Rembrandt's Vorbild
geschulten malerischen Behandlung und der schlichten
Auffassung des Motives. Die historische Bedeutung
des Carel Fabritius liegt darin, dass er zwischen

Rembrandt, der sein Lehrer, und dem Delfter v. d.
Meer, der sein Schüler gewesen sein soll, zu ver-
mitteln scheint. Wie Fabritius von Rembrandt zu
den grossen Koloristen, dem Delfter Meer und Pieter
de Hoogh hinüberleitet, so führt Oerard Don, der
sich an Rembrandt's Jugendstil bildete, von dem
grossen Mittelpunkt zu den Leydener Feinmalern. Dou
ist in unserer Lieferung mit dem Genrebilde einer
Köchin gut vertreten, während von seinem Nach-
folger, dem älteren Frans Mieris, eine durch das frühe
Datum (1658) interessante Gesellschaftsscene abgebildet
ist, die freilich mehr an das Muster Terborch's als
an das Dou's denken lässt. Der schöne „Tcrborch"
der Schweriner Galerie — auch von 1658 —, der
sich in der Lieferung befindet, hat unter den wenigen
reicheren Kompositionen des Meisters in deutschen
Sammlungen kaum ein gleichwertiges Gegenstück.

Das Genrebild einer sitzenden alten Frau ist
mit einer Nottaufe Brekelenkam genannt. Die leicht
kenntliche Art dieses tüchtigen Meisters erscheint
nicht deutlich in dem Bilde. Der hier abgebildete
,,Steen" der Sammlung ist bezweifelt worden, doch
scheint trotz der wunderlichen und wohl falschen
Signatur die Echtheit des Bildes nicht ausgeschlossen.
Jan Steen ist ja unter allen holländischen Malern
vielleicht der am wenigsten gleichmässige, was die
Qualität der Arbeiten betrifft. Übrigens muss unser
Bild, falls es nicht von Steen herrührt, eine Kopie
nach ihm sein, da die Anordnung, die Auffassung und
die Typen wenigstens ganz ihm gehören.

Besonderes Interesse erregen die vier hier abge-
bildeten Gemälde von Paul Potter, um die alle
deutschen Galerien die Schweriner Sammlung be-
neiden. Die Bilder des früh verstorbenen Tiermalers
sind im allgemeinen so selten, dass der Besucher
der Schweriner Galerie mit Erstaunen die echten „Potter"
findet. Freilich zu den allerbesten Werken des
Meisters gehören sie nicht, doch geben die mit der
schönen Kursivsignatur des Malers voll bezeichneten
und datierten Bilder — 1648 (zweimal), 1649, 1651
— eine klare Vorstellung von der Art des Malers.
Das Landschaftliche leidet, wie fast stets bei Potter,
unter dem Mangel an Mittelgrund, auch ist es mit
einer gewissen ängstlichen Trockenheit durchgeführt.
Die Menschen sind ein wenig plump gezeichnet. Die
unvergleichlich scharfe Beobachtung ist durchaus
auf das Weidevieh koncentriert, dessen Gestalt, Be-
wegungsart, Hautstruktur, Blick und Ausdruck be-
wundernswert wiedergegeben sind.

Van Ooijen, der das holländische Heimatland
in etwas eintöniger Weise, aber mit feiner Empfin-
dung für Luft und Licht dargestellt hat, ist mit zwei
Bildern gut vertreten. Der „Philips Wouwermann"
der Sammlung fällt durch den ungewöhnlichen Gegen-
stand auf — eine Bärenhetze. Vielleicht dass dem Meister
 
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