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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0018

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Literatur

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vaggio wird ausführlich besprochen. Freilich eine spe-
zifisch römische Kunst war es nicht und zu.einer voll-
kommenen Befreiung von den alten historischen Tendenzen
ist es in der italienischen Barockmalerei doch nicht ge-
kommen. Subjektivistische Neigungen besonders im Sinne
Correggios drangen vor, die Verinnerlichung der Auf-
fassung macht sich nicht nur im Ausdruck, sondern auch
in der Technik der dunklen Grundierung geltend. Aller
Naturalismus, alle Lichteffekte sind doch nicht um ihrer
selbst willen, sondern im idealistischen Sinne angewendet.
Der kausale Zusammenhang der Dinge untereinander, der
uns Nordländern allein schon genügt, kommt doch nur in
sekundärer Linie in Betracht.

Zahlreich sind die geistvollen Beobachtungen und oft
nur in kurze Schlagworte gefaßt. Hochinteressant und
bedeutend für den, der sich mit dem Barock befassen will.
Die Eigenarten des Vortrags und der individuellen Aus-
drucksweise, die manche zu scharf oder gar abstrakt finden,
verstärken nur die Originalität der Auffassung, f. Knapp.
f A. G. Meyer und R. Graul, Tafeln zur Geschichte der
Möbelformen. Serie IV, Tischformen, 10 Taf. Fol. und
62 S. kl.-8°; Serie V, Truhen, 10 Taf. und 54 S.;
Serie XI—XII, Mobiliar von 1780—1840, 20 Taf. und
60 S. Leipzig, K.W.Hiersemann, 1907 u. 1908. ä Mk. 15.—.
Die durch den Tod Meyers verwaiste Publikation
konnte keinen geeigneteren Fortsetzer finden als R. Graul,
der mit der umfassenden Kenntnis des Stoffs die Gabe
der konzisesten Darstellung verbindet. In den Textbändchen
sind auf kleinstem Raum die Entwicklungsstufen über Jahr-
tausende hin so lichtvoll herausgestellt, daß man fast im
Flug die Typen jeder Kunstepoche erfaßt; wobei man
freilich bedauern kann, daß die hübschen und so überaus
lehrreichen Hinweise Meyers auf die soziale Bedingtheit
der Möbelformen nicht fortgeführt wurden. Die Kunst der
Beschränkung, der äußersten Auswahl bewährt sich noch
mehr in den Abbildungen, wo aus der Überfülle wirklich
nur die ganz charaktervollen Beispiele aufgenommen wurden.
Warum übrigens die Zeichnung bei dem großen Maß-
stab verhältnismäßig so roh und dick, sehr zum Nachteil
alles feineren Dekors und Ornaments, angelegt ist, ist
schwer begreiflich. Wir haben doch Möbelzeichner, die
auch mit der Feder dem Charakter, der Technik, dem Ge-
füge, ja selbst dem Stoff der Originale ganz anders nahe
zu kommen wissen. — Der Tisch ist im Altertum das be-
weglichste, leichteste Möbel, dessen für alle Zeit güllige
Kunstformen in spätrömischer Zeit ausgeprägt wurden. Im
Mittelalter herrscht der schwere, bohlengefügte Schrägen,
der fast unbeweglich den Mittelpunkt des Zimmers bildet,
In der Renaissance tauchen allmählich die leichteren an-
tiken Formen wieder auf und sie verfeinern sich im Barock
und Rokoko in den Konsol-, Schreib-, Spiel- und Toiletten-
tischchen zu graziösesten Bildungen. — Die Truhe, dem
Sarge verwandt, ist im Altertum und Mittelalter das wert-
vollste Kastenmöbel, der höchste Stolz des Hauses, woran
sich vorerst der Eisenbeschlag, dann aber auch die Malerei
und Plastik üppig entfalten, im kirchlichen Gebrauch oft
der Hausform mit Satteldach (Reliquienschrein) folgend,
sonst vielfach zugleich als Bank, Tisch und Bett benutzt
und abgewandelt. Im vornehmen Haushalt stirbt die Truhe
seit Ende des 17. Jahrhunderts ab, nur im Bauernmöbel
vegetiert sie, schließlich ganz verkommen, bis zur Gegen-
wart. — In dem Supplementheft ist die Ordnung nach
Typen aufgegeben, um den Drang nach Stileinheit in der
Möbelkunst, den neuen Begriff der »Garnitur«, der die
volle, gleichartige Ausstattung eines Zimmers mit stil-
gleichen Möbeln begreift, anschaulich zu machen. Und
neben der Stilwandlung vom graziösen Louis XVI. zum
pomphaften Empire und zum bürgerlich-einfachen Zopf-

und Biedermeierstil kommt die endlose Vielfältigkeit und
Differenzierung der Typen, verbunden mit der Lust an
wunderlichen Kombinationen in den hauptsächlichsten Bei-
spielen zur Anschauung.

