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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Schumann, Paul: Von den kgl. Kunstsammlungen zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0091

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Von den Kgl. Kunstsammlungen zu Dresden

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den Wunsch des Ministers geht offenbar der zweite vor-
tragende Rat zurück, den die zweite Kammer des sächsi-
schen Landtages inzwischen für die Generaldirektion der
Sammlungen bewilligt hat. Der eine vortragende Rat soll
wie bisher ein kunstwissenschaftlich gebildeter Fachmann,
der andere soll ein Jurist oder Verwaltungsbeamter sein.
Mit Recht hat die Deputation ernste Bedenken gehabt, ob
eine solche Zweiteilung zweckmäßig sei und nicht zu Kon-
flikten führen werde, indes der Landtag beruhigte sich
auf die nochmalige ausdrückliche Erklärung des Regierungs-
vertreters hin, daß selbstverständlich alle Vorträge an den
Generaldirektor, das heißt an den Minister in kunstwissen-
schaftlichen Angelegenheiten im Einvernehmen beider Re-
ferenten erstattet werden sollten. Die Zukunft kann nur
lehren, daß dieses Verhältnis unmöglich ist. Schon einer
der beiden vortragenden Räte hat nicht genug zu tun!

Bei der Zurückweisung der Vorwürfe gegen die Ver-
waltung der Dresdner Sammlungen erklärt die General-
direktion, daß sie diese Angriffe, soweit sie sich nicht auf
die räumliche Unterbringung der Sammlungen beziehen,
in der Hauptsache nicht als begründet anzusehen vermag.
Zum mindesten werde man sich auf den Standpunkt stellen
müssen, daß die angedeuteten Projekte und Forderungen
zurzeit keinesfalls zur Verwirklichung reif seien. Der Ver-
fasser der Denkschrift kann sich da mehrfach auf die An-
sichten berufen, die Wilhelm Bode in einem Aufsatz der
Woche 1908, Nr. 36, betitelt »Der Kampf gegen die
Kunstmuseen«, ausgesprochen hat. Im einzelnen be-
spricht die Denkschrift die vorgeschlagene Verbindung
des Kunstgewerbemuseums mit den Kgl. Sammlungen für
Kunst und Wissenschaft, die Zentralisierung aller staat-
lichen Kunstanstalten, die Verbindung der wissenschaftlichen
Sammlungen mit der Technischen Hochschule zu Dresden,
die Neuordnung der Verhältnisse der Kgl. Bibliothek, die
Forderung, daß der Generaldirektor der Sammlungen ein
Fachmann sein müsse, die Unterordnung der Sammlung
unter einen Ressortminister, die Klagen über mangelnde
Mittel zur Vermehrung der Sammlungen, die Konkurrenz
der Dresdner Museen untereinander, die Angaben des
Dr. Naumann über die Sammlungen in der Ersten Kammer.
Alle diese Vorschläge werden als unpraktisch, undurch-
führbar, ungeeignet dargelegt, die Vorwürfe als unbe-
rechtigt usw. Einzelne Angreifer, die Unhaltbares behauptet
haben, werden mit Namen genannt. Dagegen werden
einzelne andere Vorwürfe überhaupt nicht berührt, so die
Behauptung, daß die Kumulierung der Direktorstellen in
einer Person unbedingt schädlich ist, und die entsprechende
Forderung, daß an der Spitze jedes Museums ein fach-
kundiger selbständiger Direktor stehen müsse. Es findet
sich dagegen in der Denkschrift die falsche Behauptung,
daß die Generaldirektion die innere und äußere Selb-
ständigkeit der einzelnen Museen durch Anstellung sachlich
vorgebildeter und mit den Beständen und dem Dienste in
der betreffenden Anstalt vertrauter Direktoren für jede be-
sondere Sammlung stets gewahrt habe. Man kann nur
annehmen, daß der Verfasser mit der Geschichte und der
gegenwärtigen Verwaltung der Museen nicht vertraut ist;
sonst müßte er wissen, daß Direktor Erbstein, der nur als
Numismatiker durchgebildet war, auch eine Zeitlang die
Waffensammlung und späterhin die Porzellansammlung
und das Grüne Gewölbe verwaltet hat, ohne als Waffen-
historiker oder Porzellankenner gelten zu können. Ebenso
haben das Grüne Gewölbe, die Münzsammlung und das
Historische Museum (Waffensammlung und Kunstkammer)
jetzt wieder einen gemeinsamen Direktor, der zwar auf
dem Gebiete der Architektur und des Kunstgewerbes aus-
gezeichnet bewandert, aber weder Waffenhistoriker noch
Numismatiker ist. Ebenso hat das Zoologische und das

