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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Schumann, Paul: Neunter Tag für Denkmalpflege in Lübeck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0010

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Neunter Tag für Denkmalpflege in Lübeck

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denkmäler, das Prof. Dehio im Auftrage des Tages
für Denkmalpflege herausgibt, ist soeben der dritte
Band erschienen, der Süddeutschland behandelt und
etwa 39 Bogen umfaßt. In den Ausschuß für das
Handbuch wurde an Stelle des verstorbenen Geh.
Justizrates Dr. Lörsch Prof. Dr. Clemen-Bonn gewählt,
so daß der Ausschuß jetzt aus Geh. Hofrat v. Öchel-
häuser, Geh. Hofrat Gurlitt und Prof. Clemen besteht.

Von den acht Vorträgen, die an den beiden Tagen
— am 24. und 25. September — gehalten wurden
beschäftigten sich drei — von Ministerialrat Kahr, Amts-
richter Dr. Bredt und Prof. Dr. Weber — mit den
gesetzlichen Grundlagen und den Vollzugsorganen
der Denkmalpflege, einer — Baudirektor Baltzer —
zeigte die Wirksamkeit der baupolizeilichen Ver-
ordnungen und privaten Bemühungen um die Denk-
malpflege an Bildern, zwei — Gurlitt und Clemen —
brachten Vorschläge und allgemeine Grundsätze für
besondere Gebiete der Denkmalpflege, dazu zeigte
Baurat Gräbner an Bildern, wie er An- und Um-
bauten alter Bauten im modernen Sinne vornimmt,
endlich bereitete Baudirektor Hamann die Besucher des
Denkmalpflegetages durch einen baugeschichtlichen
Vortrag auf den Besuch der alten Hansestadt Wismar
vor, mit dem der Denkmalpflegetag abschloß. Die
Auswahl der Vorträge muß in ihrer Mannigfaltigkeit
als durchaus zweckmäßig bezeichnet werden; aus der
Fülle des Dargebotenen kann sich jeder Besucher
heraussuchen, was ihm liegt. Ausgenommen sind nur
der Vorsitzende und die Berichterstatter der Zeitungen
und Zeitschriften, die pflichtgemäß alles über sich
ergehen lassen müssen und damit eine recht erheb-
liche Arbeit leisten. Der Vorwurf, es werde nicht
viel oder durchweg Neues geboten, ist zurückzuweisen,
denn es handelt sich auch darum, die einmaligen
Besucher des Tages in die Absichten der Denkmal-
pflege einzuführen und nach verschiedenen Seiten An-
regungen zu geben. Solche aber bot auch der
Lübecker Tag in Fülle.

Auf die einzelnen Vorträge können wir des uns
zugewiesenen Platzes wegen nur kurz eingehen.
Ministerialrat Kahr- München sprach über die neuer-
lichen Verwaltungsmaßnahmen auf dem Gebiete der
Denkmalpflege in Bayern. Man gewann den Eindruck,
daß in Bayern in ausgezeichneter Weise für Denkmal-
pflege, Heimat- und Naturschutz gesorgt ist. Im all-
gemeinen bemerkte der Redner zu seinen Ausführungen,
daß die einschlägigen Vorschriften durchaus nicht
dazu bestimmt seien, eine polizeiliche Kunstpflege zu
üben oder das freie künstlerische Schaffen im Sinne
einer altertümlichen Kunstpflege polizeilich zu beein-
flussen; dies komme in den Vollzugsanweisungen
klar zum Ausdruck. Andererseits böten diese Vor-
schriften den Behörden die notwendige Handhabe,
um zweifellos Häßliches im Bauwesen hintanzuhalten
und da, wo es notwendig ist, auf Zuziehung künst-
lerischen Beirats hinzuwirken. An einigen Beispielen
zeigt der Redner auch, wie ohne gesetzlichen und
polizeilichen Zwang bei scheinbar unüberwindlichen
Schwierigkeiten Taten der Denkmalpflege durch
energisches opferwilliges Vorgehen vollbracht werden

