Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0062

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
107

Literatur

108

LITERATUR

Richard Greeff, Rembrandts Darstellungen derTobiasheilung.
Nebst Beiträgen zur Geschichte des Starstichs. Eine
kulturhistorische Studie. Verlag von Ferdinand Enke
in Stuttgart 1907.

Den Anlaß zu dem vorliegenden Buche aus der Feder
eines Augenarztes gab die Beobachtung des Verfassers —
worauf bisher noch niemand hingewiesen hatte —, daß
Rembrandt auf seinem Bilde der Heilung des Tobias im
Palais Arenberg in Brüssel eine ganz realistische Darstellung
einer alten Staroperation (Reklination, Niederdrückung der
Linse) gegeben hat. Hieran anschließend widmet Greeff zu-
nächst der Geschichte des Starstiches, den wissenschaftlichen
Abbildungen der Staroperation und der Starnadel je einen
kurzen Abschnitt. Dann untersucht er, bei wem Rembrandt
einer Augenoperation persönlich beigewohnt haben kann.
Interessant ist der im folgenden Kapitel gegebene Hinweis
auf eine Ungenauigkeit der Bibelübersetzung Luthers, durch
die Rembrandt überhaupt darauf gebracht wurde, seiner
Darstellung der Heilung des Tobias gerade eine Star-
operation zugrunde zu legen. In Wirklichkeit ist die
Krankheit des Tobias nämlich nur eine oberflächliche
Hornhauttrübung, deren im Text gegebene Entstehungs-
ursache sich auch medizinisch erklären läßt. Der griechische
Bibeltext spricht gar nicht vom Star, sondern von dem
Hornhautfell, r6 Xmixwfiaxa, das dem Tobias wie das Häut-
lein von einem Ei von den Augen ging. (Leukoma ist
noch heute Fachausdruck für eine intensive Hornhaut-
trübung.) Dies Wort übersetzte Luther nicht ganz exakt
mit Star, der aber nur auf operativem Wege geheilt werden
kann. Hielt sich Rembrandt hier, bei der Hauptsache,
an den Text und gab eine Staroperation wieder, so mußte
er vom übrigen Text insofern abweichen, als er den jungen
Tobias die Augen des Vaters nicht salben, sondern die
Linse mit der Starnadel niederdrücken läßt.

Wie genau sich Rembrandt eine Staroperation in
natura angesehen hat, darüber geben seine Zeichnungen*)
mit der Heilung des Tobias Auskunft, die Greeff hier
als erster zusammenstellt und (drei davon erstmalig)
reproduziert. Sie machen für den Kunsthistoriker den
wertvollsten Teil des Buches aus.

Eine andere, scheinbar unwesentliche »ophthalmolo-
gische« Beobachtung des Verfassers zeigt in einem kleinen
Zuge so recht den Menschen Rembrandt: daß der Meister
nicht den Beginn der Operation darstellte, sondern den
Moment wählte, wo der heilungschaffende operative Ein-
griff bereits vollzogen und die Linse niedergedrückt ist:
dem alten Tobias kommt die Sehkraft wieder — um dem
nach langer Trennung heimkehrenden geliebten Sohne
endlich wieder ins Auge zu blicken. Oder wird so in
eine Zufälligkeit zu viel hineininterpretiert?

Die Betrachtung anderer bekannter Gemälde von viel
tieferstehenden Künstlern, die dasselbe Thema behandeln,
ist insofern berechtigt, als der hohe künstlerische Wert
des Rembrandtschen Bildes durch den Vergleich mit jenen
in noch hellerem Lichte erscheint.

Das Arrangement der einzelnen Abschnitte hätte viel-
leicht etwas anders gestaltet werden können. Es wäre
wohl besser gewesen, wenn das Kapitel über die Zeich-
nungen Rembrandts — das erst nach den Abschnitten
»Pseudorembrandtische Gemälde gleicher Art« und »Kupfer-
stiche« kommt — enger mit dem zum großen Teil auf
diesen Studien beruhenden Gemälde in der Galerie Aren-
berg verknüpft worden wäre. Und dann wäre erst nach
Erledigung der ganzen Frage »Rembrandt« auf die Rem-

*) Die auf Tafel VIII abgebildete Zeichnung ist aber
wohl sicher von anderer Hand.

