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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0060

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103

Sammlungen

104

An die Pariser und Aiblinger Zeit Leibis erinnern nur einige
rasche Skizzen. An seinen Übergang zur späteren absoluten
Sachlichkeit ein lebensgroßes Uniformporträt des Barons
Stauffenberg (siebziger Jahre), das dann ganz psychologisch
gleich mit dem Übermaß beginnt. Von dieser Papierenheit
ging er sofort wieder ab. — Im Hagenbund ist der
Hauptgast Theo van Rysselberghe. In den zehn Jahren,
seitdem er hier zum erstenmal in der Sezession erschienen,
hat er sich ganz wesentlich gewandelt. Er ist nicht mehr
»Neo-Impressionist«, d. h. Pünktler mit Punkten von streng
komplementärer Farbe. Er »divisioniert« zwar noch immer,
und mit Recht, aber jenes Rezept mit seiner Rezeptmäßig-
keit scheint endgültig aufgegeben. Als sprechendsten Beweis
bringt er ein Bildnis des wundersamen neubelgischen Poeten
Emile de Verhaeren, den er damals gepünktelt ausstellte,
jetzt ohne Spur dieser Manier. Und er lebt auch so. Ich
verweise übrigens darauf, daß selbst Paul Signac (neben
Seurat damals der Oberpünktler) schon dazumal in seinem
Büchlein über dieses System kleinlaut bemerkte, es scheine,
daß alle diese ergänzungsfarbigen Punkte die Tendenz
hätten, mit der Zeit in ein neutrales Grau zusammen-
zufließen. Mit dieser Neo-Impression ist es also theoretisch
und praktisch aus. Ludwig Hevesi.

Die achte Jahresausstellung der Vereinigung Köl-
ner Künstler ist im dortigen Kunstgewerbemuseum er-
öffnet worden.

Im Kunstgewerbemuseum in Berlin ist ein von
Fräulein Luise tiamkens konstruierter sogenannter Schul-
webestuhl ausgestellt, er will der Hausarbeit der Frauen,
zugleich für Weberei, Gobelin Wirkerei und Knüpfarbeit,
dienen. Damit ist die Ausstellung einer Auswahl ver-
schiedener Gewebe und Teppiche verbunden, die auf dem
Stuhle hergestellt sind.

In Metz ist eine Ausstellung der unabhängigen
lothringischen Künstler eröffnet worden.

Im Festsaai des Wiesbadener Rathauses hat die
»Gesellschaft für bildende Kunst« eine Kallmorgen-Aus-
stellung eröffnet. An hundert Gemälde und Zeichnungen
sind darin vereinigt.

-f Die Eidgenössische Kunstkommission beschloß
Beteiligung der Schweiz an der nächsten internationalen
Kunstausstellung in München. Die Kommission setzte
sich die Aufgabe, die Frage der Ausstellungslokalitäten in
den hauptsächlichen Schweizerstädten zu studieren. Die
heurige nationale Kunstausstellung (Salon) in Basel,
durch unzulängliche Räume schwer beeinträchtigt, ergibt
ein Defizit. Die Schweizerische Freie Künstlerver-
einigung Sezession veranstaltet ihre zweite nationale
Ausstellung in Lausanne.

SAMMLUNGEN
Neuerwerbungen für die Neue Pinakothek in
München. Im Kunstverein sind neuerdings die während
des Jahres igo8 vom Staat erworbenen neueren Kunst-
werke ausgestellt worden. Die meisten von ihnen sind
auf den hiesigen Ausstellungen des letzten Jahres erworben
worden und somit dem Publikum nicht mehr unbekannt.
Nicht als Novitäten also werden sie gezeigt, sondern als
Zeugen staatlichen Mäzenatentums. Dies gibt den Stand-
punkt für die Beurteilung. — Mit gespannter Erwartung
treten wir ein. Ein großer Saal ist mit den Bildern ge-
füllt worden. Hier ihre Liste. Angekauft wurden: Albert
v. Keller: 1 Zur Audienz, 1871; 2. Kaiserin Faustina im
Junotempel zu Präneste (Studie), 1881; 3. Gartenbank aus
der Villa Wolkowsky in Rom, 1885; 4. Zwei Damen beim
Tee, 1886; 5 Saal in Versailles; 6. Fr. v. Ufide; La Chan-
teuse, 1882; Karl Spitzweg: 7. Irrlicht; 8. Der Schreiber;
9. Der Rabe; 10. Am Ammersee; 11. Mönch und Katze;