Da dies Tafelwerk in erster Linie dem Schulgebrauch
gewidmet ist, so bleibt dem erklärenden Wort des Lehrers
naturgemäß noch ein weiter Spielraum. Aber den Text
so ausschließlich auf den Verstand der Wissenden zu-
zuschneiden, scheint mir etwas hart. Man würde gewiß in
weiten Kreisen für mehr kulturhistorisches, technisches und
stilgeschichtliches Material, für anschauliche Detailunter-
weisung recht dankbar sein. b.
Felix Raible, Der Tabernakel einst und jetzt. Eine
historische und liturgische Darstellung der Andacht zur
aufbewahrten Eucharistie. Aus dem Nachlaß des Ver-
fassers herausgegeben von Engelbert Krebs. 336 S. 8°
mit 14 Tafeln und 53 Abbildungen im Text. Frei-
burg i. Br. 1908. Preis Mk. 6.60.

Es ist eine fremdartige Welt, in die der protestantische
Leser durch dies Buch versetzt wird. Aber, wenn es ihm
auch nicht sonderlich behaglich darin ist, nützlich, wenigstens
für den Kunsthistoriker, ist eine solche Einkehr eineweg.
Hat doch die Fürsorge, welche der würdigen und sicheren
Verwahrung der Hostie von der Kirche seit Anbeginn ge-
widmet wurde, eine ganze Reihe wichtiger Kirchengeräte
ins Leben gerufen, an denen sich christliche Kunst in
hervorragender Weise betätigen konnte. Und zum Ver-
ständnis dieser Geräte und ihrer eigenartigen Formen ist
ja wohl Voraussetzung, daß man auch die Gedanken und
Gefühle kenne, aus denen heraus sie geschaffen wurden.
Wer sich die Mühe nicht verdrießen läßt, kann aus dem
reichlich breit, oft geradezu schwülstig geschriebenen
Buch willkommene Belehrung schöpfen über die eucha-
ristischen Tauben und Türme, über die hängenden Taber-
nakel und Wandtabernakel des frühen Mittelalters. Mit
Einführung des Fronleichnamsfestes kommen dann die
Sakramentshäuschen auf, deren Schilderung für unser Be-
dürfnis leider zu wenig eingehend ist; das Buch will eben
nicht dem Kunsthistoriker in erster Linie dienen; es ist
vielmehr, wie der Herausgeber bemerkt, »die Arbeit eines
Priesters, dem die Erbauung und der praktische Nutzen
letztes Ziel und Ende, die Wissenschaft lediglich ein sorg-
sam benutztes Mittel hierzu ist. Als ein wissenschaftlich
fundiertes Werk für die Praxis will das Buch einzig auf-
gefaßt sein«. Der Ruhm, den auf dem Altar selbst be-
festigten Tabernakel und damit den heute üblichen
Hostienbehälter zuerst eingeführt zu haben, gebührt nach
Raible der französischen Kirche; die Behauptung von
F. X. Kraus (Geschichte der christlichen Kunst II, 1, 468):
die eigentliche Heimat des Altartabernakels sei Deutsch-
land, erklärt er für patriotischer als richtig. Wie nun dieser
Altartabernakel so zu gestalten sei, daß er allen Gesetzen
der Liturgik, den Regeln der Kunst und den Anforderungen
der Praxis gleichzeitig in möglichster Vollkommenheit
entspreche, dafür gibt der Verfasser schließlich wohlgemeinte
praktische Winke, wobei mir nur unverständlich blieb,
warum gerade dieser Abschnitt des Buches der Abbildungen
fast ganz entbehrt: eine stattliche Reihe glücklicher Lösungen
des Problems, in guten Bildern vorgeführt, hätte hier für
die Praxis ganz besonders förderlich sein müssen. Ver-
mißt habe ich auch, daß der merkwürdige und vielerorts
übliche Brauch, die Karfreitagshostie in der Brust einer
lebensgroßen Christusfigur zu verschließen, keine ein-
gehende Würdigung erfahren hat. Schließlich möchte ich
bemerken, daß Raibles Deutung, die er seiner Abb. 19
gibt, mich ganz und gar nicht überzeugt hat. Einen be-
sonderen Wert verleiht dem Buch des praktischen Priesters,
daß ein so gelehrter Priester wie Dr. Krebs die An-
 
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