brandtnachahmer usw. einzugehen gewesen. In dem
»Rückblick auf die Skizzen« erwartet man an Stelle der
ziemlich allgemein gehaltenen Bemerkungen über die Ent-
stehungsperioden der Zeichnungen eine stärkere Betonung
der für das künstlerische Element wichtigsten Frage: nach der
in den Skizzen wahrzunehmenden fortschreitenden Entwicke-
lung Rembrandts in der klaren Wiedergabe des rein augen-
ärztlich Exakten im Zusammenhang mit dem künstlerischen
Weiterschreiten und Endigen im ausgeführten Gemälde.
Mit anderen Worten: wie Rembrandt für seine sorgfältigen
Naturstudien der Staroperation im Rahmen der biblischen
Szene nach und nach die beste künstlerische Ausgestaltung
(Form) findet. Eine eingehende Untersuchung nach dieser
Richtung hin — gerade von einem ophthalmologisch ge-
schulten und zugleich künstlerisch empfindenden Manne
— wäre, vom kunstgeschichtlichen Standpunkte betrachtet,
die interessanteste und auch dankbarste Aufgabe gewesen.

Die folgenden Hinweise sollen ein paar leichte sach-
liche Versehen richtig stellen, ohne daß ich mich damit
dem Verfasser gegenüber als überlegener Besserwisser
aufspielen will. Dazu sind die Sachen zu geringfügig.
Bei der Aufzählung der Anatomiebilder vor Rembrandt
fehlt das früheste, 1603 datierte von Aert Pietersz, dem
zweiten Sohne des alten Pieter Aertsen (Nr. 1877 im Rijks-
museum in Amsterdam), das die Vorlesung des Dr. Se-
bastiaan Egbertsz darstellt. Das Delfter Anatomiebild ist
von dem berühmten Michiel Janszoon Miereveit (nicht von
Michael Langson) entworfen und gezeichnet, von dessen
Sohn Pieter 1617 gemalt worden. Das auf Tafel II ab-
gebildete Gemälde der Heilung des Tobias von einem un-
bekannten Rembrandtschüler in Parma hat nichts mit Ben-
jamin Cuyp zu tun, mit dem es nach Greeff Valentiner
zusammengebracht haben soll. Dieser sagte mir bei Ge-
legenheit einmal selber, daß hier ein Mißverständnis von
Seiten des Verfassers vorliegen müsse. Eher könnte man
das noch von der auch etwas Ostade-artigen Heilung des
Tobias in süddeutschem Privatbesitz (Tafel I) annehmen,
wenn die Entstehungszeit dieses Bildes nach Bodes Urteil
sicher nicht früher als in der Mitte des 18. Jahrhunderts an-
zusetzen wäre.

Das Illustrationsmaterial ist sehr gut. Nur die für
einige Zeichnungen verwandte rote Druckfarbe scheint
mir etwas zu grell zu sein. Da die mit ihr reproduzierten
Zeichnungen mit Feder, Pinsel und Tusche ausgeführt sind
und nicht mit Rötel, so wären sie, mit dunkelbrauner Farbe
gedruckt, dem Original entschieden näher gekommen.

Man wird dem Verfasser gern zugestehen und dafür
Dank wissen, daß er als erster jene interessante Entdeckung
von der realistischen Darstellung der Staroperation auf dem
Tobiasbild im Palais Arenberg machte; daß er weiter die
zu diesem Gemälde und dem darauf dargestellten Vor-
gange gehörigen Bilder und Skizzen zuerst gesammelt und
zu einer Gruppe zusammengestellt hat. Durch die Er-
weiterung des im Haupttitel gestellten kunsthistorischen
Themas mit Beiträgen aus der Kulturgeschichte, der Ge-
schichte der Medizin jener Zeit usw. hat er zugleich ein
interessantes Kulturbild entworfen, das sicher weiteren
Kreisen Anregung und Genuß bieten wird. Kurt Preise.
Carl Justi, Miscellaneen aus drei Jahrhunderten spanischen
Kunstlebens. Band 2. Mit 76 Abbildungen. Berlin,
G. Grote, 1908. 8°.

Mit großer Schnelligkeit hat Carl Justi dem ersten
Band seiner gesammelten spanischen Studien jetzt auch
den zweiten folgen lassen und seine »kleinen Schriften«
damit zu einem, wenn auch hoffentlich nur vorläufigen
Abschluß gebracht. Die Vielgestaltigkeit des künstlerischen
Lebens in Spanien, das von den Niederlanden wie von
Italien gleicherweise angezogen und bestimmt wurde,
 
Annotationen