Anthropologisch-Ethnographische Museum nur einen Di-
rektor, nämlich einen Zoologen, während ein Ethnograph
als Direktor fehlt. Diese Zustände kritisiert der Verfasser
der Denkschrift an einer anderen Stelle unfreiwillig selbst,
wo er nachweisen will, der Generaldirektor der Samm-
lungen brauche kein Fachmann zu sein. Er sagt da u. a.:
»Die Zeiten sind vorüber, in denen es einem Kunst-
gelehrten möglich war, alle Zweige der Kunstwissenschaft
gleichmäßig zu beherrschen. Durch die immer tiefer in
die Einzelheiten dringenden Forschungen hat sich der zu
bewältigende Stoff so massenhaft angehäuft, daß sich not-
wendigerweise Sondergebiete und für diese wiederum
Spezialisten herausgebildet haben. So wird der gediegenste
Gemäldekenner seine Arbeiten in der Regel auf Bilder
und sogar auf einzelne Malerschulen beschränken. Der
Leiter eines Kupferstichkabinetts ist voraussichtlich in der
Keramik oder Numismatik, der einer Skulpturensammlung
in der Waffenkunde oder über die Erzeugnisse der Gold-
schmiedekunst keineswegs so orientiert, wie in seinem
speziellen Fache.« Das ist durchaus richtig, widerlegt aber
schlagend die Behauptung der Denkschrift, jedes einzelne
Museum sei stets von einem fachlich vorgebildeten Direktor
verwaltet worden. Die Porzellansammlung hat überhaupt
keinen Direktor. Diese läßt der Herr Minister und General-
direktor aus Sparsamkeit von einem fachkundigen Direk-
torialassistenten verwalten, ohne ihm den Direktorgehalt
zu zahlen. Darüber steht nicht ein Wort in der Denk-
schrift.

In einer längeren Polemik bestreitet die Denkschrift
die Forderung, daß der Generaldirektor der Sammlungen
ein Fachmann sein müßte. Es wird da gesagt, auch ein
Fachmann könne bei der gegenwärtigen Zersplitterung der
Wissenschaft in Einzelfächer nur ein einzelnes Fach be-
herrschen. Dann heißt es weiter: »Man wäre vor die
Frage gestellt, welche dieser Disziplinen, die sämtlich in
den Dresdner Sammlungen vertreten sind, so wichtig sei,
daß ihrem Vertreter gegenüber denen der übrigen der
Vorrang gebühre. Ein fachmännisch vorgebildeter General-
direktor aber, der als anerkannte Autorität in einem be-
stimmten Kunstzweige gelten könnte, würde annehmbarer-
weise für die anderen Zweige nicht erheblich viel mehr
als einen allgemeinen Überblick und ein persönliches Ver-
hältnis zur Kunst mitbringen. Diese Eigenschaften sind
aber auch bei einem Generaldirektor, der nicht Fachmann
ist, nicht ausgeschlossen.« Hier tritt die Denkschrift also
ausdrücklich für einen Dilettanten als Generaldirektor ein.
Vergleichen wir damit, was der Minister Dr. Rüger ge-
legentlich im sächsischen Landtage über die Angreifer
seiner Kunstverwaltung sagte:

»Ja, meine Herren, wer spricht denn von den großen
Schäden? Wer sind denn die Herren? Es ist ja ein Elend,
daß bei uns in betreff der Kunstpflege der Dilettantismus . . .
eine Herrschaft erreicht hat, die beinahe, könnte ich sagen,
unerträglich ist. Es kommt einfach daher, daß auf keinem
anderen Gebiete der Mangel wirklichen Wissens, positiver
Kenntnisse und der Mangel gereiften Urteils sich so leicht
verbergen läßt, wie gerade auf dem der Kunst.«

Man kann aus diesen Worten des Ministers gewiß
unschwer eine Kritik der Worte der Denkschrift heraus-
lesen! Im übrigen meinen wir, sollte ein Generaldirektor
doch noch etwas mehr als einen allgemeinen Überblick
und ein persönliches Verhältnis zur Kunst mitbringen,
nämlich vor allem gründliche Kenntnisse des Museums-
wesens, die jetzt in der Tat eine Wissenschaft geworden
ist. Am wenigsten geeignet aber erscheint uns als General-
direktor ein solcher Mann, der außer anderem nicht ein-
mal ein persönliches Verhältnis zur Kunst mitbringt und
darnach spricht und handelt.
 
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