12. Ed. Schleich: Landschaft, 1832; 13. H. v. Zügel: Kühe
im Moor; 14. Rob. Raudner: Lindenalle in Schleißheim;
15. Peter Paul Müller: Bach im Winter; 16. Max Rabes:
Sonntag in Algier; 17. Franz Grässel: Enten am Ufer;

18. A. v. Hildebrand: Büste des Bildhauers Floßmann;

19. —36. Werke der Diezschule: Jul. Adam: Männliches
Porträt, 1877; Jos. Weiser: Studienkopf eines alten Mannes;
Frank Duvenek: Männliches Porträt, und sofort. Studien
von Max Correggio, Ad. Echtler, Ludwig Hederich, Hermann
Hartwich, Markus Qrönwold, Wilhelm Herter, Ernst Zimmer-
mann, Jos. Emil Squindo, Heinrich Weber, Karl Schultheiß,
L. v. Löfftz, Paul Höcker, Carl Mayer-Graz, Gotthard Kühl.

— Geschenkt wurden: ein Kinderköpfchen von Gustav
Läverenz, ein Mädchenbild der verstorbenen Marg. v. Ku-
nowski, eine Reihe älterer Bildchen von Dorner, Wagen-
bauer, Enhuber, Lichtenheld und eine Kollektion von Wil-
helm Busch.

Von den Ankäufen allein soll hier gesprochen werden.
Das jährliche Budget für Erwerbungen neuerer Kunst be-
läuft sich auf 100000 Mk., — keine kleine Summe!
Der Privatsammler, der sie zu seiner Verfügung hat,
kann damit immerhin etwas leisten. Das Staats-
ministerium, das die Verantwortung trägt, gibt die
Summe jedoch nicht dem Geschmack eines Mannes preis,
sondern einer zahl- und würdereichen Kommission, die
die anzukaufenden Werke vorschlägt. Sehen wir uns das
diesjährige Resultat näher an.

Eins fällt auf: 6/6 der angekauften Werke gehören der
Vergangenheit an; 1/e entstammt unseren Tagen. 2/3 der
angekauften Werke lebender Künstler sind Jugendarbeiten.
Wir leben in einer Zeit, die Sinn für Geschichte und Ent-
wickelung hat, mehr als für Qualität. Die alten Fürsten
und Sammler kauften Werke von Dürer, Rubens, Tizian, —
einfältigerweise vor allem gute Stücke; fragten übrigens
auch nicht danach, ob die Künstler auch Münchner ge-
wesen und etwa zur Luitpoldgruppe gehört hätten. Der
Erbe der alten Fürstensammlungen — der Staat — kauft
nach historischen Gesichtspunkten. Nicht der beste Keller,
Uhde, Kühl usw. wird erworben, sondern Frühwerke von
ihnen. Wieviel interessanter sind diese doch, aufschluß-
reicher für ihren Werdegang! Wie glücklich wären wir,
hätte Kurfürst Maximilian nicht die zwei Apostelbilder von
Dürer erworben, sondern statt deren einige Atelierstudien
aus Dürers Lehrzeit! Wie schade, daß er uns nicht durch
Ankäufe von Schülerarbeiten aus Dürers Werkstatt unter-
richtet hat über den Einfluß Dürers auf seine Zeit! Was
nie ein Kunstfreund zuvor getan hat, — hier ist's geschehn:
Man kaufte nicht Meisterwerke (oder doch solche, die
man dafür hielt), sondern mit vollstem Bewußtsein
Schülerarbeiten; unzulängliche Ausdrucksversuche unselb-
ständiger Trabanten einer Persönlichkeit! Man ist stolz —
nicht eine Sammlung der besten Arbeiten des (viel über-
schätzten, aber doch wackeren) W. v. Diez zu haben,
sondern eine Menge mehr oder minder gut zu zensierender
Schulaufsätze seiner Klasse. Man ehrt nicht den Künstler
Diez, sondern den Oberlehrer Diez. Man kauft nicht den
besten Schleich, der etwa noch im Kunsthandel zu haben
wäre, sondern den frühesten. Und man kauft nicht die
Sachen von Uhde, in denen der Künstler, nach dem Ringen
und Kämpfen eines Menschenalters, die Worte gefunden
hat, zu sagen, was er leide und was ihn beglücke, sondern
ein (wenn immer auch respektables) Werk, in dem er
nicht seine eigene, sondern die Sprache Munkacsys spricht.

— Sind solche Bestrebungen an sich schon von sehr
zweifelhaftem Wert und für die rein künstlerische Auswahl
direkt gefährdend, so kommt nun noch ein zweites, höchst
auffallendes Moment hinzu: Der weitaus größte Teil der
angekauften Werke besteht nicht aus Bildern, sondern aus
 
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