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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Schumann, Paul: Von den kgl. Kunstsammlungen zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0092

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Von den Kgl. Kunstsammlungen zu Dresden

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Mehrfach wird in der Denkschrift von der geschlossenen
und charakteristischen Erscheinungsform der Dresdner
Museen gesprochen, die ihnen ein Recht auf Sonderexistenz
gebe. Wir wollen das gern zugeben für das Grüne Ge-
wölbe, den Mathematisch-Physikalischen Salon und die
Porzellansammlung, aber ganz verfehlt wäre dieser Ge-
sichtspunkt beim Münzkabinett. Denn während jene
Sammlungen einzigartig in der Welt dastehen, unter-
scheidet sich das Münzkabinett von anderen derartigen
Sammlungen nur dadurch, daß es nicht der Wissenschaft
entsprechend weiter entwickelt, sondern auf dem Stande
einer Amateursammlung gehalten worden ist. Es zählt
daher und aus anderen Gründen trotz seiner großen Be-
stände unter den wirklich gut verwalteten großen Münz-
sammlungen nicht mehr mit. Hier erscheint also nicht
»besondere Pietät und große Vorsicht bei Versuchen«,
sondern eine wissenschaftlich planmäßige Anordnung, Ver-
waltung und Vermehrung am Platze.

Danach kommt die Denkschrift zu dem Schlüsse: »Von
einem Rückgange der Dresdner Sammlungen kann glück-
licherweise nicht die Rede sein. Es ist lediglich einzu-
räumen, daß sich ein Teil von ihnen seit etwa der Mitte
der 1890er Jahre dadurch in einem für ihre Entwickelung
nicht förderlichen Zustande befindet, daß infolge der
Finanzlage des Landes ihrem Bedürfnisse nach räumlicher
Erweiterung oder anderweiter Unterbringung nicht hat
entsprochen werden können.«

In der Entwickelung ihres eigenen Programms will
sich die Generaldirektion damit begnügen, das Vorhandene
vorsichtig und eine gewisse Mittellinie einhaltend auszu-
bauen. Sie will namentlich die geschlossene und charakte-
ristische Erscheinungsform der Kgl. Sammlungen und ihre
Rechtsverhältnisse rücksichtsvoll bewahren. Sie will zur-
zeit und vorläufig die räumlichen Mängel bei einzelnen
Sammlungen beschränken und in allgemeinen Umrissen
einen Plan für ihr Vorgehen in den nächsten Jahren ent-
werfen. Für die Skulpturensammlung soll mehr Raum
gewonnen werden, indem ihr das gesamte Albertinum zur
Verfügung gestellt wird; für das Hauptstaatsarchiv, das
jetzt noch mit im Albertinum untergebracht ist, soll ein
neues Gebäude errichtet werden.

Neu untergebracht werden müßte die moderne Ab-
feilung der Gemäldegalerie, die Porzellansammlung, die
zoologische, die anthropologisch-ethnographische und die
prähistorische Sammlung, endlich das Münzkabinett.

Die Porzellansammlung, die in ihren jetzigen engen
Räumen — im zweiten Obergeschoß des Johanneums —
nicht genügend zur Geltung kommt und auch vor Feuers-
gefahr nicht genügend geschützt erscheint, soll in den
Galerien des Zwingers untergebracht werden; der Mathe-
matisch-Physikalische Salon soll um seines ganz eigen-
artigen Raumbildes und der Besonderheit seiner Aufstellung
willen in seinem jetzigen Bestände und an seiner jetzigen
Stelle im Zwinger gelassen werden. Für die sämtlichen
naturwissenschaftlichen Sammlungen aber soll ein neues
Gebäude errichtet werden, ebenso eins für die moderne
Abteilung der Gemäldegalerie. Dabei wird von vornherein
in Aussicht genommen, daß künftig nicht alle Gemälde,
die der Akademische Rat aus Mitteln der Pröll-Heuer-
Stiftung ankauft, dauernd in der Galerie aufgestellt werden,
sondern daß ein Teil von ihnen schon bald an Provinzial-
sammlungen abgegeben werden kann. Für das neue
Galeriegebäude, das in seiner Art ein Musterbau werden
müßte, sollen eingehende Studien über Orientierung und
Belichtung usw. gemacht werden.

Weiter soll sorgfältig untersucht werden, wie die un-
günstige Belichtung der großen Säle in dem Semperschen
Galeriegebäude, die Eintönigkeit der kleinen Kabinette

und die ungünstige Raumgestaltung im zweiten Ober-
geschoß beseitigt werden können.