können, so die Hintanhaltung des drohenden Ab-
bruchs der großen Burganlage der Neuburg am Inn
durch den Volkskunstverein in München und dessen
opferwillige werktätige Mitarbeit beim Aufbau des ab-
gebrannten Gebirgsdorfes Zirl. Überhaupt ist bei der
Organisation der Denkmalpflege in Bayern der Schwer-
punkt auf die Mitwirkung weitester Kreise gelegt
worden, da, wie der Redner mit Recht ausführte, eine
praktische Denkmalpflege nur möglich ist, wenn die
Bevölkerung selbst ihre Denkmäler in Schutz und
Pflege nimmt.

Cornelius Ourlitt legte in seinem Vortrag über
Freilegung und Umbauung alter Kirchen an zahlreichen
Beispielen — Köln, Ulm, Worms, Dresden usw. —
dar, nicht Freilegung sei das Ideal, auch nicht Um-
bauung, sondern sorgfältige Erwägungen müßten in
jedem Falle den Ausschlag geben. Die Freilegung
des Kölner Domes war ein Fehler, in Ulm, wo man
einst das Münster freilegte, sucht man jetzt durch
einen Wettbewerb die Mittel, die Folgen dieses Fehlers
zu beseitigen, ein Zeugnis dafür, daß sich im Volk
ein tiefgehender Wandel vollzogen hat, daß der alte
künstlerische Idealismus zusammengebrochen ist, der
die Baukunst als Selbstzweck feiert. Es gibt keine
prinzipielle Lösung der Frage, ob man Kirchen um-
bauen oder freilegen soll. Es kann und soll keine
geben. Nur wenn man jede Aufgabe aus sich selbst
heraus zu lösen sucht, wird man zu befriedigenden
Ergebnissen kommen. Nur wenn man solche Ange-
legenheiten in breiter Öffentlichkeit behandelt, wenn
man überall die Besten zur Mitwirkung heranzieht,
wird man über den Schematismus, über die Nach-
ahmung hinaus zur besten jeweiligen Lösung im
Sinne unserer Zeit kommen.

Zu dem gleichen Ergebnis kam der frühere
Bürgermeister Herr Charles Buls von Brüssel an den
Beispielen der Kathedralen zu Antwerpen, Tournay
und Löwen. Geheimer und Oberbaurat Stäbben er-
klärte, besonders auf den Kölner Dom hinweisend,
Freilegungen, die aus wohlerwogenen unabweislichen
Verkehrsrücksichten hervorgegangen seien, hätten er-
fahrungsgemäß kaum je ein Übel angerichtet. Weit
mehr Vorsicht sei aber bei Freilegungen aus ästhe-
tischen Rücksichten geboten. Andererseits erklärte es
Stübben am Beispiel von Löwen für sehr wichtig,
daß Stadt oder Kirche sich in den Besitz der Häuser
setzten, die eine Kirche in der nächsten Nähe um-
geben, damit unerwünschte, schädigende Verände-
rungen oder Neubauten von Privaten verhindert wer-
den können. Geheimer Oberbaurat Hoffmann-Darm-
stadt betonte namentlich, daß die Architekten jetzt
oft noch zu wenig städtebaukünstlerisch schaffen und
daß die Behörden noch zu wenig städtebaukünstlerische
Forderungen stellen. Er sei aber überzeugt, man
werde noch dazu kommen, daß Neubauten in der
Nähe künstlerisch oder geschichtlich hervorragender
Gebäude ohne den perspektivischen Nachweis, daß
der Neubau in den bestehenden Rahmen des Stadt-
bildes hineinpaßt, nicht genehmigt werden.

Prof. Dr. Clemen-Bonn sprach über die Erhaltung
der Grabdenkmäler und der Friedhöfe. Er erklärte
 
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