Das Kupferstichkabinett soll in seinen Räumen im
Zwinger verbleiben, das Münzkabinett dagegen könnte in
die Räume des Zwingers verlegt werden, die jetzt die
Gemälde des 18. Jahrhunderts bergen. Das Grüne Ge-
wölbe würde so um die jetzigen Räume des Münzkabinetts
vergrößert und könnte auch die kunstgewerblichen Gegen-
stände der ehemaligen Kunstkammer aufnehmen, die jetzt
mit der Waffensammlung so unorganisch zum Historischen
Museum verbunden sind. Die Waffensammlung könnte
dann wieder als Rüstkammer bezeichnet werden und durch
Verbindung mit der Arsenalsammlung und dem sächsischen
Armeemuseum zu einem sächsischen Heeresmuseum aus-
gestaltet werden. Jedes dieser drei Museen könnte ein
Stockwerk des Johanneums erhalten, so daß die an und
für sich so glückliche Verbindung nur eine äußerliche wäre
und die zum Kgl. Hausfideikommiß gehörigen Stücke von
den übrigen Beständen getrennt gehalten werden könnten,
ohne die innere organische Einheit des Ganzen zu ge-
fährden. Endlich soll auch dem Museum des Vereins für
sächsische Volkskunde soweit angängig ein geeignetes
Unterkommen, bis auf weiteres vielleicht im ehemaligen
Landhause, beschafft werden.

Zur Beseitigung der räumlichen Schwierigkeiten kom-
men weiter in Betracht die Magazinierung gewisser Be-
stände (d. h. wohl Trennung von Schauräumen und Studien-
sammlung), die Verleihung geeigneter Sammlungsgegen-
stände (vielleicht auch kunstgewerblicher Art) an andere
sächsische Museen außerhalb Dresdens und die Verwertung
der zahlreichen Doppelstücke (in der Waffen- und in der
Porzellansammlung) zum Eintausch anderer wichtiger Kunst-
werke.

Schließlich erörtert die Denkschrift noch die Frage,
ob das vom Geh. Regierungsrat Woldemar von Seidlitz
vorgeschlagene sächsische Fürstenmuseum eingerichtet wer-
den kann. Alle Schwierigkeiten werden erwogen, die, kurz
gesagt, das Museum unmöglich machen; schließlich wird die
Frage der Zukunft überwiesen, sobald das oben dargelegte
Programm abgeschlossen sein wird. Wie und in welcher
Zeit dies geschehen kann, hängt von der finanziellen Lage
des Staates und von der Platzfrage ab. Erleben wird es
darnach wohl keiner.

Die Denkschrift schließt mit folgenden Worten: »Zum
Teil in Verbindung mit den geplanten Neu- und Umbauten,
zum Teil unabhängig von ihnen harren noch andere dring-
liche und zahlreiche Aufgaben der Erledigung. Insbeson-
dere müssen die Katalogisierungsarbeiten schleunigst ge-
fördert werden, da nur von der Gemäldegalerie ein wissen-
schaftlich genügendes, gedrucktes und käufliches Verzeichnis
existiert. Im Historischen Museum ist seit 1838 kein In-
ventar aufgestellt worden, auch sind daselbst noch etwa
200 ältere, 1561 beginnende sehr beachtenswerte Inventare
durchzuarbeiten. Das Münzkabinett bedarf einer Neuord-
nung und Neuaufstellung. Der Überfüllung im Grünen
Gewölbe ist nach der Zuteilung neuer Räume durch bessere
Verleihung der hervorragenderen und durch Magazinierung
der unbedeutenden Stücke zu steuern. Auch möchten die
Sammlungen ausgiebiger als bisher der Allgemeinheit zu-
gänglich gemacht werden. Aus alledem erhellt, daß die
Aufgaben, die auf dem Gebiete des Sammlungswesens der
Erfüllung harren, sowohl ihrer Zahl wie ihrer Bedeutung
nach nicht gering sind, und daß es der Anspannung aller
Kräfte bedürfen wird, um in nicht ferner Zeit das ge-
steckte Ziel zu erreichen.«

So weit die Denkschrift. Man ersieht aus ihr, daß die
Generaldirektion und damit die Regierung doch einen recht
großen Teil der Wünsche zu erfüllen gedenkt, die von
 
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